2.175.1 (ma11p): Sachverständigen-Gutachten.

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RTF

Sachverständigen-Gutachten2.

2

In dieser Besprechung soll die dt. Stellungnahme zum Sachverständigen-Gutachten vom 9. 4. (Dok. Nr. 172, Anm. 1) und zur Note der Repko vom 11. 4. erörtert werden.

In ihrer Note vom 11. 4. erklärt die Repko, sie sehe in den Berichten der Sachverständigen eine praktische Grundlage für die schnelle Lösung des Reparationsproblems. Um die Durchführung des Programms der Sachverständigen zu beschleunigen, sei sie schon jetzt geneigt, die Vorschläge der Sachverständigen zu billigen und sie den beteiligten Regierungen zur Annahme zu empfehlen. Jedoch halte es die Repko für notwendig, ihre Zustimmung und Initiative zurückzustellen, bis die RReg. bereit sei, ihre Mitarbeit an den Plänen der Sachverständigen zuzusichern. Zu diesem Zweck werde sie die Delegierten der dt. Reg. am 17. 4. anhören, falls die dt. Reg. es nicht vorziehe, eine schriftliche Antwort zu erteilen (frz. Text und dt. Übersetzung der Note in R 43 I /454 , Bl. 189, 192; frz. und engl. Text in R 38 /224 , neu in R 3301 /2224 , Bl. 138 f.; vgl. Schultheß 1924,S. 406).

Der Reichskanzler begrüßte die Vertreter der Länder und teilte mit, daß, bevor die eigentliche Aussprache eröffnet werde, die Ressortminister einen kurzen Überblick über Inhalt und Bedeutung des Sachverständigengutachtens geben würden.

Der Reichsminister der Finanzen wies darauf hin, daß die für das Normaljahr3 vorgesehene Summe von  2½  Milliarden Goldmark eine Summe darstelle, die bisher noch in keinem Jahre geleistet worden sei. Den Kernpunkt des Gutachtens erblicke er in der Einrichtung der Reparationskasse. Diese Reparationskasse sei die Sammelstelle aller Zahlungen des Deutschen Reiches, und von ihr könnten nur insoweit Übertragungen an das Ausland vorgenommen werden, als mit der Aufrechterhaltung der Stabilität der Währung verträglich[556] sei4. Wesentlich sei ferner für die Beurteilung, daß das System der Spezialpfänder ersetzt worden sei durch das System der Generalpfänder: Währungsbank, Eisenbahn, Zölle und Verbrauchssteuern und Industrie-Obligationen. Der Moratoriumsgedanke sei sehr stark verwässert5. Die vorgesehenen Kontrollen seien zum Teil tief einschneidender Natur. Die Zahlungen stellten ein Ganzes dar6, ihre Auswechselbarkeit sei vorgesehen. Die geforderten Summen seien sehr hoch; ob sie tatsächlich bezahlt werden könnten, vermöchte jetzt noch niemand zu sagen.

3

D. h. für das 5. Reparationsjahr nach Inkrafttreten des Sachverständigen-Gutachtens (1928/29).

4

Vgl. Sachverständigen-Gutachten, S. 36 ff.

5

Für den Reichshaushalt sieht das Sachverständigen-Gutachten ein zweijähriges Moratorium vor; dagegen sollen die Reparationsleistungen der Eisenbahn bereits im ersten Jahr, die Leistungen der Industrie im zweiten Jahr beginnen.

6

Das Sachverständigen-Gutachten betont, daß die Reparations-Annuitäten sämtliche Verpflichtungen Deutschlands gegenüber den all. Mächten enthalten sollen (S. 33 ff.).

Der Reichsverkehrsminister berichtete über die Regelung der Eisenbahnfrage und äußerte sich dahin, daß die Leistungen, die von der Reichsbahn gefordert würden, wohl im Bereiche des Möglichen lägen. Ein Moratorium auch für die Reichsbahn zu erreichen, müsse aber gleichwohl versucht werden.

Der Reichsbankpräsident berichtete über die Errichtung und Organisation der vorgesehenen Goldnotenbank. Das Bedenklichste in dem ganzen System sei die Einsetzung des Generalrates. Er stelle eine ausländische Kontrolle dar und bedeute somit eine erhebliche Belastung für das deutsche Nationalempfinden7. Sachlich habe er keine allzu große Bedeutung.

