2.82.1 (lut1p): Aufwertungsfrage.

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Aufwertungsfrage.

Gegenstand der Tagesordnung bildeten die anliegenden, am 8. Mai dem Reichskanzler vom Abgeordneten Hergt überreichten Abänderungsvorschläge zu den Aufwertungsgesetzentwürfen1.

1

Diese in der Besprechung mit Vertretern der Regierungsparteien am 8. 5. (s. Anm. 9 zu Dok. Nr. 80) überreichten Vorschläge sind dem obigen Protokoll nicht beigefügt, doch findet sich ein undatiertes Aktenexemplar (Überschrift: „Abänderungsvorschläge zu den Aufwertungsgesetzentwürfen“) in R 43 I /2456 , Bl. 106-108. Zum Inhalt s. die nachfolgenden Anmerkungen.

Diese Vorschläge wurden der Reihe nach durchgesprochen.

Zu Ziffer 12: Staatssekretär Dr. Joel erläuterte die Auswirkungen der beantragten Abweichungen an Beispielen. Die Frage sei nicht von juristischer, sondern im wesentlichen von wirtschaftlicher Bedeutung, so daß das Reichsjustizministerium weniger interessiert sei.

2

Ziffer 1 der Änderungsvorschläge (s. Anm. 1) lautet: „Der Aufwertungsbetrag […] wird auf 20% erhöht. Für erststellige Hypotheken tritt eine Zusatzaufwertung um weitere 10% ein. Als erststellig gelten ohne weiteres diejenigen Hypotheken, für die kraft öffentlichrechtlicher Vorschrift oder Satzung bei der Begründung die Vorbedingung der Mündelsicherheit erfüllt sein mußte. Im übrigen ist erststellig, was innerhalb der durch das bürgerliche Recht für Mündelsicherheit bei Grundbucheintragungen bestimmten Grenzen liegt – in Preußen 662/3% bei ländlichen bezw. 50% bei städtischen Grundstücken.“ – Demgegenüber sieht die Regierungsvorlage (§ 2 des dem RT am 25. 4. zugeleiteten Hypothekenaufwertungsgesetzes, RT-Drucks. Nr. 804, Bd. 400 ) eine 15%ige Grundaufwertung der Hypotheken vor, die sich um weitere 10% (Zusatzaufwertung) erhöht, wenn der Goldmarkbetrag der Hypotheken zur Zeit ihres Erwerbs innerhalb der ersten Hälfte des berichtigten Wehrbeitragswerts (s. Art. II, § 3 der Zweiten Steuernotverordnung vom 19.12.23, RGBl. I, S. 1205 ; s. dazu auch Anm. 19 zu Dok. Nr. 24) lag.

Ministerialrat Quassowski (Reichsernährungsministerium) wies an Hand von Beispielen die bedenklichen Auswirkungen der beantragten Erhöhungen für die Landwirtschaft nach.

Der Reichsminister der Finanzen regte zur Geschäftsordnung an, Einzelheiten nicht zu erörtern, sondern nur die Grundzüge zu besprechen und im übrigen den Ressortministern Vollmacht zu geben, in der für heute mittag anberaumten Besprechung mit den Parteiführern den Standpunkt der Reichsregierung nach eigenem Ermessen zu vertreten.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft sprach sich mit aller Bestimmtheit gegen eine Abweichung von der ursprünglichen Regierungsvorlage aus.

[275] Der Vizepräsident der Reichsbank Kauffmann unterstrich diese Ausführungen mit dem Hinweis darauf, daß durch die beantragte Erhöhung der Aufwertung der Realkredit so gut wie völlig untergraben werden würde.

Der Reichswirtschaftsminister schloß sich diesen Ausführungen ebenfalls an und legte dar, daß die Erhöhung des Aufwertungssatzes die Produktionskosten der Landwirtschaft steigern, die Löhne und die Mieten erhöhen würde. Die Erhöhung bedeute einen Schritt in den Abgrund für die Wirtschaft und sei mit der jetzt gebotenen Notwendigkeit, die Produktionskosten zu senken, unvereinbar.

