2.141.1 (ma11p): a) Reparationen.

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a) Reparationen.

Ministerialrat Kastl teilte den Inhalt der bisherigen Berichterstattung aus[455] Paris1 mit und trug den Entwurf eines Instruktionstelegramms an Staatssekretär Fischer2 vor.

1

In seinem Bericht vom 4. 3. aus Paris teilte StS Fischer u. a. mit: In einem Gespräch mit StS Bergmann habe Stamp angedeutet, wie hoch er sich die von Deutschland aufzubringenden Reparations-Annuitäten denke: „er [Stamp] schien die beiden ersten Jahre [1924/25] vollkommen freilassen, für 1926 750 und für 1927 1250 Mio vorsehen zu wollen, um dann allmählich zu höheren Ziffern zu gelangen. In diesen Ziffern ist aber das Aufkommen aus der Eisenbahn einbegriffen. Stamps Schätzungen scheinen gegenüber denen seiner Kollegen, die den Höchstbetrag der Annuitäten auf etwa 2 Mrd. festlegen wollen, um mindestens 250 Mio zurückzubleiben“ (Abschr. in R 43 I /1036 , Bl. 62-64).

Am 8. 3. berichtete Fischer an den RFM aus Paris u. a., die von ihm übermittelten Angaben über die in Aussicht genommenen dt. Annuitäten seien in seiner heutigen Unterhaltung mit Stamp bestätigt worden. Er, Fischer, habe Stamp erklärt, daß man in Berlin nach seiner Kenntnis nur beträchtlich geringere Leistungen für vertretbar halte; er selbst besitze „nicht genügend Phantasie“, um sich eine Höchstannuität von 2 Mrd. GM als Überschuß des Budgets vorstellen zu können. „Stamp legte Wert darauf, daß die Höhe der in dt. Währung aufzubringenden Leistungen ganz unabhängig von der Größe derjenigen Summen sein werde, die an das Ausland zu übertragen sein würden. Er wiederholte die von Young in Berlin [d. h. während des Informationsbesuchs der Sachverständigen in Berlin Anfang Februar 1924] entwickelte Idee, daß die nicht transferierbaren Beträge in Deutschland stehenbleiben und eine Quelle für billigen Kredit darstellen würden.“ Nach den bisherigen Informationen solle der Reichshaushalt 1924 und 1925 ein Moratorium genießen. Jedoch solle Deutschland in diesen beiden ersten Jahren Sachleistungen ausführen sowie die Kosten für die Besatzung und für die all. Kommissionen tragen. Schwierigkeiten bereite die Frage der Finanzierung dieser Leistungen. Weiterhin habe Stamp seinen Vorschlag eines Indexschemas entwickelt, nach dem die variablen Zusatzzahlungen ermittelt werden sollen, die Deutschland ab 1930 außer den festen Annuitäten aus dem Haushalt zu entrichten haben würde. Die Kontrolle der für Reparationszwecke zu verpfändenden Haushaltszweige denke sich Stamp folgendermaßen: Es solle unter einem Neutralen ein Büro errichtet werden, mit der Aufgabe, sich von der richtigen Abführung der verpfändeten Einnahmen an die Reparationskasse zu vergewissern und die Zweckmäßigkeit der einschlägigen dt. Steuergesetzgebung zu beobachten. Diesem neutralen Kontrollorgan solle ein Board aus Vertretern der Alliierten beigegeben werden (R 43 I /41 , Bl. 4-9).

2

Der im RFMin. gefertigte Entwurf des Instruktionstelegramms, der in manchen Punkten von der endgültigen Fassung abweicht, befindet sich in R 43 I /1036 , Bl. 46 f.. Die endgültige Fassung s. Anm. 6.

