1.59.1 (lut2p): [Gesetz über die Locarno-Verträge, Eintritt in den Völkerbund, Rheinlandfragen]

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Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 2.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

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Text

RTF

[Gesetz über die Locarno-Verträge, Eintritt in den Völkerbund, Rheinlandfragen]

L[uther] spricht4. Kein Ende!

5 der Rheinlande

6.

4

Das Stenogramm setzt offenbar erst während der einleitenden Ausführungen des RK ein.

5

Die fehlenden Wörter wegen stenografisch ungenauer Schreibweise nicht eindeutig und sinnvoll lesbar.

6

Wie Anm. 5.

Schon Fortschritte. Das, was als Rückwirkungen mitgeteilt wird7, Dinge von erheblicher Bedeutung sind.

7

S. dazu die Rheinlandnote der Botschafterkonferenz vom 14. 11. (Anm. 1 zu Dok. Nr. 223) und die Presseverlautbarung der all. Rheinlandkommission vom 18. 11. (Anm. 3 zu Dok. Nr. 237).

[881] Stres[emann]: Bericht. Zunächst an Hand der Richtlinien8. Belgien macht große Schwierigkeit[en]9. Franzosen sind befriedigt10 am Entgegenkommen.

8

Gemeint sind wohl die vom Kabinett am 2. 10. gebilligten „Richtlinien für die Ministerzusammenkunft in Locarno“ (s. Anm. 24 zu Dok. Nr. 170).

9

Bezieht sich vermutlich auf die Kammerrede Vanderveldes vom 17. 11., in der dieser nach ausführlichem Bericht über die all. Zugeständnisse im besetzten Gebiet erklärt hatte: „Damit aber kein Mißverständnis über die Bedeutung und den Charakter dieser Konzessionen entstehe, wolle er hinzufügen, daß die Alliierten übereingekommen seien, die neuen Maßregeln nicht in Kraft zu setzen, bevor nicht die Unterzeichnung des Vertrages stattgefunden habe, daß ferner diese Maßnahmen kein Handelsobjekt sein könnten und daß gegenwärtig keine Rede davon sein könne, die Besetzungsfristen abzukürzen, die im Versailler Vertrag bestimmt seien. Das sei abhängig von der Erfüllung der Verpflichtungen Deutschlands, besonders was die Reparationen betreffe.“ (Schultheß 1925, S. 317). – Diese recht eindeutige Festlegung in der Besetzungsfristenfrage mußte große Enttäuschung hervorrufen, nachdem Botschafter v. Hoesch noch am 11. 11. diesbez. eine begrenzt entgegenkommende Haltung Briands hatte feststellen können (vgl. Anm. 14 zu Dok. Nr. 223).

10

Stenografisch nicht eindeutig. Mögliche Alternativlesart: „freudig“. Letzter Satzteil könnte dann lauten: „freudig im Entgegenkommen“.

Braun: Schon damals gesagt, nicht von den Rückwirkungen abhängig11. Heute noch so. Daher wenig zu sagen. Wenn man beurteilen will, dann Vergleich ziehen zwischen vor und nach Locarno. Viel erreicht. Natürlich erst Anfang. Beseitigung des Del[egierten]systems sehr großer Fortschritt. Natürlich Befürchtung, daß jetzt an deren Stelle die Militärbehörde tritt. Aber Schiedsgerichte12. Gewiß gewünscht Abkürzung der Frist[en], aber wohl nicht zu erlangen. Es wird von selbst kommen. Erkläre für meine Person, daß ich dem Entwurf des Gesetzes zustimme, aber wohl auch preußisches Kab[inett] auf demselben Standpunkt.

11

Vgl. die Ausführungen Brauns in der Besprechung am 21. 10. (Dok. Nr. 202).

12

Wohl Hinweis auf die Möglichkeit der Regelung besonderer Streitfragen auf dem Wege des im Sicherheitspakt vorgesehene Schiedsverfahrens. Vgl. Anm. 7 zu Dok. Nr. 212.

Held: Kann nicht so kurz sprechen. Deshalb, weil heutige Sitzung von entscheidender Bedeutung für die Zukunft von Deutschland, ebenso wie 1919 V[ersailler] V[ertrag]. Am 21. Okt.13 war nur taktische Stellungnahme notwendig, damals abwarten; heute sachlich entscheiden. Entschließung abhäng[ig] von der Würdigung der Rückwirkungen und der Verträge selbst. Früher von Rückwirkungen keine Rede, sondern nur von Vorfragen. Historisch interessant, diese Feststellung zu machen.

13

Besprechung der RReg. mit den Ministerpräsidenten der Länder (Dok. Nr. 202).

Köln hat hier auszuscheiden. Verbindung, Verbindlichkeiten14 in der Presse, ist bedenklich, denn was dann zu zahlen für 2. und 3. Zone.

