2.54.3 (feh1p): 3. Kontrolle der Waffen- und Munitionstransporte auf deutschen Eisenbahnen.

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3. Kontrolle der Waffen- und Munitionstransporte auf deutschen Eisenbahnen.

ReichsverkehrsministerGroener berichtet über die zur Sicherung der Neutralität ergriffenen Maßnahmen9 und über die bisherigen Besprechungen mit den Vertretern der Arbeiterorganisationen10. Die Bewegung in der Arbeiterschaft[133] richte sich 1. gegen die Ententetransporte11, 2. gegen innerdeutsche Transporte. Bei letzteren handele es sich in der Hauptsache um Munitions- und Waffentransporte für die Reichswehr und die Sipo, von denen die Arbeiterschaft annehme, daß sie mitunter nicht an die richtige Adresse gelangen. Er habe sich auf den Standpunkt gestellt, daß Eingriffe während der Fahrt durch die Arbeiterschaft unter keinen Umständen zu dulden seien. Andernfalls höre jede Möglichkeit eines geordneten Eisenbahnbetriebes auf. Durch Ausführung der am gestrigen Tage gefaßten Beschlüsse der Spitzenorganisationen würde eine zweite Hierarchie von Befehlsstellen geschaffen werden12; dies sei für die Eisenbahnverwaltung unerträglich. Er schlage dem Kabinett vor, einen Weg zu suchen, um die Beschlüsse der Spitzenorganisationen durch Verhandlungen mit den Arbeitern aus dem Wege zu schaffen, denn er halte es für richtig, eine Vermittlung zu versuchen, bevor man zu dem äußersten Mittel des Verbots greife.

9

Diese Maßnahmen waren die Neutralitätserklärung Dtlds. im poln.-russ. Krieg vom 20.7.1920 (Schultheß 1920, I, S. 201) und die VO der RReg. zum Verbot der Ausfuhr und Durchfuhr von Waffen und Munition vom 25. und 30.7.1920 (RGBl. 1920, S. 1469  u. 1485).

10

Gegenstand dieser Besprechungen waren Auseinandersetzungen zwischen dem RIMin. und Berliner Eisenbahnern über die Absendung eines für die ostpreußische Sicherheitspolizei bestimmten Zuges mit Militärgütern. Die Abfertigung dieses Zuges war von den Eisenbahnern verweigert worden (Vorwärts Nr. 411 v. 18.8.1920).

Diese Verhandlungen hatten am 18. 8. zwischen den beteiligten Behörden (RIMin. und Eisenbahndirektion) und den Arbeiterorganisationen (Vertreter der sozialistischen Parteien, der Berliner Gewerkschaftskommission, des Dt. Eisenbahnerverbandes und der Betriebsräte) begonnen und dauerten zum Zeitpunkt der Kabinettssitzung noch an (Vorwärts Nr. 420 v. 24.8.1920).

11

Siehe dazu Dok. Nr. 41, P. 2.

12

Nachdem auch an anderen Orten Waffentransporte angehalten worden waren, waren am 22. 8. von den Arbeiterorganisationen gemeinsame Richtlinien beschlossen worden, nach denen künftig alle Transporte kontrolliert werden sollten. Diese Richtlinien besagten, daß die örtlichen Arbeiterausschüsse berechtigt seien, jeden verdächtigen Transport solange anzuhalten, bis eine Entscheidung der Zentralinstanz in Berlin gefallen sei. Ententezüge, über die vorher eine Verständigung mit den örtlichen Gewerkschaften hergestellt werden müßte, sollten besondere Passierscheine erhalten. Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Munitionstransporte der Reichswehr gerichtet werden (Vorwärts Nr. 420 v. 24.8.1920).

Reichswirtschaftsminister Dr. Scholz weist darauf hin, daß, soweit die Grenzüberwachungen in Frage kommen, der Reichsbeauftragte für Ein- und Ausfuhr bereits von ihm mit den notwendigen Instruktionen versehen sei.

Der Herr Reichspräsident schlägt vor, den Weg der Verhandlung mit den Arbeiterorganisationen zu beschreiten. Wir könnten einen Eisenbahnerstreik jetzt nicht vertragen. Er habe auf Grund seiner Fühlungnahme den Eindruck, daß wenigstens in den Kreisen der Mehrheitssozialisten die Bereitwilligkeit zum Entgegenkommen bestehe. Die Arbeiter hätten darüber geklagt, daß die Transporte nicht den Verabredungen entsprechend genügend gekennzeichnet worden seien13. Die führenden Organisationen seien jedoch der Ansicht, daß die Leitung der Kontrolle in der Hand der Behörde liegen müsse.

13

Vgl. Dok. Nr. 41, P. 2.

Entwaffnungskommissar Dr. Peters führt aus, daß er ohne weiteres in der Lage sei, ein generelles Transportverbot zu erlassen. Von diesem Verbot müßten grundsätzlich die auf Grund vertraglicher Verpflichtungen fahrenden Ententetransporte und die zur Verschrottung bestimmten Transporte des Reichsschatzministeriums ausgenommen werden. Alle anderen Transporte würden dann im einzelnen Falle von ihm zu genehmigen sein.

Der Herr Reichskanzler betont, daß zur Mitwirkung nur Vertreter der Gewerkschaften des Eisenbahnpersonals, nicht aber auch Vertreter einzelner politischer Parteien zugelassen werden könnten.

[134] Das Kabinett beschließt, daß im Sinne der Vorschläge des Herrn Reichskanzlers und des Entwaffnungskommissars mit den Arbeitervertretern verhandelt werden solle14.

14

Diese Verhandlungen fanden am Abend des 23. 8. in der Rkei statt; den Vorsitz führte der RK. An ihnen nahmen Vertreter des ADGB, des Dt. Transportarbeiterverbandes, der SPD und der USPD teil. Regierung und Arbeiterorganisationen waren sich darin einig, daß neutralitätswidrige Transporte verhindert werden sollten. Es wurde beschlossen, daß alle für die Reichswehr und die Sicherheitspolizei bestimmten Transporte vom RWeMin. bzw. von den Zentralpolizeibehörden genehmigt werden sollten. Bei der Genehmigung dieser Transporte sollten Vertreter der organisierten Arbeiterschaft mitwirken (WTB-Meldung, Vorwärts Nr. 421 v. 24.8.1920). Siehe dazu weiter Dok. Nr. 58.

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