Der Reichsminister der Finanzen wies darauf hin, daß die letzten Meldungen über die Entschließungen des Sachverständigenausschusses zu erheblichen Bedenken Veranlassung gäben. Die jetzige Instruktion bedeute eine starke Verantwortung der Reichsregierung, da es auf rechnerischer Grundlage unmöglich sei zu beurteilen, ob die beabsichtigte Belastung für die deutsche Volkswirtschaft tragbar sei. Man könne allenfalls eine Beruhigung daraus entnehmen, daß der am Schlusse der Instruktion berührte Transferierungsgedanke3 gegebenenfalls die ganze Wirkung des ersten Teiles der Instruktion aufhebe. Man könne somit die vorliegende Frage dahin abstellen, daß entweder die Alliierten den Transferierungsgedanken annähmen, und dann bestehe keinerlei Gefahr, oder sie lehnten ihn ab, und dann sei die Gesamtdurchführung des Reparationsplanes unmöglich.

3

Der Passus betr. Transferierung wird in der endgültigen Fassung der Instruktion vorgezogen und umformuliert; s. Anm. 6.

Staatssekretär Müller stimmte dem Vorredner zu, warf jedoch die weitere Frage auf, ob es nicht taktisch zweckmäßiger sei, um dem Vorwurf der Illoyalität im Falle der späteren Ablehnung zu entgehen, sich im gegenwärtigen Stadium jeglicher Beteiligung zu enthalten.

[456] Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft stimmte der Auffassung des Staatssekretärs Müller zu.

Der Reichswirtschaftsminister wies auf die Mitteilungen des Abgeordneten Helfferich im Haushaltsausschuß4 hin und betonte die Notwendigkeit, die Entschließungsfreiheit der Reichsregierung gegenüber dem Ergebnis der Sachverständigenverhandlungen vorzubehalten. Es müsse klar zum Ausdruck gebracht werden, daß die vorliegende Instruktion nichts anderes darstelle als Richtlinien für die Einwirkungsversuche in Paris.

4

S. Dok. Nr. 142, Anm. 3.

Der Reichsminister der Finanzen berichtete über die letzten Meldungen der Abendpresse betreffend die französischen Forderungen hinsichtlich der Gesamtreparationssumme.

Der Reichsminister des Auswärtigen führte gegenüber den Vorrednern aus, daß ein passives Verhalten im gegenwärtigen Augenblick unmöglich sei. Die deutschen Vertreter müßten, soweit ihnen Gelegenheit dazu geboten würde, an den Verhandlungen in Paris mitarbeiten. Geschähe dies nicht, so würde jede Möglichkeit eines positiven Ergebnisses der Sachverständigenarbeiten sabotiert und damit auch die Möglichkeit einer Befreiung des Ruhrgebiets illusorisch werden.

Allerdings müsse in der Instruktion klar zum Ausdruck gebracht werden, daß die Reichsregierung sich Freiheit vorbehalten müsse, das endgültige Gutachten anzunehmen oder abzulehnen. Auch dürfe eine bestimmte Ziffer, wie 1800 Millionen, nicht genannt werden5. Im übrigen falle die Verantwortung für eine spätere Undurchführbarkeit der Vorschläge auf den Ausschuß und nicht auf die deutsche Reichsregierung. Endlich müsse klargestellt werden, daß die Besatzungskosten unter allen Umständen in der Gesamtsumme enthalten sein müßten.

5

Im Entwurf des Instruktionstelegramms (s. Anm. 2) werden 1800 Mio als voraussichtlicher Höchstbetrag genannt, den Deutschland ab 1928 jährlich für Reparationen aufbringen könne, sofern darin sämtliche Leistungen aus dem VV sowie die Reichsbahnüberschüsse eingeschlossen seien. In der endgültigen Fassung der Instruktion fehlt diese Zahlenangabe.

Der Reichsarbeitsminister pflichtete dem Vorredner bei: ein Zurückziehen aus den Besprechungen in Paris komme nicht in Frage, vielmehr müsse gerade versucht werden, durch Verhandlungen etwas zu gewinnen.

