1.29.1 (lut2p): [Ostschiedsverträge]

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Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 2.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

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Text

RTF

[Ostschiedsverträge]

Ganz geheim!

Herr Chamberlain teilt mit, daß die Versammlung heute den Bericht der Juristen über die Schiedsverträge Deutschlands mit Polen und Deutschlands mit der Tschechoslowakei1 entgegenzunehmen haben werde.

1

Unterlagen über die Beratungen der Juristen nicht in den Akten der Rkei und des AA. Zur Endfassung der Schiedsverträge (frz. und dt.) s. RGBl. 1925 II, S. 995 .

Sir Cecil Hurst erinnert daran, daß die Versammlung in der letzten Sitzung den deutsch-französischen und den deutsch-belgischen Schiedsvertrag angenommen habe, und daß es sich jetzt um die beiden noch ausstehenden Verträge Deutschlands mit Polen und mit der Tschechoslowakei handele. Er schlage vor, daß nähere Erklärungen von den beteiligten Delegationen gegeben würden.

Herr Benesch sagt, er habe mit den Herren der Deutschen Delegation eine Unterredung über die politischen Fragen gehabt, die eine Erörterung nötig gemacht hätten. Vor allem sei der Wortlaut der Präambel diskutiert worden, da dieser anders habe gestaltet werden müssen als in den Verträgen mit Frankreich und Belgien. Die Präambel bringe die friedlichen Absichten zum Ausdruck, von denen beide Regierungen beseelt seien, und setze fest, wann und in welchem Umfange das Schiedsverfahren eintreten solle und welches die näheren Vorschriften für den Gang des Verfahrens wären.

Graf Skrzynski bemerkt zum deutsch-polnischen Schiedsvertrag, daß auch hier die Präambel von dem friedlichen Geist der Deutschen und der Polnischen Regierung Zeugnis ablege.

Herr Chamberlain stellt fest, daß der Text des deutsch-polnischen und des deutsch-tschechoslowakischen Schiedsvertrages nun von der Versammlung angenommen worden sei.

Herr Fromageot weist darauf hin, daß im Artikel 19 der Schiedsverträge eine kleine redaktionelle Änderung vorzunehmen sei, und daß hinter den Worten „Commission de Conciliation“ noch die Worte hinzugefügt werden müßten „ou par le Conseil de la Société des Nations“; die Änderung sei unbedeutend aber notwendig.

Herr Luther erklärt sein Einverständnis zu dem von Herrn Fromageot vorgeschlagenen Zusatz.

Herr Chamberlain weist darauf hin, daß die Texte sämtlicher Schiedsverträge diesen Zusatz erhalten müßten.

[774] Sir Cecil Hurst berichtet weiter, daß den Juristen in der letzten Sitzung der Konferenz aufgetragen worden sei, ein Schlußprotokoll aufzusetzen. Ein Entwurf dafür sei verteilt worden und bedürfe jetzt noch der Zustimmung der Delegationen. Es werde noch eine kleine redaktionelle Änderung vorzunehmen sein, die aber handschriftlich eingefügt werden könne.

Herr Chamberlain bittet um Äußerung zu dem vorgeschlagenen Text des Schlußprotokolls.

Herr Luther sagt, er wolle noch zwei Fragen zur Sprache bringen. Zunächst den Tag, an dem die Unterschrift vollzogen werden solle.

Herr Chamberlain wirft ein, daß die Frage später noch behandelt werden würde.

Herr Luther fährt fort, die zweite Frage beträfe die beiden letzten Absätze des Schlußprotokolls, die von der Deutschen Delegation noch nicht eingehender hätten studiert werden können.

Er weist zunächst darauf hin, daß die Worte „à rapport seulement au désarmement“, in dem Zusammenhang, in dem sie ständen, einen unrichtigen Sinn für den ganzen Satz ergäben. Hinsichtlich des letzten Satzes habe er zu bemerken, daß der zweite Teil dieses Satzes eine Wärme des Ausdruckes vermissen lasse, die der erste Teil des Satzes zeige. Wenn diese Nuance auch nicht beabsichtigt sei, so könne sie doch zu Bemerkungen in der Öffentlichkeit Anlaß geben, und er schlage daher eine entsprechende leichte Umgestaltung dieses Textes vor2.

2

Der zur Erörterung stehende Entw. des Schlußprotokolls nicht ermittelt. Zur Endfassung (frz. und dt.) s. RGBl. 1925 II, S. 976 .

Die Herren Briand, Luther, Chamberlain und Mussolini machen Änderungsvorschläge, über die beraten wird.

Herr Fromageot liest sodann den Text des Entwurfes für die Umgestaltung des Satzes vor. Die neue Formulierung soll von den Delegationen beraten werden.

Herr Chamberlain richtet die Frage an die Delegationen, welches Datum ihnen zur Vollziehung der Unterschrift des Paktes in London genehm sei.

Herr Stresemann schlägt den 1. Dezember 1925 vor, ein früherer Termin lasse sich für die Deutsche Regierung nicht ermöglichen, da der Reichstag erst im November zusammenberufen werden könne, weil zahlreiche Abgeordnete in den Vereinigten Staaten seien.

Herr Chamberlain bemerkt, wenn ihm an sich auch ein früheres Datum erwünscht wäre, so wolle er sich doch mit diesem Vorschlag einverstanden erklären.

Herr Chamberlain stellt sodann die Frage zur Diskussion, an welchem Tage die Veröffentlichung des Wortlautes des Paktes vorgenommen werden solle. Dies werde erst möglich sein, wenn die Delegationen wieder zu Hause eingetroffen wären.

In einer kurzen Debatte über den Termin der Veröffentlichung wird Einstimmigkeit darüber erzielt, daß die Veröffentlichung am Dienstag, dem 20. Oktober, erfolgen solle.

[775] Herr Chamberlain schlägt vor, daß seitens der Konferenz vor der Abfahrt ein Danktelegramm an die Schweizer Regierung für die gastliche Aufnahme abgesandt werden solle, die sie der Konferenz von Locarno bereitet habe. Er bittet Herrn Berthelot, die Formulierung des Textes vorzunehmen.

Sodann wird der Bürgermeister von Locarno, Herr Rusca, gebeten, an der Sitzung teilzunehmen.

Herr Chamberlain richtet an Herrn Rusca Worte des Dankes für alle Mühe und Fürsorge, die die Stadt und ihre Einwohner den Mitgliedern der Konferenz hätten zuteil werden lassen. Die Arbeit der Konferenz sei dadurch wesentlich erleichtert worden, und er bitte, den Dank der Konferenz dafür entgegenzunehmen.

Herr Rusca spricht seinen Dank für die Rede des Herrn Chamberlain aus und sagt, die Stadt Locarno werde die historischen Tage der Konferenz dauernd im Andenken behalten.

Da der Wortlaut des Paktes noch nicht fertiggestellt ist, wird die Sitzung geschlossen und eine neue Sitzung auf 6.30 Uhr anberaumt.

gez. von Dirksen

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