1.183.1 (lut2p): 1. Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Preisabbaues.

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1. Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Preisabbaues1.

1

Der GesEntw. war vom Kabinett am 5.12.25 verabschiedet und sogleich dem RR zugeleitet worden (Dok. Nr. 242). Angesichts des heftigen Widerstands der Handwerkerverbände (vgl. Dok. Nr. 267) hatte sich die RReg. jedoch im Januar und Februar 1926 veranlaßt gesehen, einige Modifizierungen des Entwurfs ins Auge zu fassen (vgl. Dok. Nr. 294). Zum Inhalt der nachfolgend behandelten Artikel s. Anm. 3 zu Dok. Nr. 236 und Anm. 1, 3 und 6 zu Dok. Nr. 242.

Artikel 1 [Vergleich zur Abwendung des Konkurses]:

Der Reichswirtschaftsminister berichtete über den Stand der Verhandlungen2. Er sei durchaus für möglichste Beschleunigung der Verabschiedung dieses Artikels.

2

Der RWiM hatte in seiner Kabinettsvorlage vom 17. 4. mitgeteilt, daß zur Besprechung eines zu diesem Art. erstatteten Gutachtens des Vorl. RWiR am 15. 3. eine Ressortbesprechung stattgefunden habe. Die vereinigten Ausschüsse des RR für Volkswirtschaft und Rechtspflege hätten sich daraufhin bereit erklärt, die Beratung des Art. I mit Beschleunigung fortzusetzen (R 43 I /1156 , Bl. 388-396).

Der Reichsminister der Justiz teilte mit, daß die zweite Lesung im Reichsrat für den 10. Mai vorgesehen sei.

Das Kabinett nahm von den Mitteilungen Kenntnis und ersuchte die zuständigen Minister, auf möglichste Beschleunigung der Verabschiedung des Gesetzentwurfs zu dringen3.

3

Vgl. Anm. 11.

[1325] Artikel 2 [Maßnahmen gegen Ringbildung]:

Der Reichswirtschaftsminister berichtete über die Verhandlungen im Reichswirtschaftsrat und schloß sich dem Mehrheitsgutachten des Reichswirtschaftsrates an4; er empfahl demzufolge, den Gesetzentwurf bezüglich Artikel 2 zunächst nicht weiter zu verfolgen.

4

Curtius hierzu in seiner Vorlage vom 17. 4.: Der Vorl. RWiR habe am 24. 3. über zwei Gutachten seines Sonderausschusses (s. Anlage I und II zum Schreiben des RWiM an den RK vom 31. 3., R 43 I /1156 , Bl. 234-274, hier: Bl. 237-240) beraten. „Das Mehrheitsgutachten […] bestätigt, daß auf dem Gebiet des Submissionswesens und der Ringbildung tatsächlich erhebliche Mißstände bestehen, es kommt aber zu dem Schluß, daß Mißständen dieser Art nur im Rahmen der allgemeinen Kartellgesetzgebung [vgl. Anm. 12 zu Dok. Nr. 145] und in Übereinstimmung mit dieser entgegengewirkt werden könne. […] Das Minderheitsgutachten billigt zwar den Grundgedanken des Art. II (Auferlegung einer Erklärungspflicht gegenüber dem Ausschreibenden), macht aber Abänderungsvorschläge, die die Anwendung des Entwurfs praktisch auf die Ausschreibungen der öffentlichen Hand beschränken. […] Bei einer Stellungnahme zu diesen Gutachten ist davon auszugehen, daß seit der Einbringung des Gesetzentwurfs die Wirtschaftslage sich in einer Weise verschoben hat, die es mir nicht mehr billig erscheinen läßt, die marktpolitische Stellung des Ausschreibenden noch mehr zu stärken und die des Anbietenden über das aus der Marktlage sich bereits ergebende Maß zu schwächen. Wollte man das gleichwohl tun, so würden die Bestimmungen des Art. II sich im wesentlichen gegen den Mittelstand auswirken, der im Baugewerbe und in der Maschinen-Industrie sich wirtschaftlich betätigt, während organisatorisch leichter zusammenfaßbare Wirtschaftskreise durch die Bildung von Verkaufsgesellschaften sich den Wirkungen dieser Bestimmung zu entziehen wissen werden.“

Der Reichsminister der Justiz stellte sich auf den gleichen Standpunkt.

Der Reichskanzler bat um Mitteilung über die Erfahrungen, die mit der entsprechenden Regelung bei den öffentlichen Ausschreibungen5 gemacht worden seien.

5

Vgl. Dok. Nr. 163.

Der Reichsverkehrsminister teilte mit, daß die Zeit noch zu kurz sei, um abschließend zu urteilen; an der Regelung müsse aber unbedingt festgehalten werden.

Staatssekretär Fischer teilte mit, daß die getroffenen Anordnungen praktisch gehandhabt würden.