14

Stenografisch nicht eindeutig, mögliche Alternativlesart: Empfindlichkeiten

Was Rückwirkungen selbst angeht: Was ist bindend versprochen? Es ist zunächst ein einseitiges Versprechen. Wer legt es aus? Immer Einschränkungen gemacht. Zu unbestimmt, darin sehe ich das abs[olut] Unzulängliche dieser Rückwirkungen. Nur Del[egierte] stehen fest. An sich nur Beseitigungen von Vertragswidrigkeiten. Darin sehe ich nichts Besonderes, was dem Geist von Loc[arno] entsprechen könnte. Dann: wiederhergestellt wird das Rheinlandabkommen15, und es ist die Frage, ob Deutschland diese Bestimmungen ertragen will und kann. V[ersailler] V[ertrag] wird wieder in den Mittelpunkt gerückt,[882] alles keine Revision. Und dann Frist[en]. Das war doch schon im Sept. die Kernfrage16.

15

Von einer Wiederherstellung des Rheinlandabkommens (s. Anm. 3 zu Dok. Nr. 120) kann keine Rede sein, da es bisher nicht außer Kraft getreten war.

16

Zur Erörterung der Besetzungsfristenfrage in der Besprechung mit den Ministerpräsidenten am 25. 9. s. Dok. Nr. 162.

Nun im einzelnen: Reichskom[missar]17. Wir hatten schon einmal einen, kann der wieder fliegen18? Welche Sicherung hat er und welche Kompetenzen hat dieser Reichskom[missar]? Mit wem verhandelt dieser, etwa mit Tirard, dann gute Nacht.

17

Vgl. Anm. 16 zu Dok. Nr. 223.

18

Anspielung auf die Ausweisung des Reichskommissars Fürsten Hatzfeldt durch die Rheinlandkommission am 17.4.23. Das Reichskommissariat für die besetzten rheinischen Gebiete war seitdem außer Tätigkeit.

Amnestie. Minderung der Besatzung: Wie steht es mit der Quartierlastenfrage19.

19

Vgl. Dok. Nr. 212 und 237. Zur Erörterung in London am 1. 12. s. Dok. Nr. 239.

Del[egierte] das einzige, was bindend zugesagt ist. Aber werden die Del[egierten] nicht ersetzt durch die Gendarmerie? Das wäre verhängnisvoll! Dann nichts erreicht. Hier liegt der Wert der künftigen Verhandlungen. Gar nicht befriedigt über das, was bezüglich der Ord[onnanzen] zugesagt ist. Welche bleibt bestehen? Wie steht es mit Ord[onnanz] Nr. 9020?

20

Ordonnanz 90, erlassen von der Rheinlandkommission am 16.6.21, ermächtigt die Rheinlandkommission, zugunsten von Personen, die „den alliierten Besatzungsbehörden Dienste geleistet“ oder mit ihnen „in Beziehung gestanden“ haben, in Verfahren dt. Gerichte einzugreifen. Zum Text s. Die Verträge über Besetzung und Räumung des Rheinlandes und die Ordonnanzen der Interalliierten Rheinlandkommission in Coblenz, S. 218 f.

(Wird aufgehoben.)21

21

Zwischenruf ohne Namensangabe.

Und dann bleibt das Rheinlandabkommen: Art. 4 und Art. 3 c und d. Diese kennzeichnen Deutschland als ein minderwertiges Ausland. Darin wird bestimmt die Auslieferungspflicht22! Wie steht es damit in der Zukunft? Frankreich verzichtet nicht auf einen Rechtsanspruch, höchstens [Toleranzpakt?23]. Unerträglicher Zustand. Auch bei der Militärjustiz große Bedenken. Und dann fehlt in den Rückwirkungen: Frist[en] nicht geändert. Das auch, wenn Deutschland nicht mehr Dawes-Plan ausführen kann. Dann sind wir eben durch die Besetzung nicht mehr ein freies Volk.

22

Nach Art. 4 des Rheinlandabkommens (RGBl. 1919, S. 1337 ) haben die dt. Behörden des besetzten und unbesetzten Gebiets auf Verlangen eines ordnungsgemäß ermächtigten all. Offiziers jede Person der Besatzungstruppe zu übergeben, die eines Verbrechens oder Vergehens angeklagt ist und der all. Militärgerichtsbarkeit untersteht.

23

Langschriftlich, nicht eindeutig lesbar.

Über die Stimmung im besetzten Gebiet: zum Teil künstlich großgezogen. Bald wird die Ernüchterung kommen. Für Loc[arno] sind im wesentlichen die Kreise der Wirtschaft24. Schon einmal trübe Erfahrungen gemacht. In Pol[itiker]kreisen des besetzten Gebiets denkt man anders. Denn [es] scheint doch, [daß] die Idee des neutralen Rheinlandstaates außenpol[itisch] festere Gestalt[883] zu erfassen beginnt. Dazu kommt, daß im Saargebiet Franzosen Erleichterungen einführen! Sehr bedenklich.

24

Mehrere Eingaben verschiedener Wirtschaftsgruppen mit positiver Stellungnahme zu Locarno in R 43 I /425  und 447. Der Bankier Hermann Münchmeyer schrieb am 7. 11. auf Veranlassung zahlreicher Wirtschaftsführer Hamburgs an den RK: Nur wenn der in Locarno begonnene Versuch, eine Annäherung der Staaten Europas herbeizuführen, zu einem guten Ende geführt werden kann, „besteht für die Wirtschaft ganz Europas eine Aussicht, die Zeit schwersten Druckes zu überwinden, unter dem sie noch heute leidet“ (R 43 I /447 , Bl. 4-6).

