1.161.2 (lut2p): 2. Außenpolitische Lage.

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Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 2.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

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2. Außenpolitische Lage.

Staatssekretär v. Schubert berichtete. Das Kabinett habe sich bereits vor Ostern [4./5. 4.] grundsätzlich mit der Annahme der Einladung des Völkerbundes zur Teilnahme an der Kommission, betreffend Ratsfrage, einverstanden erklärt1. Es handele sich jetzt darum, das Annahmeschreiben abzusenden. Was die Lage anlange, so seien Mitteilungen zugegangen, wonach die Gegenseite den Beratungen der Kommission recht pessimistisch entgegensehe. Die Gegenseite habe daher schon versucht, den Charakter der Kommission dahin zu ändern, daß zunächst einmal die Juristen der Locarno-Mächte zusammentreten, um die Lage zu klären. Diese Anregungen seien von deutscher Seite abgelehnt worden2. Nach deutscher Auffassung gehe es nicht an, jetzt wieder die Locarnomächte in den Vordergrund zu stellen. Um weiteren Abänderungswünschen entgegenzutreten, sei es zweckmäßig, nunmehr die Einladung mit möglichster Beschleunigung offiziell anzunehmen. Dies sei außerdem mit Rücksicht auf die mit Rußland eingeleiteten Verhandlungen3 notwendig. Die russischen Verhandlungen seien fast beendet und hätten zu einem annehmbaren Ergebnis geführt. Bis auf einen Punkt sei alles bereinigt. Der Vertrag solle möglichst bald nach Rückkehr des Außenministers von seinem Urlaub unterzeichnet werden. Der noch offene Punkt beziehe sich auf die Neutralitätsfrage. Die Russen verlangten, daß das in dem Vertragsentwurf vorgesehene Wort „unprovoziert“ wegfalle4. Dies sei aber unmöglich. Gerade dieses Wort[1259] müsse stehenbleiben, um den deutsch-russischen Vertrag mit der Locarnopolitik und der Völkerbundspolitik in Einklang zu halten. Die diplomatische Vorbereitung des Vertragsabschlusses sei in Angriff genommen; zunächst sei Lord D’Abernon informiert worden, sodann durch die Botschafter Chamberlain, Briand, Vandervelde, ferner der amerikanische Botschafter in Berlin5. Der deutsche Botschafter in Rom6 sei ebenfalls informiert worden mit dem Auftrage, bei passender Gelegenheit über die Dinge zu sprechen; bisher sei dies aber nicht gelungen. Der Wortlaut des Vertrages sei dabei nicht der Gegenseite mitgeteilt worden, sondern nur der Inhalt in seinen hauptsächlichsten Punkten7.

1

Vgl. Dok. Nr. 326, P. 1.

2

Die erwähnte Anregung war am 6. und 7. 4. Gegenstand von Besprechungen StS v. Schuberts mit de Margerie und Hesnard. Vgl. das Schreiben Schuberts an Stresemann vom 7. 4. in: ADAP, Serie B, Bd. I, 1, Dok. Nr. 190.

3

Vgl. Dok. Nr. 299, P. 1 und Nr. 326, P. 2.

4

Betrifft Art. 2 des am 30. 3. an Botschafter Krestinski übergebenen dt. Entwurfs, welcher lautet: „Sollte eine dritte Macht oder sollten mehrere dritte Mächte einen der vertragschließenden Teile unprovoziert angreifen, so wird der andere vertragschließende Teil während der ganzen Dauer des Konfliktes Neutralität beobachten.“ (ADAP, Serie B, Bd. II, 1, Dok. Nr. 95). – Über die langwierige dt.-sowj. Auseinandersetzung um das Wort „unprovoziert“, das schließlich auf Vorschlag Stresemanns (gegenüber Krestinski am 21. 4.) durch die Worte „trotz friedlichen Verhaltens“ ersetzt wird, s. ADAP, Serie B, Bd. II, 1, Dok. Nr. 127, 131, 140, 146, 151, 153/4, 156.

5

Schurman.

6

v. Neurath.

7

Zur Unterrichtung der Westmächte über Verlauf und Inhalt der dt.-sowj. Vertragsverhandlungen, die am 31. 3. durch StS v. Schubert in einer Unterredung mit Lord D’Abernon eingeleitet wurde, s. ADAP, Serie B, Bd. II, 1, Dok. Nr. 99–101, 104, 107–114, 117–121, 123/4.

Das Kabinett nahm von diesen Mitteilungen Kenntnis.

Der Reichskanzler stellte fest, daß die Beschlußfassung über den endgültigen Vertrag mit Rußland dem Kabinett vorbehalten bleibe8. Die gegebenen Mitteilungen sollten heute nur zur Information über die Gesamtlage dienen.

8

S. Dok. Nr. 343, P. 1.

Staatssekretär v. Schubert verlas daraufhin den Wortlaut des Entwurfs eines Antwortschreibens an das Völkerbundssekretariat.

Das Kabinett stimmte dem Entwurf zu. Das Schreiben soll sobald als möglich übermittelt werden9. Der Presse soll nach Übergabe des Schreibens in Genf der Wortlaut mitgeteilt werden. Eine besondere Vorbereitung der Presse auf diese Veröffentlichung wurde als nicht erforderlich erachtet.

9

Die zustimmende dt. Antwortnote auf die Einladung zur Teilnahme an den Beratungen der Kommission für die Neugestaltung des Völkerbundsrats (20. 3.) wird von Schubert am 13. 4. an das Konsulat in Genf übermittelt und am 15. 4. von Aschmann übergeben. Text in: ADAP, Serie B, Bd. I, 1, Dok. Nr. 194.

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