Der Reichsminister des Innern hob hervor, daß die Regierung sich vor einer Kapitulation vor der politischen Situation hüten müsse. Die Parteien erwarteten von ihr, daß sie mit unbeirrter Festigkeit gegen die Wünsche der Parteien eintrete, wenn die Regierung diese für verhängnisvoll halte. Es sei mit den Folgen der Londoner Abmachung3 unvereinbar, die Wirtschaft in dem Ausmaße zu belasten, wie das als Folge der Abänderungsvorschläge notwendig eintreten würde. Die Regierung werde zwar Konzessionen machen müssen, sei aber verpflichtet, in gewissen grundsätzlichen Fragen den Parteien mit aller Schärfe entgegenzutreten.

3

S. das „Gesetz über die Londoner Konferenz“ (Londoner Schlußprotokoll und seine Anlagen) vom 30.8.24 (RGBl. II, S. 289 ) und das unter dem gleichen Datum verkündete „Gesetz über die Industriebelastung“ (RGBl. II, S. 257).

Nach weiterer eingehender Debatte wurde auf Anregung des Reichsministers der Finanzen beschlossen, an der Regierungsvorlage mit der Maßgabe festzuhalten, daß der Prozentsatz der Zusatzaufwertung von 10 auf 15% erhöht werden soll, insbesondere soll auch an der Grenze für die Mündelsicherheit in Höhe von 50% des berichtigten Wehrbeitragswerts festgehalten werden4.

4

S. dazu jedoch die Kompromißlösung, zu der sich Reg. und Koalitionsparteien am 14. 5. vereinigen (Dok. Nr. 86).

Zu Ziffer 2 wurde beschlossen, an der Regierungsvorlage festzuhalten5.

5

In Ziffer 2 schlagen die Koalitionsparteien vor, die Unterscheidung zwischen Grundaufwertungsbetrag und Zusatzaufwertung „beim Range der Eintragungen im Grundbuch aufzugeben.“ – S. dazu weiter Dok. Nr. 86.

Zu Ziffer 36 führte der Reichsminister der Finanzen aus, daß die Frage der Verzinsung für die Regelung des Finanzausgleichs ausschlaggebend sei. Würde den Wünschen der Regierungsparteien entsprochen, so ergäbe das einen Ausfall von 415 Millionen für die Hauszinssteuer.

6

Ziffer 3 der Abänderungsvorschläge: Zinsen sind gleichmäßig für den Grundaufwertungsbetrag wie für die Zusatzaufwertung vom 1.1.25 ab zu zahlen. Für das Vierteljahr vom 1. 1. bis 31.3.25 beträgt der Zinssatz 4%. – In der Regierungsvorlage (s. zuvor Anm. 2) ist die Verzinsung der 15%igen Grundaufwertung ab 1.1.25 mit 2%, ab 1.4.25 mit 4% und ab 1.1.26 mit 5% vorgesehen. Für die Zusatzaufwertung sollen hiernach Zinsen erst ab 1.1.28, und zwar in Höhe von 5% zu zahlen sein.

Nachdem Ministerialrat Dr. Dorn dies ziffernmäßig belegt hatte, wurde beschlossen, an der Regierungsvorlage festzuhalten.

Zu Ziffer 4 wurde beschlossen, den Abänderungsvorschlägen beizutreten7.

7

In Ziffer 4 schlagen die Parteien vor: Für den Fall einer Rückzahlung vor dem 1.1.32 ist vorzusehen, daß sich der rückzuzahlende Kapitalbetrag um etwa ½% auf das Jahr verringert. – Nach der Regierungsvorlage (s. Anm. 2) darf die Rückzahlung der 15%igen Grundaufwertung erst ab 1.1.32 gefordert werden, doch kann der Schuldner den aufgewerteten Kapitalbetrag nebst den aufgelaufenen Zinsen schon vor diesen Zeitpunkt freiwillig abgelten. – Die Endfassung des Hypothekenaufwertungsgesetzes (RGBl. 1925 I, S. 117 ) ist entsprechend dem Parteienvorschlag dahin ergänzt, daß vorzeitige Rückzahlungen des gesamten 25%igen Aufwertungsbetrages abzüglich eines Betrages für Zwischenzinsen, die durch die Aufwertungsstelle (s. dazu Anm. 13 zu Dok. Nr. 51) festzusetzen sind, im Falle wirtschaftlicher Not des Gläubigers und finanzieller Leistungsfähigkeit des Schuldners frühestens ab 1.1.26 geleistet werden können.