Nun zum Vertragswerk selbst:

Beklage, daß Volk nicht einheitlich sich hinter Regierung stellte, nachdem nun einmal Regierung Stellung eingenommen hat.

Wesentlich ist für mich: Inwieweit deckt sich die Auffassung der deutschen Del[egation] mit der Auffassung der gegnerischen Regierungen selbst?

Art. 1: Jur[istische] Frage klar25; aber nicht so in der Mentalität des Volks. Und das für die Auslegung doch recht wichtig. Richtig, daß pol[itischer?] Erlaß in Stillegungsfrage26 jetzt gar nicht akut ist.

25

Gemeint ist wohl, daß mit Art. 1 des Sicherheitspakts (Text in Dok. Nr. 175) kein Verzicht auf ehemals dt. Gebiete ausgesprochen wird. Vgl. die Ausführungen Stresemanns im Kabinettsrat vom 19. 10. (Dok. Nr. 201); s. auch Anm. 2 zu Dok. Nr. 205.

26

Dieses Wort stenografisch undeutlich, angegebene Lesart daher sehr zweifelhaft.

Artikel 627: Anerkennung des V[ersailler] V[ertrags]. Ich glaube, daß Schiedsvertrag und Loc[arno]-Vertrag sich verhält wie Gesetz und Ausführungsbestimmungen. Verhält[nis] zum V[ersailler] V[ertrag] ist gar nicht zu konstruieren.

27

Zum Text s. Anm. 26 zu Dok. Nr. 223.

Für das Schlimmste halte ich die Verkoppelung der Völkerbundsfrage mit dem Sicherheitspakt in Art. 10.

Die Rechtswidrigkeit des Ruhreinbruchs und der dadurch zugefügten Schäden hätte aufgeworfen werden müssen. Jetzt werden ja schon Ansprüche gestellt, aber im Schiedsvertrag auf diese Ansprüche verzichtet.

(Luther sagt, das ist doch kein materieller Verzicht.)

Im Osten: Verzicht auf die Revision der Ostgrenze. Abs. 3 der Präambel.

(Ohne Zustimmung des anderen.)28

28

Zwischenruf ohne Namensangabe.

Wie stellt sich Rußland zu den Verträgen?

Schlimmer aber noch als all das erscheint mir der Eintritt in den Völkerbund. Mit dem Eintritt geben wir unsere außenpol[itische] Souveränität preis. Gegner hat eben jetzt alles so eingerichtet, daß Völkerbund mit uns drin nicht mehr [gefiel?29]. Für Bayern kommt noch hinzu: Bisher Länder noch etwas beteiligt an der Außenpol[itik], aber künftig, wo Mittelpunkt der Außenpol[itik] in Genf liegt, haben wir keinen Einfluß mehr.

29

Wort stenografisch undeutlich, nicht eindeutig übertragbar.

Vom Völkerbund nichts zu erwarten in den Fragen: Min[oritätenfrage?], Saarfrage, Kolonialfrage usw. Dafür sorgt der Abstimmungsmodus.

Auch Art. 1930 wird keine Abänderung des V[ersailler] V[ertrags] bringen.

30

Art. der Völkerbundssatzung, welcher lautet: „Die Bundesversammlung kann von Zeit zu Zeit die Bundesmitglieder zu einer Nachprüfung der unanwendbar gewordenen Verträge und solcher internationalen Verhältnisse auffordern, deren Aufrechterhaltung den Weltfrieden gefährden könnte.“

Warum dann dieses Drängen in den Völkerbund?

Auch die Regelung des Art. 1631 schützt uns nicht vor Gefahren; schon die Notwendigkeit, mitzustimmen, ist bedenklich.

31

S. Anlage F zum Schlußprotokoll von Locarno, RGBl. 1925 II, S. 1008 .

[884] Zusammenfassend: Eindruck, daß Loc[arno] die restlose [Aufrechterhaltung] des V[ersailler] V[ertrags] darstellt und damit die restlose Erfüllung der französischen Pol[itik] am Rhein. Daß ich recht habe, beweist die Rede von Chamb[erlain], der der Presse gesagt hat, Loc[arno] ist die Stabilisierung des V[ersailler] V[ertrags].

(Stres[emann]: Das war eine Erklärung des Foreign Office.)

Abrüstungsfrage wird auch nicht angeschnitten werden. [Gestern?32] nur mit Rücksicht auf Amer[ika] Kritik geübt33, die ich mir selber schuldig bin34. Kann nur die Hoffnung haben, daß die Welt weiser verläuft und daß bald Änderungen kommen.

32

Wort langschriftlich, fast unleserlich.

33

Worte „Kritik geübt“ stenografisch nicht ganz eindeutig.

34

Über diesbez. Äußerungen Helds nichts ermittelt.

V[ersailler] V[ertrag] wird dann hoffentlich unmöglich gemacht. Auch der Meinung, daß Völkerbundssatzung und Loc[arno]-Vertrag an einer gewissen inneren Unaufrichtigkeit zu Grunde geht. Innere Reservationen.