7

In einer schriftlichen Stellungnahme des Rbk-Direktoriums zum Sachverständigen-Gutachten vom 15. 4. heißt es: „Die in dem Generalrat vorgesehene ausländische Kontrolle, die sich auf den gesamten Umfang der Leitung und Geschäftsführung der Bank erstreckt (Vorschläge über die Ernennung der Mitglieder des Direktoriums, Entscheidung über Vorschläge des Präsidenten, Mitentscheidung in der Noteneinlösungsfrage) erscheint uns im höchsten Maße bedenklich.“ Sollte die RReg. sich aus politischen Gründen für die Annahme des Gutachtens entscheiden, müßten Verhandlungen über Einzelfragen vorbehalten bleiben, wobei die Rbk zu beteiligen sei. Vor allem müsse sich die RReg. von vornherein dafür einsetzen, daß die Rbk beibehalten und die von den Sachverständigen geplante Notenbank in Anlehnung an die bewährte Organisation der Rbk errichtet wird (R 43 I /41 , Bl. 144-146).

Der Reichsminister der Finanzen führte ergänzend aus, daß die tatsächlichen Schwierigkeiten der Durchführung des Sachverständigengutachtens bei der Einbringung der Zölle und bei der Industriebelastung lägen. Ferner sei zu bedenken, daß die für das erste Jahr vorgesehene Anleihe nicht sofort fließen werde, woraus sich auch für das erste Jahr eine erhebliche Belastung der Reichsfinanzen ergäbe. Die vorgesehenen Reparationsjahre seien nicht identisch mit den Etatsjahren, sondern begännen mit dem Zeitpunkt, an dem das Gutachten angenommen und wirksam geworden sei.

Der Reichsminister des Auswärtigen führte aus: Das Sachverständigengutachten sei gegen den Willen Poincarés zustande gekommen und entspreche in der Form einem wiederholt von Deutschland geäußerten Wunsche. Von größter Bedeutung sei die Mitwirkung Amerikas, der einzigen Macht, die vielleicht noch auf Frankreich einen Einfluß habe. Die Beteiligung Amerikas sei unter ausdrücklicher Zustimmung Deutschlands erfolgt. Eine brüske Ablehnung[557] scheine ihm daher schon aus diesem Grunde nicht angängig. Bei einer Ablehnung durch Deutschland würde Frankeich gegenüber Deutschland zweifellos von allen Nationen freie Hand bekommen und Deutschland werde in keinem Lande mehr Hilfe finden.

Auf die bedeutungsvolle Gesamtkonstruktion: Ersetzung des Systems der Spezialpfänder durch das System der Generalpfänder habe der Reichsminister der Finanzen bereits hingewiesen. Dieser Ersatz sei notwendig, da die Lasten der Micumverträge nur noch auf kurze Zeit tragbar wären. Er sehe in dem Gutachten in erster Linie eine provisorische Lösung. Er bedaure deshalb auch nicht, daß eine Endsumme für die Schuld Deutschlands nicht genannt sei. Seit dem Kriege habe die öffentliche Meinung der Welt gegenüber Deutschland eine große Entspannung erfahren, und die Zahlen, die für die Schuld Deutschlands von Zeit zu Zeit genannt worden seien, seien immer kleiner geworden. Allerdings dürfe der Zeitpunkt der Festsetzung der gesamten Schuld nicht allzu weit hinausgeschoben werden. Gegenüber dem jetzigen Zustande schaffe das Sachverständigengutachten bei seiner Durchführung eine bedeutsame Besserung. Eine solche erblicke er insbesondere auch in der Beteiligung internationalen Kapitals. Wichtig und entscheidend sei ferner das System der Transferierung. Zwei Möglichkeiten ergäben sich: entweder Deutschland leiste voll und alle Beträge würden transferiert, dann werde sich die Welt bald gegen diese Zahlungen Deutschlands sträuben, oder Deutschland sei nicht in der Lage zu zahlen, dann werde auch die Möglichkeit der Transferierung nicht gegeben sein. Aus diesen Gründen werde zweifellos auch in absehbarer Zeit eine Neuregelung stattfinden müssen. Voraussetzung für die Annahme des Gutachtens sei selbstverständlich die in dem Gutachten selbst vorgesehene Voraussetzung: die Wiederherstellung der fiskalischen und ökonomischen Souveränität. Er verstehe insbesondere auch darunter die Einheit in bezug auf die Verkehrsfrage, die volle Wiederherstellung der verwaltungsrechtlichen Hoheit und die Regelung der Besatzungskosten. Was die letzteren anlange, so glaube er, daß ihre Beschränkung automatisch erfolgen werde, weil sie einbegriffen seien in die Leistungsziffern der einzelnen Jahre. Gleichwohl müsse aber darüber noch eine Klärung herbeigeführt werden, und er glaube, daß diese Frage zweckmäßig bei der Begebung der ersten internationalen Anleihe aufgeworfen werde. Was die Wiederherstellung der fiskalischen und ökonomischen Einheit anlange, so müsse er sagen, es schiene ihm nach einem verlorenen Ruhrkampfe ein anständiger Friede zu sein, der dem Deutschen Reiche die Wiederverfügung über die Wirtschaft und die Eisenbahnen des besetzten Gebiets bringe.

