2.47.1 (lut1p): [Reichspräsidentenwahl; Kandidatur Geßler]

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[Reichspräsidentenwahl; Kandidatur Geßler]

Der Reichskanzler bemerkte einleitend, daß nach dem Verlauf, den die Reichspräsidentenfrage genommen1, er es für nötig gehalten habe, mit den Parteiführern zu sprechen, um ihnen Gelegenheit zu geben, auch den höchsten Beamten des Auswärtigen Amts über die in Aussicht genommene Kandidatur zu hören. Im übrigen halte er es für dringend erwünscht, eine Sammelkandidatur für den ersten Wahlgang aufzustellen. Die Verfassungsbestimmungen über den zweiten Wahlgang böten die Gefahr, daß ein Mann nur von einem geringen Bruchteil des deutschen Volkes gewählt werde.

1

Am Nachmittag des 11. 3. war von den im Loebell-Ausschuß vertretenen bürgerlichen Parteien (Ausschuß der DNVP, DVP, BVP und WV unter Vorsitz des StM a. D. v. Loebell) überraschend eine Kandidatur Geßler erörtert worden. Versuche des Ausschusses, das Zentrum für diese Kandidatur zu gewinnen, führten zu keinem Erfolg, da der am Abend des gleichen Tages zusammengetretene Reichsausschuß des Zentrums sich den außenpolitischen Bedenken, die Stresemann kurz vorher in einem Gespräch mit Fehrenbach geltend gemacht hatte, nicht ganz verschließen konnte (vgl. „Tägliche Rundschau“ vom 12.3.25; zum Eingreifen Stresemanns s. auch die Aufzeichnungen Koch-Wesers vom 11. und 13.3.25: Nachlaß Koch -Weser, Bd. 32).

Staatssekretär v. Schubert äußerte auf Befragen gewisse außenpolitische Bedenken, die das Auswärtige Amt gegen die Wahl des Reichswehrministers zum Reichspräsidenten hege2.

2

In einem Schreiben an Geßler vom 11. 3. begründete Stresemann seine Bedenken vor allem mit der Gefahr einer weiteren Belastung der dt.-frz. Beziehungen. Schon als im Dezember 1924 eine Kanzlerschaft Geßler erörtert worden sei, habe Botschafter Hoesch ihm gegenüber betont, „daß selbst ein weit rechts stehender Kandidat für die Öffentlichkeit in Frankreich weit eher zu ertragen sei als der Reichswehrminister, weil man die Empfindung habe, daß damit gewissermaßen die politische Leitung in die Hände der Reichswehr überginge.“ (Stresemann, Vermächtnis, Bd. II, S. 44/5).

Abg. v. Kardorff kann die geäußerten Bedenken nicht für so schwerwiegend halten, daß sie zu berücksichtigen seien. Er halte die Kandidatur Geßler für die gebotene.

Abg. Fehrenbach: Eine Kandidatur Geßler könne nicht vom Zentrum ausgehen; vorher sei eine klare parteiamtliche Entschließung der Rechtsparteien nötig.

Auf Frage des Grafen Westarp: Er könne jetzt nicht mit Sicherheit sagen, daß das Zentrum gleichfalls Geßler nominieren würde, wenn die Rechtsparteien es parteiamtlich getan hätten.

Graf Westarp hat keine Bedenken gegen die Person des Reichswehrministers. Bevor aber die rechten Parteien ihn als ihren offiziellen Kandidaten nominierten,[171] müßten sie wissen, wie die Zentrumspartei sich zu solcher Nominierung stellen würde.

Abg. Koch bittet den Reichskanzler, sich abschließend zu äußern.

Der Reichskanzler Er sitze hier im Augenblick weder in seiner Eigenschaft als Bürger und Wähler, noch als sogenannter Kurfürst. Als Reichskanzler äußere er sich dahin, daß er bei gewissen Kandidaturen, wenn sie aufgestellt worden wären, sich für verpflichtet gehalten hätte, amtlich bei den Parteiführern zu intervenieren und gegen solche Kandidaturen, die nach seiner amtlichen Überzeugung die Interessen des Reichs gefährden könnten, Stellung zu nehmen. Ein solcher Fall liege bei der Kandidatur Geßler nicht vor. Es läge für ihn kein Grund vor, in diesem Falle im gedachten Sinn zu intervenieren.

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