Folgenschwerste Entscheidung: Damals standen wir vor einem Diktat. Auch heute Zwangslage, nur nicht durch die Gegner, sondern durch uns selbst geschaffen, durch das Vorgehen vom 9. Feb[ruar]35.

35

D. h. durch das dt. Sicherheitsmemorandum, s. dazu Anm. 6 zu Dok. Nr. 43.

Wenn ich Vorteile und Nachteile abwäge, so bleibt bestehen: 1.) der V[ersailler] V[ertrag] mit dem Rheinlandabkommen unangetastet. 7 Jahre für Rev[ision] gekämpft. Heute erkennen wir das alles selbst an. Ob die Zukunft uns die Möglichkeit gibt, anders zu verfahren, wissen wir nicht. Was an Rückwirkungen eingetreten ist und was erwartet werden kann, scheint mir nicht eine Kompensation [für das] zu sein, was wir neuerdings an Verpflichtungen in Loc[arno] übernehmen. Ich habe deshalb die allerschwersten Bedenken gegen die Unterzeichnung des Sicherheits-Abk[ommens], und trotzdem komme ich dazu, wenn ich [mir] die ganze Weltgesinnung vor Augen führe und wenn ich sehe, daß die Dinge so weit gediehen sind, wir selbst schuldig, dann wird nichts anderes übrig bleiben, [als] in den sauren Apfel zu beißen.

Mit Rücksicht auf die weltpol[itische] Lage können wir uns der Unterzeichnung nicht entziehen.

Ja, ab[solut] unzulänglich und für die Zukunft keine Gewißheit, daß wir mehr erreichen.

Ich beschwöre Sie, nur Ermächtigung zu unterzeichnen, natürlich daß dann Ratifikation erfolgen kann, aber dann zweiter Gesetzentwurf, der den Eintritt in den Völkerbund vorsieht.

Die Frage ⅔-Maj[orität] kann aufgetaut36 werden. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß, wenn der Eintritt vollzogen werden soll und damit die Entscheidung über Krieg und Frieden nicht mehr dem Reichstag zufällt, damit eine Änderung der Reichsverfassung gegeben ist. Also ⅔ Maj[orität] für notwendig erachtet werden könnte37.

36

So nach dem stenografischen Wortbild am wahrscheinlichsten.

37

Zum Problem der Zweidrittelmehrheit vgl. Anm. 13 zu Dok. Nr. 226.

[…]

[885] L[uther]: Dankbar, daß er die ganze Fülle der Probleme, Sorgen und Zweifel vorgetragen hat. Ich komme aber doch zu einer ganz abweichenden Auffassung. Ich sehe in dem Gesamtbilde ganz gewiß nicht eine Erfüllung unserer berechtigten Wünsche und Forderungen. Aber ich sehe auch in der Weltlage, wie sie ist, ab[solut] keine Möglichkeit, dieses Ziel jetzt zu erreichen. Auch noch nie einen Vorschlag gehört, mit welchen Mitteln man dieses Ziel jetzt erreichen könnte. Für mich steht auch stark im Mittelpunkt die Abrüstungsfrage. Von unserem abgerüsteten Standpunkt werden wir ausgehen, aber der Tatbestand ist zunächst nicht zu beseitigen. Daher Fragestellung: Haben wir gegenüber dem Zustand, wie er ist, Fortschritte gemacht oder nicht? Diese Frage beantworte ich mit Ja.

(Held ruft dazwischen: Ich auch!)

Zwangslage ja, aber kein Zwang zur Verschlechterung, sondern zur Verbesserung. Loc[arno] größter Schritt vorwärts. V[ersailler] V[ertrag]: Seine Beseitigung ist selbstverständlich Ziel deutscher Pol[itik]. Einzige Frage: Auf welchem Weg? Nicht dadurch, daß man immer von den anderen verlangt, was die anderen innenpol[itisch] nicht können, ihn formal aufzuheben, so weit sind wir nicht. Geschichte: Verträge sind abgeändert, wenn sich die Machtlage verschoben hat. Das ist noch nicht der Fall. Also Aufgabe, auf anderem Weg Vertrag unwirksam zu machen. Art. 6: wird nicht berührt. Das heißt: Zwei Arten: a) Novation, b) bestehen lassen, heißt nicht berührt. Schon mehrfach getan durch andere Verträge. Belege.

Dann: Verträge werden immer verschieden ausgelegt, z. B. Handelsverträge. Wir liefern immer den anderen die pol[itische] Munition.

In der ganzen öffentlichen Behandlung liegt eine betonte Darstellung der Schwäche Deutschlands. Wir waren immer anderer Meinung, wir treten nach Loc[arno] wieder als Großmacht auf. Zeit so weit vorgeschritten, daß wir uns eine Großmachtstelle wieder angewöhnen können. Das auch entscheidend für mich bezüglich der Völkerbundfrage. An sich Verdammenswertes, aber         38 darin. Wir werden tüchtige Vertreter hinschicken. Natürlich durften wir nicht zu früh hineingehen, aber Loc[arno] gibt uns die Grundlage, daß wir anders auftreten können. An sich beklage ich sehr, daß das wirtschaftliche Vorzeichen wieder hineingespielt, das ist für mich nicht ein Zeichen der Stärke, sondern der Schwäche. Habe immer gesagt: das ist eine pol[itische] Entscheidung. Wenn jetzt wirtschaftliche Gesichtspunkte in den Vordergrund treten, so [hat] das Folge, daß Volk pol[itisch] nicht zusammenhält. Leider auf diese behelfsmäßige Behandlung der Dinge eben deshalb gekommen.