Der Reichsminister der Finanzen schlug vor, da es nicht möglich sei, den Reichsbankpräsidenten noch rechtzeitig nach Berlin zu berufen, seinen Referenten, Geheimrat Kastl, sofort nach Paris zwecks Orientierung der Kriegslastenkommission zu entsenden. Mit Rücksicht darauf, daß der Abschluß der Sachverständigenberatungen schon zum 16. d. Mts. zu erwarten sei, solle auch das Instruktionstelegramm sofort abgehen6.

6

Im Instruktionstelegramm des RFM an Fischer vom 13. 3. (über dt. Botschaft Paris), das zugleich auf Fischers Bericht vom 8. 3. (s. Anm. 1) antwortet, heißt es: „Nachstehendes als Rahmen für Ihre weiteren Erörterungen mit Sachverständigen, ohne daß dabei bei diesen Eindruck enstehen darf, daß durch Ihre Besprechungen Freiheit RReg. in ihrer endgültigen Entschließung zum Gutachten vorgegriffen wird. Dies gilt insbesondere wegen genannter Zahlen. Bitte Gegenseite darüber nicht im unklaren zu lassen, daß die aus Ihren Berichten hervorgehende neueste Entwicklung und Kompromißbereitschaft hier sehr deprimierend wirkt, da, auch wenn Youngsches Transferierungsschema eingeschaltet wird, was selbstverständlich Voraussetzung für Nachstehendes bleibt, auf diese Weise eine praktisch nicht realisierbare Regelung herauskommt. 1) Für Finanzierung Sachleistungen 1924 und 1925 wird hier immer noch keine Möglichkeit gesehen, wenn nicht über Eisenbahnobligationen ausländischer Kredit aufbringbar. […] 2) Angegebene Jahresleistungen für 1926 und 1927 zu hoch, sie wären nur möglich, wenn Beträge Gesamtleistung aus VV darstellen, also auch Verpflichtungen aus Teil IX und X, insbesondere auch äußere und innere Besatzungskosten und Restitutionen usw. mit umfassen. Dabei wird als selbstverständlich vorausgesetzt, daß Reichsbahnüberschüsse in angegebenen Beträgen mit enthalten sind. 3) Vorgesehene Steigerung von 1926 auf 1927 und 1928 zu schroff […]. Wenn wir innerhalb vertretbarer Zahlen bleiben wollen, Ermäßigung erforderlich, wobei gleiche Voraussetzung wie in Ziffer 2) bestehen bleibt. […] 4) Wenn Kompromiß anders nicht erreichbar und auch dadurch materielle Kontrolle abwendbar, können äußerstenfalls Bedenken gegen ab 1930 geplante Anwendung vorgeschlagenen Indexschemas zurückgestellt werden. […] 5) […] Materielle Kontrolle, nämlich Kontrolle der Gesetzgebung und Verwaltung, müßte unterbleiben, solange festgesetzte Leistungen richtig eingehen. Bis dahin kann formelle Kontrolle, nämlich Prüfung der richtigen Ablieferung der tatsächlich eingegangenen Steuern, in Betracht kommen. […]“ (R 43 I /1036 , Bl. 19 f.).

Am 16. 3. telegrafiert Fischer aus Paris u. a.: Die Mitglieder des Sachverständigenkomitees hätten übereinstimmend versichert, daß die vom Komitee vorzuschlagenden Jahresleistungen sämtliche Lasten aus dem VV (einschl. Besatzungskosten usw.) umfassen würden. Von Young habe Bergmann die bündige Zusage erhalten, daß die Annuitäten auch die Erträge aus der Eisenbahn enthalten sollen. Indessen habe das Komitee über die Höhe der Annuitäten noch keinen Beschluß gefaßt. Wiederholt sei festgestellt worden, daß die vollständige wirtschaftliche Befreiung von Rhein und Ruhr die Voraussetzung für die vorgeschlagenen Reparationsleistungen sein müsse (R 38 /187 , neu in R 3301 /2187 , Bl. 369 f.).

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