1.122.1 (lut2p): Zinsfragen.

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Zinsfragen.

Der Reichskanzler bat den Präsidenten der Reichsbank, sich über die Gesamtlage zu äußern. Zu dieser Bitte und also zur Einberufung dieser Besprechung sei er durch die Beobachtung über die Wechselhöhe bei der Reichsbank, über die Spannungen zwischen dem Diskont- und Lombardsatz auf der einen Seite und den Zinssätzen im offenen Markt auf der anderen Seite, über die Unterschiede in den Zinssätzen für ausländisches und inländisches Geld und über die Ausweitung des Sparsinns im Hinblick auf die hohen Debetzinsen der Banken usw. veranlaßt worden.

Der Reichsbankpräsident führte aus: Die Reichsbank habe, wenn es notgetan habe, immer der Wirtschaft in reichlichem Maße Kredite zur Verfügung gestellt. Das seinerzeit festgelegte Kontingent1 sei teilweise nicht unbeträchtlich überschritten worden. Seit November vorigen Jahres werde das Kontingent nicht mehr voll ausgenutzt. Das sei ein Zeichen der Krise. Dies ließe sich auch durch andere Beobachtungen bestätigen. So habe in letzter Zeit der Anteil der sogenannten Stockwechsel ständig zugenommen.

1

Vgl. Anm. 10 zu Dok. Nr. 29 und die Berichte des RbkPräs. über die Lage der Rbk vom 14. 8. und 5.12.25 (Dok. Nr. 146 und 244).

Daß die Wechselanlage immer kleiner werde, habe verschiedene Gründe: Die reichlichen Auslandskredite, die billiger seien und billiger sein könnten, trügen dazu bei; langfristige Anlagen würden neuerdings mehr gesucht; große Konzerne, die sich früher stark an dem Wechselkontingent beteiligt hätten, seien ausgeschieden; der Privatdiskontmarkt ziehe einen Teil des Geschäfts auf sich; andere Kreditquellen, z. B. die der öffentlichen Gelder, ständen in größerem Umfange als je zur Verfügung.

Was die Zinsherabsetzung anlange, so könne zunächst festgestellt werden, daß durch eine Diskontherabsetzung keine größeren Kreditmittel der Wirtschaft zugeführt würden. Ein Bedarf nach Krediten sei gar nicht vorhanden. Sonst hätten zum Beispiel bei der letzten Diskontherabsetzung2 die Banken ihr Wechselportefeuille der Reichsbank zum Umtausch zur Verfügung gestellt. Die Frage, ob nicht vielleicht die Banken in der Kreditgewährung zu vorsichtig seien und daher ein Kreditbedarf bei der Reichsbank sich nicht fühlbar mache, sei zu verneinen. Die Liquidität der Banken habe ständig abgenommen. Auch die Anlagen der Golddiskontbank seien zurückgegangen. Eine Zinsherabsetzung[1124] werde also einen Einfluß auf die Kreditlage nicht ausüben. An sich gebe er zu, daß mit Rücksicht auf die gegenwärtigen Geldverhältnisse der Diskontsatz überhöht sei. Er könnte an sich herabgesetzt werden. Er sei aber sicher, daß er ihn in sechs Wochen, wenn sich die Konjunktur wiederbelebt habe, wieder heraufsetzen müsse. Diese dauernden Änderungen des Diskonts trügen nur eine Beunruhigung in die Wirtschaft, und diese möchte er vermeiden. Eine Ermäßigung des Lombardzinses sei in Aussicht genommen und werde in den nächsten 14 Tagen vorgenommen werden. Richtig sei, daß die Zinsspannen bei den Privatbanken viel zu hoch seien. Die Banken glaubten, in kurzer Zeit das verlorene Kapital wieder hereinholen zu müssen. Da müßte durchgegriffen werden. Die Reichsbank habe aber keine Machtmittel dazu. Sie habe schon bei der letzten Diskontherabsetzung vergeblich sich bemüht, die Zinsspanne zu ermäßigen. Er sei aber bereit, da weiter zu helfen.

2

Vgl. Anm. 13 zu Dok. Nr. 258.

Nach längerer Aussprache, in der der Reichskanzler besonders darauf hinwies, daß im Interesse der Preissenkungsaktion eine Herabsetzung des Diskonts nur zweckmäßig sei und psychologisch gut wirke, zweifellos auch einen günstigen Einfluß auf die Gestaltung des Realkredits ausüben werde, wurde beschlossen, daß der Reichswirtschaftsminister in Verbindung mit dem Reichsminister der Finanzen (Börsenumsatzsteuer3 ) und mit Unterstützung der Reichsbank sofort Verhandlungen mit den Banken bezüglich Herabsetzung der Provisionssätze und Verkleinerung der Zinsspanne aufnehme4.

3

In der Ministerbesprechung vom 9. 2. (Dok. Nr. 286) war eine Senkung der Börsenumsatzsteuer für den Fall in Aussicht genommen worden, daß die Banken zur Herabsetzung ihrer Provisionssätze veranlaßt werden könnten. Vgl. auch Dok. Nr. 346, P. 3.

4

Über das Ergebnis dieser Verhandlungen berichtet der RWiM mit Schreiben an den RK vom 24. 2.: Die Berliner Stempelvereinigung (vgl. Anm. 25 zu Dok. Nr. 29) habe zugesagt, die Debetzinsen, die gegenwärtig 2% über Reichsbanksatz (8%) lägen, um 1% herabzusetzen. Hinsichtlich der Provisionssätze hätten Bankenvertreter erklärt, den bereits im Oktober 1925 normierten Satz von 0,5% zur Zeit nicht noch weiter ermäßigen zu können (R 43 I /635 , Bl. 8 f.).

Der Reichsbankpräsident wurde ersucht, die Frage der Herabsetzung des Diskonts nochmals unter Berücksichtigung der dargelegten Gesichtspunkte einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.

Der Reichsbankpräsident sagte dies zu, wies aber darauf hin, daß das Reichsbank-Direktorium letzten Endes die Verantwortung für die Diskontpolitik tragen müsse.

Der Reichskanzler erwiderte, daß die Verantwortung Reichsbank und Reichsregierung doch wohl gemeinsam tragen müßten5.

5

Der Reichsbankdiskont wird in den nächsten Monaten schrittweise ermäßigt: 27. 3.: 7%, 7. 6.: 6½%, 6. 7.: 6%.

[…]

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