38

Fehlendes Wort wohl langschriftlich, völlig unleserlich.

Worin sehe ich die pol[itische] Entwicklung der Dinge? Gesagt worden: restlose Erfüllung der französischen Forderung am Rhein. Ich erwähne nur die Garantie Englands. Diese Tatsache eines solchen Vertrags bedeutet eine vorhandene und bestätigte Kräftevergrößerung. Dreibund hat auch nicht gehalten, aber Frieden Jahrzehnte gesichert. Den größten Nutzen hat natürlich England, es wird wieder die freie Macht über den Kontinent. Aber Vertrag bringt allen Beteiligten Nutzen.

[886] Nun zu den Einzelfragen: Richtig, daß Rückwirkungen nur in der Form einseitiger Versprechungen zugegangen sind, sehr schwer für mich. Aber nach der gegenwärtigen Macht [müssen wir] uns sagen, [daß] ein vertragsmäßiges Abkommen in den Ländern nicht vor einem Parl[ament] vertretbar ist ohne den sofortigen Sturz der Regierungen. Also nur zu wählen zwischen den Zusicherungen oder Sturz der Regierungen. Also das erste, was kommt, wenn wir nein sagen? … Ein Abbrechen bedeutet Vertagung auf weiten Zeitraum. Und [inzwischen?] Frankreich, Francs39? Oder Anleihe? Vielleicht kommt sogar Frankreich in Ordnung, wird dann englische Garantie kommen können?

39

Sämtliche Wörter dieses Satzes stenografisch undeutlich, daher zweifelhaft.

Fristen: Natürlich drückend, aber eben nichts erreicht. Mache keine Versprechungen für die Zukunft. Weiß nicht. Aber ich sehe nicht nur Tendenz, daß es bis [19]35 dauert. Eigentliche Arbeit des A[uswärtigen] A[mts] für Deutschland beginnt jetzt.

Reichskom[missar]: Stellung nicht genau umschrieben, es wird auf ihn ankommen, sich durchzusetzen. T[irard]? Wenn wir ihn beseitigen können, [sonst mit?] Abänderung des Rheinlandabkommens zur Zeit nicht zu rechnen. Aber hoffen, daß wir das eher werden anpacken können.

Status quo. Immer Klausel: rebus sic stantibus.

Und dann müßte das Ziel des Schutzes bezeichnet werden, Rheinlande.

Verzicht auf Rev[ision] der Ostgrenze: Zustimmung!

Verzicht auf Währungsschäden: Wenn überhaupt, dann im Dawes-Abkommen, aber jetzt nicht in den verschiedenen Verträgen.

Nun V[ersailler] V[ertrag] und Loc[arno] oder Loc[arno] und Schiedsvertrag:

Gaus: Mißverständnis40!

40

Bei dieser Bemerkung handelt es sich nicht um einen Zwischenruf. Sie steht möglicherweise in Verbindung mit der nachfolgenden Äußerung des RK, daß „wir die Auslegung“, d. h. die all. Kollektivnote zu Art. 16 der Völkerbundssatzung (s. RGBl. 1925 II, S. 1008 ), juristisch nicht benötigten. Diese Auffassung war in einer höchstwahrscheinlich von MinDir. Gaus verfaßten diesbez. Stellungnahme der dt. Locarno-Delegation vom 14. 10. (Dok. Nr. 188) vertreten worden.

Rußland: mitstimmen: aber auch für den Fall eines Angriffs brauchen wir nicht mitzumachen. Befreiung von der Isolierung. Jur[istisch] brauchen wir die Auslegung nicht. Wir pflegen unser Verhältnis nach Rußland in der gleichen Weise wie bisher. Option für Ost oder West gibt es nicht. Rapallovertrag bleibt bestehen.

Nachmittag:

Ulrich: Verwahren gegen die Auffassung Bayerns, als ob die Stimmung der Bevölkerung gegen Loc[arno] wäre. Im wesentlichen gesamte Bevölkerung des besetzten Gebiets unter allen Umständen für Loc[arno]. Zufrieden sind wir auch nicht, wir möchten mehr. Möglichst nicht in Koblenz verhandeln.

Alle Nachteile können uns nicht abhalten, der Reichsregierung zuzustimmen.

