2.167.1 (lut1p): Deutsch-russische Wirtschaftsverhandlungen.

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Deutsch-russische Wirtschaftsverhandlungen.

Der Reichsminister des Auswärtigen berichtete über das Vertragswerk1 und stellte sich auf den Standpunkt, daß alles getan werden müsse, um das Zustandekommen des Vertrages zu ermöglichen. Offen seien noch zwei Fragen, die Frage der Gewährung der Exterritorialität des ganzen Hauses in der Lindenstraße2 und die Finanzfragen.

1

S. dazu die „Aufzeichnung des RAM über die dt.-russ. Wirtschaftsverhandlungen“, hier abgedr. als Dok. Nr. 165, die das AA in seiner Kabinettsvorlage vom 29. 9. zusammen mit sieben weiteren Anlagen (Entwürfe eines Mantelvertrages, eines Niederlassungsabkommens, eines Seeschiffahrtsabkommens, eines Nachlaßabkommens, eines Abkommens über gewerblichen Rechtsschutz; zwei Zusammenstellungen über ergänzende Regelungen zu diesen Entwürfen; Telegramme der dt. Delegation) an die Rkei übersandt hatte (R 43 I /1112 , Bl. 129-183).

2

Zur Frage der Exterritorialität der sowj. Handelsvertretung in Berlin s. Dok. Nr. 133, P. 1.

Der Reichsminister der Finanzen berichtete über die Finanzfragen3.

3

Der RFM hatte mit Schreiben vom 30. 9. um Kabinettsentscheidung über die Modalitäten der steuerlichen Veranlagung der sowj. Handelsvertretung Berlin und über die Frage der steuerlichen Gleichbehandlung der in der UdSSR tätigen dt. Firmen mit den staatlichen sowj. Unternehmen gebeten. Hinsichtlich der Besteuerung der sowj. Handelsvertretung sei mit der sowj. Delegation Einvernehmen erzielt, daß Pauschalabfindungen zunächst für ein Jahr festgesetzt werden sollten. Strittig sei aber noch, ob die Handelsvertretung zwecks Feststellung einer solchen Pauschalsumme zur Vorlage ihrer Geschäftspapiere verpflichtet werden solle. Die Sowjets hätten die Vorlage der Geschäftspapiere bisher abgelehnt, sich aber bereit erklärt, auf Anfrage detaillierte Auskünfte zu geben. Auf der steuerlichen Gleichbehandlung dt. Firmen in der UdSSR sollte unbedingt bestanden werden, weil einerseits die sowj. staatlichen Unternehmen erhebliche Steuerprivilegien genössen, andererseits um die dt. Firmen „bis zu einem gewissen Grade vor der russischen Steuerwillkür zu schützen.“ (R 43 I /1112 , Bl. 188 f.).

[599] Nach eingehender Erörterung wurde festgestellt, daß der Frage der Besteuerung der Angestellten und der Frage der Besteuerung deutscher Unternehmungen im Ausland, soweit sie nicht in das Gebiet der Konzessionen fallen, keine Bedeutung beizumessen ist. Für Konzessionen soll versucht werden, die Meistbegünstigungsklausel, die bereits in dem Vertragswerk enthalten ist, dahin ausgelegt zu erhalten, daß sich die Meistbegünstigung auch auf Steuerfragen erstreckt4. Auf die Vorlage der Bücher der Handelsvertretung zwecks Besteuerung soll verzichtet werden, jedoch mit der Maßgabe, daß die Russen für dieses Entgegenkommen ein Entgegenkommen in der Steuersumme zeigen.

4

S. dazu Art. 1 und 2 des Steuerabkommens im RGBl. 1926 II, S. 39 .

Der Reichsminister des Auswärtigen wurde beauftragt, in diesem Sinne erneut mit Tschitscherin zu verhandeln5.

5

Fragen der Handelsverträge, insbes. der Exterritorialität der sowj. Handelsvertretung Berlin hatte Stresemann bereits in einer Unterredung mit Tschitscherin am 30. 9. in Berlin erörtert (Stresemann, Vermächtnis, Bd. II, S. 523 ff.). Über ein weiteres Gespräch mit dem sowj. Volkskommissar in der Nacht zum 2. 10. berichtet der RAM in einer Aufzeichnung, die er am 6. 10. telegr. aus Locarno übermittelt. Seinem Versuch, im Sinne der dt. Forderungen in der Frage der Besteuerung der Handelsvertretung auf Tschitscherin einzuwirken, habe sich dieser mit dem Hinweis auf die derzeitige Zuständigkeit Litwinows entzogen (R 43 I /134 , Bl. 288 f.).

Bezüglich der Exterritorialität teilte der Reichsminister des Auswärtigen mit, daß die Russen darauf verzichtet hätten, die Exterritorialität der Filiale in Hamburg im Rahmen des Handelsvertrages zu fordern. Tatsächlich komme dies einem vollen Verzicht der Exterritorialität der Filiale in Hamburg gleich, da Hamburg ja von sich aus, wenn es darum angegangen werde, die Exterritorialität nicht zugestehen könne.

Der Reichswehrminister erklärte darauf, daß dies für seine Entscheidung wesentlich sei. Nachdem Hamburg weggefallen sei, könne er dem Vertragsentwurf seine Zustimmung geben.

Der Reichsminister des Innern bat nochmals um Feststellung, ob die Hamburger Frage tatsächlich praktisch ausgeräumt sei oder nicht.

Ministerialdirektor Dr. Wallroth bejahte diese Frage.

Der Reichsminister des Innern bat darauf um Mitteilung, ob das Vertragswerk scheitere, wenn die Exterritorialität für die restlichen 2/5 der Lindenstraße nicht zugestanden würde.

Der Reichsminister des Auswärtigen bejahte diese Frage.

Der Reichsminister des Innern erklärte daraufhin, daß er seine Bedenken aufrechterhalte, aber mit Rücksicht auf die außenpolitischen Fragen, die zur Zeit zur Debatte ständen, dem Abschluß des Vertrages zustimme.

Der Reichsminister der Justiz schloß sich dieser Erklärung des Reichsministers des Innern an.

Der Reichskanzler stellte daraufhin fest, daß der Vertrag einstimmig angenommen ist6.

6

Nach Unterzeichnung des gesamten Vertragswerks (über seine Gliederung in zahlreiche Einzelabkommen s. Dok. Nr. 165, Anm. 4) am 12. 10. in Moskau wird der „Entwurf eines Gesetzes über die deutsch-russischen Verträge“, den der RAM am 30. 10. an die Rkei übersendet, vom RKab. am 6. 11. im Umlaufverfahren gebilligt (R 43 I /1112 , Bl. 192-210). Der RAM leitet ihn am 26. 11. dem RT zu (RT-Drucks. Nr. 1551, Bd. 405 ), der ihn am 12. 12. annimmt (RT-Bd. 388, S. 4833 ). Der Verkündung erfolgt am 6.1.26 (RGBl. II, S. 1 ), der Austausch der Ratifikationsurkunden am 11. 2. in Berlin (Bekanntmachung des AA im RGBl. II, S. 138).

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