Der Reichskanzler bat um Mitteilung, ob diese Anordnungen auch ausgedehnt werden sollen auf Genossenschaften, gemeinnützige Gesellschaften, private Gesellschaften, die von öffentlichen Stellen aus betrieben werden, usw.?

Der Reichswirtschaftsminister erwiderte, daß diese Frage zunächst geprüft werden müsse.

Der Reichskanzler schlug daraufhin vor, folgenden Beschluß zu fassen:

1.

es verbleibt bei der bisherigen Handhabung bei den öffentlichen Betrieben;

2.

über die gesetzliche Regelung wird erst Beschluß gefaßt, nachdem die vorgesehenen Untersuchungen im Enquêteausschuß6 abgeschlossen sind;

3.

unter der Federführung des Reichsfinanzministeriums wird sofort die Arbeit aufgenommen, um mit möglichster Beschleunigung in allen den Betrieben, die von öffentlichen Stellen aus beeinflußt werden können, ähnliche Regelungen durchzuführen, wie sie bereits bei den öffentlichen Betrieben in Kraft sind.

6

Vgl. Anm. 3 zu Dok. Nr. 294.

Das Kabinett beschloß so.

[1326] Artikel 3 [Änderung der Kartellverordnung]:

Der Reichswirtschaftsminister berichtete entsprechend der Vorlage7.

7

In der Vorlage (s. Anm. 2) wurde mitgeteilt: Der Vorl. RWiR habe in einem Gutachten zu Art. III (s. Anlage VI der Vorlage) angeregt, die von der RReg. erbetenen Vollmachten (Anwendung der Kartellverordnung auch auf die Zwangssyndikate der Kohlen- und Kaliindustrie) in Anpassung an die Sonderregelung der Kohlenwirtschaft (s. die Ausführungsbestimmungen zum Gesetz über die Regelung der Kohlenwirtschaft vom 21.8.19, RGBl., S. 1449 ) anzustreben. Der RWiM erklärt hierzu: „Dem Gutachten des Reichswirtschaftsrats schließe ich mich mit der Maßgabe an, daß die Erweiterung der Aufsichtsrechte auch für die Kaliwirtschaft Platz greift.“ Es sei daher eine entsprechende Änderung der Ausführungsbestimmungen des Kaliwirtschaftsgesetzes vom 24.4.19 (RGBl., S. 413 ) vorzusehen.

Dem Vorschlage des Reichswirtschaftsministers wurde zugestimmt8.

8

Vgl. Anm. 11.

Artikel 4 [Änderung der Gewerbeordnung]:

Der Reichswirtschaftsminister berichtete über seinen Vorschlag betreffend Errichtung von Beschwerdestellen bei den Handwerkskammern9.

9

Schon in einer besonderen Kabinettsvorlage vom 31. 3. hatte der RWiM (abweichend von den Beschlüssen der Chefbesprechung vom 17. 2., vgl. Dok. Nr. 294) vorgeschlagen, die dem RR vorliegende Fassung des Art. IV, in der Einschränkungen des Ordnungsstrafrechts der Innungen und Maßnahmen gegen die Festsetzung, Empfehlung und Bekanntgabe von Preisen und Geschäftsbedingungen vorgesehen sind, durch die folgende Bestimmung (Änderung des § 103 der Gewerbeordnung) zu ersetzen: „Der Handwerkskammer liegt ferner ob, Beschwerden über Preisforderungen und Leistungen aus dem Kundenkreise der zu ihrem Bezirk gehörigen Handwerker zu prüfen und die Beschwerdeführer zu bescheiden.“ (R 43 I /1156 , Bl. 275-277). – Ergänzend hierzu legte Curtius in seiner Vorlage vom 17. 4. (s. Anm. 2) u. a. dar: „Als Stellen, denen die Prüfung der Beschwerden über handwerkliche Preisforderungen und Leistungen übertragen werden könnten, kämen möglicherweise anstelle der Handwerkskammern auch die Gemeinden und Kommunalverbände in Betracht, denen nach der Verordnung über Preisprüfungsstellen (RGBl. 1923 I, S. 720 ) bereits ähnliche Aufgaben obliegen. Gegen ihre Heranziehung habe ich jedoch Bedenken. Sie erscheint für die Geltungsdauer der Verordnung über Preisprüfungsstellen überflüssig; die Betrauung der Preisprüfungsstellen mit dieser Aufgabe würde auch ihren Abbau nur erschweren. Nach der Aufhebung der genannten Verordnung aber würde diese Regelung sich als Ausnahmegesetz darstellen. Sie würde ferner den Gemeinden und Ländern weitere finanzielle Lasten auferlegen. Auch ist endlich […] bei den engen Beziehungen, die in den kleinen Städten zwischen dem Handwerk und der Stadtverwaltung zu bestehen pflegen, mit einer unparteiischen Tätigkeit dieser Beschwerdestellen nicht zu rechnen.“

Der Reichsminister der Finanzen stimmte dem Vorschlage zu. Maßgebend für seine Stellungnahme sei, daß den Gemeindebehörden neue Aufgaben nicht übertragen werden dürften, daß bei Übertragung der in Aussicht genommenen Aufgaben den Gemeinden Kosten entstehen würden und schließlich, daß es gar nicht möglich sei, allen Gemeinden derartige Aufgaben zu übertragen, da anderenfalls eine Objektivität nicht gewährleistet sei.