Bazille: Ich sehe in dem Vertrag nur eines, nämlich daß er abhängig ist vom Völkerbund. Wäre das nicht der Fall, würde ich andere Auffassung haben.[887] Aus dieser Verbindung ergibt sich für mich, daß der Hauptzweck, den die englische Pol[itik] mit diesem Vertrag verfolgt, dieser Eintritt ist. England bedarf unseren Eintritt. Damit verlieren wir das geringe Maß von pol[itischer] Bewegungsfreiheit, das wir hatten, und werden verflochten mit den Zielen der englischen Pol[itik]. Englisches Meisterwerk. Nicht Pol[itik] des Friedensengels, sondern alte Pol[itik]. Deshalb kann man es den Partnern nicht verübeln, den Vertrag abzulehnen. Andererseits aber unmöglich, hier mit Sicherheit auszusprechen über den Weg, den wir gegangen sind.

Nur Schachfigur seit V[ersailler] V[ertrag]. Aber Strom der europ[äischen] Pol[itik] zu stark. Europ[äische] Pol[itik] in bestimmter Richtung, kriegerische Richtung, angebahnt41 durch Loc[arno]. Frage: Was kann Deutschland tun, um in möglichst günstiger Verfassung zu sein, wenn diese Entwicklung42 anhebt? Ich trete aus denselben Gesichtspunkten nicht gegen den Vertrag von Loc[arno] auf. Aber keinen Vorwurf gegen die, die ihn ablehnen. Nur hätte ich gewünscht, daß Maß der Rückwirkungen größer sei. Voten erst, wenn klarsteht, was an Rückwirkungen erreicht ist. Ich habe keinerlei Illusion, aber glaube, am Ende nicht zum Unglück Deutschlands. Daher nicht gegen den Vertrag an sich, sondern nur noch abwarten, wie das Maß der Rückwirkungen beschaffen sein wird.

41

Stenografisch undeutlich. Alternativlesarten: angewöhnt, eingewöhnt.

42

Stenografisch nicht eindeutig. Mögliche andere Lesart: Entwöhnung.

Leutheußer: Abstimmung soll wohl nicht erfolgen. Diese Entschließung dem Reichsrat vorbehalten. Del[egation] hat getan, was sie konnte, und hat erreicht, was sie wollte. Aber andere Frage, ob die Erwartungen eintreten können und werden, die an die Versprechungen in Loc[arno] geknüpft worden sind. Da recht skeptisch. Befürchtung, daß möglicherweise der Standpunkt eintreten kann, aber die Rückwirkungen nicht in genügendem Umfang eintreten. Ob Zustimmung, wird der nächste Reichstag zeigen. Natürlich, Frage müssen wir beantworten, was eintritt, wenn wir ablehnen. Wenn zugestimmt wird, dann kommt erst Hauptarbeit der Organe.

Wie ist es denn mit den zwei Gesetzen?

Stres[emann]: Wenn wir nicht eintreten, dann Völkerbund bedeutungslos. Zweibändermänner43. Wir im Schlepptau der englischen Pol[itik] nicht richtig, England nicht allein ausschlaggebend. Wir ja nicht gegen Rußland. Rheinlandsicherung! Osten, Verhandlungen im poln[ischen] Sejm, Anträge auf neue Verhandlungen mit Deutschland auf Grundlage der Sicherung der Grenzen. Im Osten: Polenfrage sehr schlecht.

43

Studentische Bezeichnung für Angehörigen zweier Korporationen.

[Minoritäten?44]: abwarten.

44

Langschriftlich, nicht ganz eindeutig lesbar.

[Mandats?45]-gebiet[e]: Wäre schwerer taktischer Fehler gewesen, in Loc[arno] darauf einzugehen. Das machen wir im Völkerbund.

45

Wie Anm. 44.

Australien will uns Neu-Guinea zurückgeben.

[888] Anerkennung des V[ersailler] V[ertrags]. In unserer Note vom 20.46 steht auch drin, daß wir V[ersailler] V[ertrag] nicht ändern wollen.

46

Dt. Note zur Sicherheitsfrage an Frankreich vom 20.7.25. Text in: Locarno-Konferenz 1925. Eine Dokumentensammlung, Dok. Nr. 16.

Investigationen: Wir sind dabei, wenn él[éments] stab[les]4748

47

In Art. V des Genfer „Organisationsplans für die Ausübung des Untersuchungsrechts“ (Investigationsprotokoll) vom 27.9.24 (s. Anm. 6–8 zu Dok. Nr. 170) vorkommende Bezeichnung für ein in den entmilitarisierten Zonen einzurichtendes ständiges Überwachungsorgan des Völkerbundes.

48

Stenogramm bricht hier ab. Stresemann will vermutlich sagen: Wenn die Bestimmung über die „éléments stables“ wegfällt, dann können wir das Genfer Investigationsprotokoll akzeptieren. Vgl. seine Ausführung in Locarno am 15. 10. (Dok. Nr. 195 a).

L[uther]: él[éments] st[ables]: Einstimmigkeit.

Zu Baz[ille]49: Fragestellung wohl berechtigt. Aber in unserer Lage muß unser Ziel sein, Deutschland muß stärker werden, und das sehe ich auf dem Weg von Loc[arno]. Auch der Meinung, daß besser, wenn …50

49

Das Stenogramm läßt nicht erkennen, ob das Nachfolgende zu den Ausführungen Stresemanns oder Luthers gehört.

50

Das Stenogramm bricht hier ab.

v. Oertzen: Erklärung, daß keine Aussicht besteht, daß Regierung im Reichsrat zustimmt.

