2.103.1 (lut1p): 1. Frage der Amnestie.

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1. Frage der Amnestie.

Der Reichsminister der Justiz teilte mit, daß das Zentrum, die Demokraten und die Sozialdemokraten die Auffassung verträten, daß der Regierungsentwurf über die Amnestie1 den Rechtskreisen im Vergleich zu den Linkskreisen zu viele Vorteile biete2. Je nach dem Verlauf der parlamentarischen Verhandlungen werde die Reichsregierung einen weiteren Ausbau der Amnestie in Erwägung ziehen müssen. Seitens der Linken werde voraussichtlich Amnestierung des durch öffentliche Bekanntmachung begangenen politischen Landesverrats3 verlangt werden4. Vielleicht könne man auch beim Straferlaß in bezug auf die Festsetzung des noch nicht verbüßten Strafrestes Entgegenkommen zeigen. Auf keinen Fall könne man bei der Einstellung von Verfahren insofern eine Abänderung treffen, als es sich um die Frist bis zum 1. Oktober 1923 handle5.

1

S. Dok. Nr. 97, P. 1, dort bes. Anm. 2.

2

Lt. Vermerk Wiensteins vom 10. 6. teilte MinR Werner über eine Besprechung mit Parteiführern vom gleichen Tage mit, „daß die Regierungsparteien scheinbar grundsätzlich mit dem Entwurf einverstanden seien. Zentrum und Deutschnationale wollten allerdings Delikte gegen § 92 Nr. 1 des StGB in den Entwurf einbezogen wissen. Von den Demokraten sei der Abg. Haas zu den Besprechungen erschienen. Er habe sich jedoch nicht bindend geäußert. Der Abg. Rosenfeld (SPD) habe sehr enttäuscht über den Entwurf sich geäußert, der nur für Rechtskreise Vorteile biete.“ (R 43 I /1242 , S. 401 f.).

3

Gemeint sind Zuwiderhandlungen gegen § 92 Nr. 1 StGB. Zum Text s. Anm. 3 zu Dok. Nr. 97.

4

Diese Fassung auf Grund einer Verfügung der Rkei vom 23. 6. Gestrichen wurden die ursprünglich hinter dem Wort „biete“ folgenden drei Sätze: „Die Reichsregierung werde daher noch weitere Zugeständnisse machen müssen. Es werde eine Amnestierung der Landesverräter erforderlich sein. Vielleicht lasse sich jedoch eine annehmbare Fassung finden.“ (R 43 I /1242 , S. 429).

5

Vgl. dazu Dok. Nr. 97, Anm. 4 und 8.

Der Reichsarbeitsminister Er habe den Eindruck, als ob der Widerstand gegen den Amnestieentwurf in seiner Fraktion wachse. Man müsse bedenken, daß zur Zeit außerordentlich viele kritische Vorlagen vorhanden seien. Es sei vielleicht am besten, die Amnestievorlage noch etwas hinauszuschieben. Er halte es nicht für unmöglich, daß auch die Rechte hierfür zu haben sein werde.

Staatssekretär Weismann: Der Standpunkt Preußens gehe dahin, daß es an sich besser sei, wenn keine Amnestie ergehe. Wenn die Reichsregierung jedoch eine Amnestie bringen wolle, dann müsse sie gleich gebracht werden. Der[336] Wunsch Preußens gehe dann auch dahin, daß die Delikte aus § 92 Ziffer 1 des Strafgesetzbuchs in die Amnestie einbezogen würden6.

6

Preußen hatte die Einbeziehung der Delikte gegen § 92 Nr. 1 StGB bereits am 25. 5. in einer Besprechung mit Ländervertretern im RJMin. angeregt, über die sich ein kurzer Vermerk Wiensteins in R 43 I /1242 , S. 349 f. befindet. Es wiederholt seinen Antrag am 21. 7. in der Vollsitzung des RR, der ihn mit 32 gegen 22 Stimmen annimmt (Material hierzu in P 135/7920). Nach der Endfassung des „Gesetzes über Straffreiheit“ vom 17.8.25 werden erlassen Strafen und Strafreste wegen Zuwiderhandlung gegen § 92 Abs. 1 Nr. 1 StGB und damit im Zusammenhang stehende Straftaten, sofern die Tat durch öffentliche Bekanntmachung begangen ist (RGBl. I, S. 313 ).

Der Reichskanzler Er sei grundsätzlich für eine Amnestie. Infolge der Mitteilungen des Reichsarbeitsministers halte er es für nötig, daß über die Frage der Amnestie nochmals eine Ministerbesprechung, und zwar am Montag, dem 15. Juni, stattfinde7.

7

S. Dok. Nr. 104, P. 2.

Das Kabinett hatte hiergegen keine Bedenken.

Staatssekretär Zweigert: Es sei von verschiedenen Seiten auch eine Amnestie für Disziplinarvergehen angeregt worden. Minister Schiele stehe der Idee an sich sympathisch gegenüber; es werde jedoch noch nötig sein, mit dem Reichsverkehrs- und dem Reichspostministerium in Verbindung zu treten. Die Amnestie für Disziplinarvergehen gehöre aber auf keinen Fall in den Rahmen dieses Gesetzes.

Hiergegen erhob sich kein Widerspruch.

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