2.41.3 (lut1p): 3. a) Taktische Behandlung der Aufwertungsfragen.

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3. a) Taktische Behandlung der Aufwertungsfragen.

Der Reichskanzler trug vor, daß das Aufwertungsproblem3 nach seiner Meinung in dreifacher Weise gelöst werden könnte:

3

Zur vorangegangenen Beratung über die Aufwertungsentwürfe des RJM und des RFM s. Dok. Nr. 24, P. 8.

1. durch baldige Einbringung der Regierungsvorlagen,

2. durch Abgabe einer Erklärung etwa folgenden Inhalts: Die Vorlage sei jetzt nicht möglich, die Nichtinnehaltung der dreiwöchigen Frist4 beruhe im wesentlichen auf dem Verschulden der Parteien, die sich nicht hätten einigen können, oder

4

S. Anm. 9 zu Dok. Nr. 24.

3. durch alsbaldige Einbringung eines Initiativgesetzes über die Aufwertung durch die Regierungsparteien nach möglichst umgehend unter Vorsitz der Reichsregierung abzuhaltenden Besprechungen.

[148] Zu 1: Die Regierung könne mit den Vorlagen nicht herauskommen, da sie im Kampf um die Wahl des Reichspräsidenten sofort von allen Parteien, und zwar auch den Regierungsparteien, voraussichtlich heftig angegriffen und zerpflückt werden würden.

Zu 2: Der zweite Vorschlag bedeute ein Hinauszögern. Auch seine Verwirklichung würde nicht ausschließen, daß die Parteien im Wahlkampf weitgehende Versprechungen, die hernach nicht erfüllt werden könnten, abgeben würden.

Zu 3: Der dritte Vorschlag habe den Vorzug, bald eine vollendete Tatsache zu schaffen. Der Initiativentwurf würde sich nur im Rahmen des Möglichen halten können. Es sei jedoch ungewiß, ob es möglich sei, mit den Parteien schnell zu einer Einigung zu kommen.

Der Reichskanzler wies weiter darauf hin, daß die heutige Abstimmung über den Antrag Müller-Franken Nr. 626, soweit er die Aufhebung der dritten Steuernotverordnung verlange, den Rücktritt der Regierung nach sich ziehen müsse, falls der Antrag angenommen würde. Daher müsse sofort mit den Parteien, die der Regierung naheständen, Fühlung genommen werden, damit die Ablehnung des Antrages gesichert oder aber die Abstimmung heute vereitelt werde5.

5

Der am 6. 3. eingebrachte SPD-Antrag fordert die Aufhebung der VO (s. Anm. 1 zu Dok. Nr. 5), die in Art. I–IV die bisher geltenden Aufwertungsregelungen enthält, bis 31.3.25. Außerdem solle die RReg. ersucht werden, dem RT bis spätestens Ende März ein umfassendes Aufwertungsgesetz vorzulegen (RT-Drucks. Nr. 626, Bd. 399 ). Der RT verweist den Antrag am 7. 3. nach kurzer Debatte an den Aufwertungsausschuß (RT-Bd. 384, S. 932 ), der ihn am 12. 3. ablehnt (s. „Die Zeit“ vom 12. 3.).

Der Reichsminister des Innern erklärte den Vorschlag zu 3 nicht für ausführbar, vielmehr sei es notwendig, mit den der Regierung nahestehenden Parteien alsbald bindende Abmachungen über die Grundlagen des von der Regierung einzubringenden Entwurfs herbeizuführen. Durch solche Abmachungen würden die Parteien verhindert werden, im Wahlkampf zu weit zu gehen. Seine Partei sei bereit, derartige Bindungen einzugehen. Auch die übrigen der Regierung nahestehenden Parteien würden sich der Notwendigkeit derartiger Bindungen nicht entziehen können.

Der Abgeordnete Becker-Arnsberg erklärte, daß er krankheitshalber mit seiner Fraktion nicht habe Fühlung halten können und daher deren Absichten nicht kenne. Er halte aber den Vorschlag des Reichsministers des Innern für gangbar. Nach seiner Kenntnis der Dinge würden die Parteien im kommenden Wahlkampfe zurückhaltender sein als im letzten.