Heldt: Noch weitere Aufklärungen:

1) I. M. K. K. – nur gradueller Abbau? Ja, jetzt, aber später ganz verschwindend51.

51

Dieser Satz möglicherweise Antwort Stresemanns oder Luthers, doch im Stenogramm nicht als solche gekennzeichnet.

2) Wie steht es, kann in der Zukunft noch in cont[umaciam] abgeurteilt52 werden?

52

Vgl. Anm. 9 zu Dok. Nr. 201.

Stres[emann]: Wird geregelt.

3) Verkoppelung von Sicherheitspakt und Völkerbund: zwei Gesetze oder „Termin des Eintritts bleibt dem Reichs[tag] vorbehalten“. Frankreich ja stärker an Loc[arno] interessiert als wir! Reichsregierung nicht von sich aus, Reichstag soll das von sich aus tun. Ich bin von meinem Kab[inett] beauftragt, diesen Antrag zu stellen.

Braun: Ich kann nicht klar sehen, ob das noch möglich ist.

(L[uther], Gesetze wären paraphiert.)

Spiegelfechterei – Art. 1053. Keine weitere Konz[ession] dadurch zu erreichen, im Gegenteil Versteifung. Taktisch unklug, wenn auch parl[amentarisch] eine Gefahr. Dann kommt Kampf um den Völkerbund.

53

Bezieht sich auf folgende Bestimmung des Art. 10 des Sicherheitspakts: „Er [der Sicherheitspakt] soll in Kraft treten, sobald alle Ratifikationsurkunden [im Archiv des Völkerbundes] hinterlegt sind und Deutschland Mitglied des Völkerbundes geworden ist.“

Petersen: Die Schlußfolgerung wäre richtig, wenn durch Beschluß des Reichstages das         54 beseitigt wäre. Aber das wird nicht beseitigt, es bleibt nicht bloß das quanto.

54

Das fehlende Wort im Stenogramm langschriftlich, völlig unleserlich.

(Also gegen Heldt.)

[889] Wir würden außenpol[itisch] nichts erreichen und         55 verschärft werden. Vorschlag ist ganz unmöglich, wenn Sie Loc[arno] wollen. Es wäre ein Winkelzug, denn dann wäre Loc[arno] nicht        56. Unsere Wirtschaft hält das nicht aus. Nur Halbheit, die zur Katastrophe führt. Wir werden große Front im Völkerbund für uns haben, alle die kleinen Staaten. Völkerbund abs[olute] Notwendigkeit für uns.

55

Stenografische Textstelle unvollständig, nicht übertragbar.

56

Wie Anm. 55.

(Heldt, Sachsen, ruft: Unannehmbar!)

L[uther]: An sich ja drei Stufen möglich. Aber auf diesem Weg keine Vorteile nach dem bisherigen Kampf. Idee der Gegenleistung von Gegenseite. Wir haben schon bewußt nicht von Gegenleistungen gesprochen. Wenn jetzt Auflösung in Stufen, dann wird Idee der Gegenleistung dilatorisch, daß das die Widerstände drüben stärkt. Dann stillstehen in der Auswirkung. Wenn wir die Vollmacht [haben], können wir immer noch mit technischen Schwierigkeiten usw. hinhalten. Wenn wir allein die Fragestellung auf         57 bekommen, dann Auflösung und entsetzlicher Wahlkampf. Reichstag nicht zweimal mit der Sache befassen. Auch außenpol[itisch] völlig unmöglich.

57

Wie Anm. 55.

Heldt: Lasse Gründe auf mich wirken, aber kann meine Auffassung nicht ändern. Trennung stärkstes Druckmittel auf Ausland. Fran[kreich] muß ja den Vertrag haben. Warum mehr auf das Ausland schauen als auf das Inland. Innenpol[itisch], wenn Sie es so machen, werden Sie größere Maj[orität] im Reichstag bekommen.

Brauns: Vorgehen erwägen, wenn der Reichstag einig in der ganzen Sache vorginge. Von der innenpol[itischen] Besserung58, die wir zu erwarten haben, bin ich fest überzeugt, daß Abstimmung in die Brüche gehen kann, aus großer innenpol[itischer] Schwierigkeit. Neue Schwäche, Unentschlossenheit, Zick-Zack-Kurs. Bis ins Zentrum hinein.

58

Langschriftlich, nicht völlig eindeutig.

Heldt: Größeres Zielbewußtsein in meinem Vorschlag als auf anderem Wege.

Geßler: Können wir gar nicht machen.         59 Für 1. gar nicht stimmen, wenn 2. nicht mit drin ist60.

59

Wie Anm. 54.

60

Gemeint ist wohl: Es sei unsinnig, über den Sicherheitspakt abzustimmen, wenn der Eintritt in den Völkerbund zum Gegenstand einer besonderen Gesetzesvorlage gemacht würde.

Petersen: Dann sicher Auflösung.

L[uther]: Wir erreichen auf unserem Weg mehr, einzige Frage.

