1.62 (lut2p): Nr. 231 Der Preußische Ministerpräsident an den Reichskanzler. 19. November 1925

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Nr. 231
Der Preußische Ministerpräsident an den Reichskanzler. 19. November 1925

R 43 I /685 , Bl. 332-334

[Reichswehr und republikanische Verfassung]

Auf das gefällige Schreiben vom 10. November 1925, betr. die Rede des Generals Sixt von Armin1, beehre ich mich ergebenst zu erwidern, daß ich entgegen der dortigen Auffassung die in der Presse bekanntgegebenen Feststellungen des Herrn Reichswehrministers zu dem Falle des Generals Sixt von Armin als eine ausreichende Vorsorge zur Vermeidung ähnlicher bedauerlicher[898] Vorfälle nicht anzusehen vermag, auch nicht anerkennen kann, daß es gelungen wäre, durch die vom Reichswehrministerium im Laufe der letzten Jahre eingeleiteten Maßnahmen die Zahl der bei derartigen Erinnerungsfeiern vorgefallenen Verstöße ständig zu verringern. Handelt es sich doch bei Reden wie der des Generals Sixt von Armin nicht darum, daß sie, wie es in der Verlautbarung des Reichswehrministeriums heißt, bisweilen mißverständliche Redewendungen enthalten, sondern um den bei der gesamten republikanisch gesinnten deutschen Bevölkerung und Presse und der Öffentlichkeit des Auslandes hervorgerufenen Eindruck, daß die Reichswehr der Republik zur Beteiligung an Feiern von ausgesprochen monarchistischen, meist auch dem Revanchegedanken dienstbar gemachtem Charakter mißbraucht wird. Dieser Eindruck beruht nicht nur auf den einzelnen Reden ehemaliger hoher Offiziere, sondern mehr noch auf der fast ständigen Beteiligung von Angehörigen der früher regierenden fürstlichen Familien und der zahlreichen Verwendung schwarz-weiß-roter Fahnen durch Kriegervereine usw. in Anwesenheit von Teilen der Reichswehr. Nach Auffassung der Preußischen Staatsregierung genügt es nicht, daß künftighin nur bei derartigen Anlässen „Redewendungen vermieden werden, die mißverstanden werden können“, sondern es müssen positive Bestimmungen erlassen werden, die in nicht mißzuverstehender Weise den Charakter der Reichswehr als eines republikanischen Organs des Deutschen Reichs sowohl gegenüber den Offizieren und Mannschaften der Reichswehr wie darüber hinaus der gesamten deutschen und außerdeutschen Öffentlichkeit dokumentieren. Von derartigen Maßnahmen darf ich mir ergebenst vorzuschlagen gestatten, daß

1

Zum Inhalt dieser anläßlich der Einweihung des Berliner Augustaner-Ehrenmals am 11.10.25 gehaltenen Rede s. Dok. Nr. 185. Zu obengenanntem Schreiben s. ebd. Anm. 3.

1.

bei Erinnerungsfeiern die Beteiligung der Reichswehr davon abhängig gemacht wird, daß keinerlei schwarz-weiß-rote Fahnen gezeigt werden dürfen;

2.

Vorbeimärsche von Teilen der Reichswehr an Mitgliedern ehemaliger regierender Familien und ehemaligen Offizieren ausnahmslos nicht stattfinden dürfen und

3.

die bei derartigen Feiern zu haltenden Reden ohne Ausnahme einer vorherigen Zensur unterzogen werden.

Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß durch derartige Maßnahmen die innen- und außenpolitisch überaus bedenkliche Wirkung derartiger Erinnerungsfeiern abgeschwächt, vielleicht auch die Zahl dieser Feiern, die nach ihrem Eindruck in der Öffentlichkeit häufig wohl gerade aus monarchistisch-agitatorischen Gründen veranstaltet werden, allmählich auf ein Mindestmaß herabgesetzt werden könnte.

Für eine gefällige Mitteilung über das auf diese Anregung hin Veranlaßte wäre ich Ihnen, Herr Reichskanzler, zu besonderem Dank verpflichtet2. Ich darf nochmals betonen, daß nur ernste Sorgen, die gerade in der letzten Zeit besondere[899] Nahrung gefunden haben, mich dazu veranlaßt haben, das Augenmerk der Reichsregierung auf diese nach Auffassung der Preußischen Staatsregierung überaus wichtige und dringende Frage zu lenken.

2

Eine derartige Mitteilung erfolgt offenbar nicht. In den Akten findet sich dazu lediglich der Entwurf eines nicht abgesandten Antwortschreibens des RK (kein Tagesdatum, nur: Dezember 1925), in dem einleitend auf abschriftlich beigefügte Bestimmungen des RWeM über die Teilnahme der Reichswehr an öffentlichen Veranstaltungen hingewiesen wird. „Diese Bestimmungen erscheinen mir in der Tat ausreichend, um Mißbräuchen und unliebsamen Zwischenfällen vorzubeugen. […] Auf der anderen Seite glaube ich nicht, daß allzu scharfe Bestimmungen dazu beitragen werden, Gegner der republikanischen Staatsform für diese zu gewinnen.“ Ein Zuviel an Bestimmungen könne nur zur Verhärtung der Andersdenkenden und zu verschärfter Agitation der Staatsfeinde führen. – Dem Entwurf liegt eine vom RWeM am 4.12.25 an die Rkei übersandte Zusammenfassung früherer Verfügungen und Weisungen für das Verhalten gegenüber öffentlichen Veranstaltungen bei. Darin heißt es u. a.: „Die dienstliche Gestellung der Reichswehr zu nichtdienstlichen Veranstaltungen beschränkt sich auf Einweihungen von Denkmälern für die Gefallenen ehem. Regimenter, Jubiläen von Truppenteilen der alten Wehrmacht zu wichtigen Zeitabschnitten, Trauerfeierlichkeiten nach Standortdienstvorschriften und besondere staatliche Gedenkfeiern.“ Die Genehmigung behalte sich der RWeM in jedem Falle vor. Anträge seien bei den Wehrkreiskommandos vorzulegen mit der schriftlichen Versicherung des Antragsstellers, daß der würdige und unpolitische Verlauf der Veranstaltung gesichert sei und keine rednerischen Kundgebungen oder Entschließungen gegen die Regierungsform oder die Person des RPräs. erfolgen würden (R 43 I /685 , Bl. 355).

Braun

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