Der Reichsminister des Innern bezweifelt dies, sofern nicht seinem Vorschlage entsprechend feste Abmachungen getroffen würden.

Der Reichskanzler bittet um Äußerung dazu, was heute hinsichtlich des Antrags Müller-Franken veranlaßt werden solle.

Staatssekretär Joel berichtet, daß er aus Unterhaltungen mit Mitgliedern der Volkspartei, der Deutschnationalen Volkspartei, den Abgeordneten Schetter und Emminger, den Eindruck habe, daß die Ziele der Aufwertungsmöglichkeiten hinsichtlich der Hypotheken beträchtlich zurückgesteckt seien. Die Stimmung[149] scheine dahin zu gehen, daß ein Satz von 25% als ausreichende Grundlage angesehen werden könne. Der Bestsche Entwurf6 könne als sachlich erledigt angesehen werden, und zwar auch in der Deutschnationalen Volkspartei.

6

S. dazu Anm. 21 zu Dok. Nr. 24.

In der Frage der Rückwirkung würde es als möglich angesehen werden können, den 1. Juli 1923 als Termin vorzuschlagen mit dem Vorbehalt, sich hernach auf den 1. Januar zurückdrängen zu lassen7. Die Erhöhbarkeit des Aufwertungssatzes nach oben sei ein äußerst schwieriges Problem und führe in gewissem Umfange auf die Bestschen Gedankengänge zurück. Er habe daher die Parteiwünsche in dieser Richtung stark bekämpft.

7

Zur Rückwirkungsfrage s. Anm. 10 zu Dok. Nr. 18 und Anm. 13 zu Dok. Nr. 24.

Mit größter Schnelligkeit müsse, wenn der Gesetzentwurf nicht unverzüglich eingebracht werden könne, ein Gesetz verabschiedet werden, das die in der dritten Steuernotverordnung bestimmten und mit dem 31. März ablaufenden Fristen hinausschiebe8. Dieser Gesetzentwurf sei notwendig, bringe freilich die Gefahr mit sich, daß bei dieser Gelegenheit im Reichstage das Aufwertungsproblem in vollem Umfange aufgerollt werde. Er sei der Meinung, daß sich die Parteien in weiteren Punkten als von ihm angedeutet, nicht festlegen lassen würden.

8

Hierbei handelt es sich um die Anmeldefristen für Aufwertungsansprüche aus Sparkassenguthaben und für Anträge auf Herabsetzung der Aufwertungsbeträge, die nach der Dritten Steuernotverordnung (§§ 2 und 7) und ihren Ausführungsverordnungen (RGBl. 1924 I, S. 74 , 430 , 561, 682) mit dem 31.12.24 ablaufen sollten. Diese Fristen waren durch die „Verordnung zur einstweiligen Regelung der Aufwertung“ vom 4.12.24 (RGBl. I, S. 765 ) bis zum 31.3.25 verlängert worden.

Der Reichsminister der Finanzen bestätigt diese Annahme.

Der Reichskanzler erklärt es für unmöglich, mit den Vorlagen jetzt während der Vorbereitung der Wahlen herauszukommen. Auch wenn sie nur in den Reichsrat gelangten, würden die Parteien sie im Wahlkampf ausschlachten, besonders dann, wenn eine Bindung der Parteien nicht erreichbar sein sollte.

Der Reichsminister des Innern und der Reichsminister der Finanzen stimmten dem zu. Letzterer teilte mit, daß die Deutsche Volkspartei auf dem Standpunkt stehe, die beiden Vorlagen zu trennen und die Hypothekenaufwertung alsbald gesetzlich zu regeln, die Aufwertung der Anleihen aber zurückzustellen. Er halte diesen Plan für verhängnisvoll, da durch eine Festlegung in der Hypothekenfrage bei nicht gleichzeitiger Verabschiedung des Anleihe-Aufwertungsgesetzes die Parteien dazu neigen würden, in den späteren Beratungen über das letztere die hohen Sätze des Hypothekenaufwertungsgesetzes zu übernehmen9.