Der Reichsminister des Innern hielt die vorgetragenen Gründe für die Errichtung der Beschwerdestellen bei den Handwerkskammern nicht für überzeugend. Interessent und Richter würde die gleiche Person sein. Eine Errichtung von Beschwerdestellen bei den kleineren Gemeinden käme natürlich gar nicht in Frage; da müsse es der Landrat sein, der entscheide. Die Anspielung auf die Preisprüfungsstellen treffe nicht zu, es handele sich jetzt um etwas grundsätzlich anderes. Von einer Vermehrung der Beamten könne bei einer Errichtung der Stellen bei den Gemeindeorganisationen gar nicht die Rede sein.

[1327] Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft glaubte doch, daß Entscheidungen der Handwerkskammern objektiv aufallen würden. Die Handwerkskammern würden es sich sehr überlegen, ob sie einseitig den Handwerkern Recht geben sollten.

Der Reichsarbeitsminister wies auf die politische Seite der Angelegenheit hin. Er sei an sich für ein straffes Zupacken immer gewesen, aber die Sache stehe jetzt so, daß die Handwerker scharenweise in die Reihen der Wirtschaftspartei überliefen; man müsse es daher mit dem Weg der Handwerkskammern versuchen.

Der Reichskanzler bat um Mitteilung, warum die gesetzliche Regelung notwendig sei, wenn der Weg der Handwerkskammern gewählt würde.

Der Reichswirtschaftsminister erwiderte, daß zwar an sich die Länder von sich aus auf dem Verwaltungswege derartige Beschwerdestellen bei den Handwerkskammern einrichten könnten, daß er aber nicht sicher sei, ob es auch alle Länder tun würden. Ein gleichmäßiges Vorgehen sei aber erforderlich.

Der Reichskanzler führte demgegenüber aus, daß, wenn man jetzt sich für die Handwerkskammern entschließe, er sich damit nicht den gesetzlichen Weg für die Zuweisung der betreffenden Aufgaben an die Gemeinden verbauen möchte. Wenn die Beschwerdestellen bei den Handwerkskammern durch Gesetz errichtet würden, würde es kaum mehr möglich sein, dies wieder rückgängig zu machen. Er empfehle daher, die Angelegenheit im Verwaltungswege zu regeln und diese Regelung als eine Übergangsangelegenheit von vornherein anzusehen. Falls sie sich bewähre, könne sie zur Dauereinrichtung werden; anderenfalls werde man neue Maßnahmen ergreifen müssen.

Das Reichswirtschaftsministerium solle entsprechende Schritte bei den Ländern einleiten.

Das Kabinett erklärte sich mit diesem Vorschlage einverstanden10.

10

Vgl. Anm. 12.

Bezüglich der Behandlung des Gesetzentwurfs wurde beschlossen, die Artikel 1 und 3 je als eine besondere Gesetzesvorlage behandeln zu lassen und auf alsbaldige Verabschiedung dieser Vorlagen zu drängen11. Bezüglich der Artikel 2 und 4 soll in einer Erklärung zum Ausdruck gebracht werden, daß die Reichsregierung zunächst noch Zwischenmaßnahmen ergriffen habe und den Erfolg abwarten wolle, bis sie weitere gesetzliche Maßnahmen vorschlagen werde12.

11

Art. I geht am 7. 6. als „Entwurf eines Gesetzes über den Vergleich zur Abwendung des Konkurses (Vergleichsordnung)“ an den RT (RT-Drucks. Nr. 2340, Bd. 408 ), der ihn am 26.6.27 verabschiedet (RT-Bd. 393, S. 10913 ). Zur Verkündung s. RGBl. I, S. 139 .

Eine Gesetzesvorlage zu Art. III erfolgt nicht.

12

Eine entsprechende Erklärung wird vom RWiM am 20. 5. im RR abgegeben. Bei gleicher Gelegenheit ersucht Curtius die Ländervertreter, ihren Regg. den Wunsch der RReg. mitzuteilen, daß die Handwerkskammern im Verwaltungswege zur Einrichtung von Preisprüfungsstellen veranlaßt werden (Niederschriften über die Vollsitzungen des RR 1926, § 324).

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