[276] Zu Ziffer 58 erklärte Staatssekretär Dr. Joel, daß nach seiner Meinung jeder Versuch, den Abänderungsvorschlag in Absatz 2 zu bekämpfen, aussichtslos sei, da sowohl der Reichsrat wie auch der Reichswirtschaftsrat sich für die Rückwirkung in voller Höhe ausgesprochen hätten. Eine Einwirkung auf die Parteien, sich in Absatz 1 dem Standpunkt der Regierung zu nähern, halte er jedoch nicht für aussichtslos.

8

Ziffer 5 der Abänderungsvorschläge lautet: „Die Rückwirkung [s. dazu Anm. 10 zu Dok. Nr. 18] wird soweit zurückerstreckt, daß alle Zahlungen, die nach dem 15.12.1921 zurückgenommen sind, darunter fallen.

Bei der Rückwirkung findet die Aufwertung in voller Höhe des Aufwertungs- bezw. Zu- satzaufwertungsbetrages statt.“

In längerer Debatte, an der sich insbesondere der Reichswirtschaftsminister, der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft und der Vizepräsident der Reichsbank beteiligten, wurde beschlossen, die Abänderungsvorschläge in Absatz 2 der Ziffer 5 unter der Bedingung anzunehmen, daß die Regierungsparteien sich hinsichtlich des Absatzes 1 auf den Standpunkt der Regierungsvorlage stellen. Es soll also hier an dem Termin (15.12.1922) festgehalten werden9.

9

S. jedoch die Kompromißregelung, zu der Reg. und Koalitionsparteien in dieser Frage am 14. 2. übereinkommen (Dok. Nr. 86).

Zu Punkt 6 erläuterte Staatssekretär Joel die Beschlüsse der Regierungsparteien10.

10

In Ziffer 6 schlagen die Parteien vor: „Für Industrieobligationen beträgt die Aufwertung 25% [15% nach der Regierungsvorlage (s. zuvor Anm. 2)]. Der Schuldner kann eine Herabsetzung verlangen, wenn dies mit Rücksicht auf seine wirtschaftliche Lage zur Abwendung einer großen Unbilligkeit unabweisbar erscheint.“ Die Rückwirkung solle in gleicher Weise wie bei den Hypotheken geregelt werden (s. zuvor Anm. 8). Von dem Obligationenaufwertungssatz von insges. 25% solle ein Teil von 10% in der Form gewährt werden, daß der Gläubiger einen Gutschein erhält, auf den der jährlich auf die Gesellschaftsanteile des Unternehmens entfallende Gewinn zu entrichten ist.

Auf Anregung des Reichswirtschaftsministers wurde beschlossen, dem Streben der Parteien, die Rückwirkung auch auf die Obligationen auszudehnen, Widerstand entgegenzusetzen.

Hinsichtlich der Höhe der Aufwertung für die Industrieobligationen legten der Reichswirtschaftsminister und Ministerialdirektor Schäffer sowie der Vizepräsident der Reichsbank dar, daß die Wirtschaft nicht in der Lage sei, eine weitere Erhöhung des Aufwertungssatzes für die Obligationen zu tragen, da die jetzige Verschuldung etwa 74% der Vorkriegsverschuldung ausmache, sich relativ gegenüber 27% im Jahre 1913 auf 33% im Jahre 1924 gehoben habe, also um rund 22% gestiegen sei.

Die Erörterung über diese Punkte konnte nicht zu Ende geführt werden, da der Reichskanzler genötigt war, die Sitzung mit Rücksicht auf seine Reise nach Hannover11 abzubrechen.

11

Zum Antrittsbesuch beim neugewählten RPräs. am 9. und 10. 5.

[277] Es wurde beschlossen, die Debatte am Montag, dem 11. Mai, vormittags 10 Uhr fortzusetzen12 und die zu heute nachmittag 5 Uhr geladenen Regierungsparteien auf Montag, den 11. Mai, vormittags 11½ Uhr umzuladen13.

12

S. weiter Dok. Nr. 83.

13

Zum Ergebnis dieser Besprechung s. Anm. 9 zu Dok. Nr. 83.

Die Erledigung des letzteren Beschlusses wird der Reichsminister der Finanzen übernehmen.

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