9

Bisher sehen die Entwürfe des RFM und des RJM Aufwertungssätze bei öffentlichen Anleihen in Höhe von 5%, bei Hypotheken in Höhe von 25% vor. S. dazu Anm. 40, 42 und 13 zu Dok. Nr. 24.

Der Abgeordnete Becker-Arnsberg trat dem bei.

Der Reichskanzler wies darauf hin, daß Zahlen über die Aufwertungshöhe nicht genannt werden dürften, bevor nicht der bevorstehende Wahlkampf überwunden sei.

[150] Der Reichsminister des Innern stimmte dem zu. Wenn jetzt 25% für die Hypothekenaufwertung vorgeschlagen werden sollten, dann werde im Wahlkampf zweifellos derselbe Satz für die Anleihen verheißen werden. Beide Gesetze müßten daher zusammengefaßt bleiben10.

10

Vgl. den Kabinettsbeschluß vom 21. 3. (Dok. Nr. 53).

Der Reichskanzler hob hervor, daß die geringen Sätze des Anleiheentwurfs ermäßigend auch auf die Parteiwünsche hinsichtlich der Hypothekenaufwertung wirken würden, während andererseits die abgesonderte Behandlung der Hypothekenaufwertung den Gesamtrahmen nach oben verschieben müsse. Die Regierung würde zweckmäßig tun, unverhohlen zu erklären, daß die Vorarbeiten zwar unmittelbar vor dem Abschluß ständen, aber nicht bekanntgegeben werden könnten, ehe man nicht wisse, daß die Parteien sich ungefähr auf den Boden der Regierungsvorlage stellen würden.

Es wird beschlossen, eine derartige Erklärung alsbald auszuarbeiten und in der heutigen Reichstagssitzung durch den Herrn Reichsminister der Justiz abgeben zu lassen11.

11

S. Anm. 14.

Der Reichskanzler teilte mit, daß er im Anschluß an die Ministerbesprechung mit den Parteiführern über die Behandlung der Anträge 62112 und 62613 Fühlung nehmen werde mit dem Ziel, den sozialdemokratischen Antrag über Aufhebung der 3. Steuernotverordnung zu Fall zu bringen. Er erbat die Zustimmung des Kabinetts dazu, daß für den Fall der Annahme dieses sozialdemokratischen Antrages das Kabinett zum Rücktritt genötigt sein würde.

12

Antrag der DDP vom 6. 3., der die RReg. ersucht, den Entwurf eines Aufwertungsgesetzes unverzüglich einzubringen (RT-Drucks. Nr. 621, Bd. 399 ). Der RT nimmt den Antrag am 7. 3. einstimmig an (RT-Bd. 384, S. 932 ).

13

S. Anm. 5.

Sämtliche Minister traten dem bei. Es wurde beschlossen, auch dieses in der zu formulierenden und vom Reichsminister der Justiz abzugebenden Erklärung anzudeuten14.

14

Im RT bringt Frenken am 7. 3. das Bedauern der RReg. über die Nichteinhaltung der von ihr am 5. 2. erbetenen dreiwöchigen Frist (s. Anm. 9 zu Dok. Nr. 24) zum Ausdruck und erklärt dazu, die RReg. habe bisher keine ausreichende Gewißheit gewinnen können, daß der Gesetzentwurf in seinen Grundlagen von der Mehrheit des Hauses getragen würde. Er versichert jedoch, den Entwurf beschleunigt einbringen zu wollen. Zur Forderung des Antrages Müller-Franken betont er abschließend, daß die Aufhebung der Dritten Steuernotverordnung zu einem Chaos auf dem Gebiet der Rechtspflege und Wirtschaft führen müßte und daß die RReg. die Verantwortung hierfür nicht würde tragen können (RT-Bd. 384, S. 911 ).

Staatssekretär Joel teilte mit, daß das Reichsjustizministerium sofort einen Gesetzentwurf über die Verlängerung der Fristen in der dritten Steuernotverordnung dem Kabinett vorlegen werde15.

15

S. dazu Dok. Nr. 42, P. 1.

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