Heldt: Reichsregierung noch freie Hand: Wenn ich überzeugt davon sein könnte, daß Reichsregierung Zeit ausnutzt und Einverständnis mit Min[ister]-Präs[identen] der Länder [herzustellen versucht], dann Aufnahme für mich möglich.

Petersen: Daß Reichsregierung alles tun wird, das Vertrauen haben wir.

[890] L[uther]: Nicht abgeneigt, Min[ister]-Präs[identen] nochmals zu laden. Erklärt, Eintrittsgesuch erst zu senden, wenn nochmals Min[ister]-Präs[identen] gehört sind61.

61

Eine erneute diesbez. Aussprache mit den Ministerpräsidenten findet am 6.2.26 statt. S. Dok. Nr. 283.

Br[aun?]: Nicht nach außen als selbstverständlich hinstellen, daß wir in der Zwischenzeit die Möglichkeit haben zu sehen, ob das, was zweifelhaft ist, sich erfüllt oder nicht. Dann können wir auch nochmals zusammenkommen. Das sind aber Selbstverständlichkeiten.

Geßler: Wir müssen ja auch noch weiter verhandeln, wie soll das möglich sein, ohne jetzt klar Stellung einzunehmen?

L[uther]: Innenminister müssen doch wohl noch zusammentreten, um die Sache zu prüfen.

        62: Beschlüsse der Regierung kommen nicht in Betracht.

62

Hier eine langschriftliche Sprecherangabe, völlig unleserlich. Es könnte sich um einen der Ländervertreter handeln.

Kann ich mit Ausnahme von Mecklenburg feststellen, daß zugestimmt wird?

        63 aus Bay[ern] Vorbehalt.

63

Das fehlende Wort im Stenogramm langschriftlich, völlig unleserlich. Möglicherweise Namensangabe.

L[uther]: Ja, hier doch umsonst, nicht Reichsrat.

Held: Nicht einverstanden, da keine zwei Vorlagen. Wenn das hinausgeht, dann geht der Kampf in den Kab[inetten] los.

Braun: Auch nicht für         64.

64

Wort stenografisch undeutlich, nicht übertragbar. Aus dem Gesamtzusammenhang ist folgende Äußerung Brauns wahrscheinlich: „Auch nicht für Abstimmung“.

Geßler: Nur Fühlungnahme.

L[uther]: Also auf Staatsrechtslinie zurückziehen65.

65

Über diese Besprechung geht folgende Mitteilung an die Presse: Die Ministerpräsidenten seien über die außenpolitische Lage, wie sie sich in den Wochen nach Locarno entwickelt habe, unterrichtet worden. „Auf Grund der Aussprache“ werde die RReg. nunmehr, „entsprechend dem vorgestern unter Vorsitz des Herrn Reichspräsidenten gefaßten Beschluß“, das Vertragswerk den gesetzgebenden Körperschaften zugehen lassen (nach „Tägliche Rundschau“ vom 20. 11.).

Der RAM leitet den „Entwurf eines Gesetzes über die Verträge von Locarno und den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund“ am 19. 11. dem RR zu (RR-Drucks. Nr. 167, Bd. 1925 II), wo er am 21. 11. mit großer Mehrheit angenommen wird. Gegen den Entwurf stimmt der Bevollmächtigte von Mecklenburg-Schwerin und erklärt dazu, daß seine Reg. den Gesetzentwurf für verfassungsändernd halte. Dieser Erklärung schließt sich namens der Bayerischen Regierung der Gesandte v. Preger an, übt aber Stimmenthaltung (Niederschriften über die Vollsitzungen des RR, § 674).

Der RT behandelt den am 21. 11. vorgelegten Entwurf (RT-Drucks. Nr. 1515, Bd. 405 ) in vier Sitzungen am 23., 25., 26. und 27. 11. In der namentlichen Abstimmung am 27. 11. wird zunächst Art. I (Locarnoverträge) mit 299 gegen 173 Stimmen angenommen. Es folgt die Abstimmung über einen Antrag der DNVP zu Art. II (Ermächtigung zum Eintritt in den Völkerbund), den Eintritt einem besonderen Gesetz vorzubehalten (RT-Drucks. Nr. 1560, Bd. 405 ). Der Antrag wird mit 284 gegen 182 Stimmen abgelehnt. Sodann wird Art. II mit 279 gegen 183 Stimmen angenommen. In der Schlußabstimmung stimmen 292 Abgeordnete von SPD, Zentrum, DVP, DDP und BVP für, 174 Abgeordnete der DNVP, KPD, VA und WV gegen den Gesetzentwurf. Mit großer Mehrheit nimmt der RT schließlich eine am gleichen Tage von den Fraktionen des Zentrums, der DVP und der DDP eingebrachte Entschließung an, in der die RReg. aufgefordert wird, „mit allen Kräften bemüht zu sein, bis zum Eintritt Deutschlands in den Völkerbund eine dem Sinne des Vertragswerks von Locarno entsprechende Erweiterung der sogenannten Rückwirkungen zu sichern“ (RT-Drucks. Nr. 1561, Bd. 405  und RT-Bd. 388, S. 4654  f.). – Das Gesetz wird am 28.11.25 verkündet (RGBl. II, S. 975 ).

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