Aus diesen Erwägungen heraus sei er der Meinung, daß man grundsätzlich seine Zustimmung dazu geben sollte, bei diesem Gutachten mitzuwirken. Dem sollte auch in einer Erklärung des Kabinetts Ausdruck gegeben werden. Die Lage sei so, daß die Entscheidung der Reparationskommission wahrscheinlich sehr schnell erfolgen werde. Alle Länder würden voraussichtlich zustimmen. Die Einzeldiskussionen kämen erst hinterher. Angesichts dieser Lage sei es unmöglich, daß das Kabinett im Augenblick die Verantwortung für eine Stellungnahme mit Rücksicht auf die parlamentarische Lage ablehne. Die Reichsregierung dürfe sich jetzt nicht hinter die bevorstehenden Wahlen verstecken.[558] Es sei auch zu beachten, daß der Reichsverband der Deutschen Industrie sich auf den Boden gestellt habe, das Gutachten sei tragbar8.

8

Nach einer WTB-Meldung vom 11. 4. erklärte der Vorsitzende des Präsidiums des RdI, Sorge, gegenüber einem Vertreter der Agentur Reuter: Er sei der Ansicht, daß die Vorschläge der Sachverständigen angenommen werden müßten. „Die Lasten, welche den dt. Industriellen aufgebürdet werden sollen, sind riesig schwer, aber die Vorschläge der Sachverständigen bedeuten einen beträchtlichen Schritt vorwärts gegenüber allen Vorschlägen, die bisher gemacht wurden, vor allem insofern, als sie losgelöst sind von den militärischen und politischen Erwägungen und auf wirtschaftliche Basis sich stellen. Da wir kaum bessere Bedingungen erhalten können, müssen wir sie annehmen.“ Eine Voraussetzung für die Durchführung des Sachverständigen-Gutachtens sei die volle Wiederherstellung der dt. wirtschaftlichen Hoheit in den besetzten Gebieten, insbesondere die Abschaffung der frz.-belg. Eisenbahnregie und der Zollschranken zwischen besetztem und unbesetztem Gebiet (DAZ vom 12. 4., Nr. 175). Vgl. hierzu Luther, Politiker ohne Partei, S. 270 f.

Der Reichskanzler vertagte hierauf die Besprechung auf nachmittag9 und richtete noch die Bitte an die Herren, über die Besprechung nichts in die Presse zu bringen.

9

In der Mittagspause nimmt das Kabinett an der Beisetzung von Hugo Stinnes teil, der am 10. 4. gestorben war.

Wiederbeginn 14.30 Uhr

Der Reichsminister des Auswärtigen erörterte noch auf Wunsch die bestehenden Möglichkeiten für eine Lösung der Frage der Ausgewiesenen und Gefangenen. Was die Frage der Ausgewiesenen anlange, so sei diese nach einer Äußerung des amerikanischen Botschafters10, sobald das Sachverständigengutachten angenommen und seine Voraussetzungen gegeben seien, in die Hand der deutschen Regierung gelegt. Bezüglich der Gefangenen habe Poincaré erklärt, diese Frage stehe im Zusammenhange mit der Lösung der Reparationsfrage. Er sei daher der Meinung, daß an diese Äußerung Poincaré dann erinnert werden sollte, wenn sich die Aussicht böte, einer Verständigung in der Reparationsfrage näherzukommen. Bei Inkrafttreten des Sachverständigengutachtens müßten in der Tat alle Fragen bereinigt sein, die mit der Ruhrbesetzung zusammenhingen. Unzweckmäßig halte er nur, diese Frage bereits jetzt bei der ersten Antwort auf die Note der Reparationskommission11 anzuschneiden.

10

Alanson B. Houghton.

11

S. Anm. 2.

Der Preußische Ministerpräsident war der Meinung, daß es wenig Zweck habe, die Einzelheiten zu diskutieren, da es sich im Augenblick nur darum handle, den modus procedendi zu erörtern, der von der Reichsregierung gegenüber der Anfrage der Reparationskommission eingeschlagen werden solle. Soweit die Interessen der Länder durch das Sachverständigengutachten berührt würden, werde später genügend Anlaß sein, über die Einzelheiten sich zu unterhalten. Es scheine ihm die Lage so zu sein, daß sich die Reichsregierung zu dem Gutachten lediglich in seiner Gesamheit zu äußern habe. Diese Sachlage sei günstig; denn ein Eingehen auf Einzelheiten setze das Gutachten großen Gefahren, insbesondere der Sabotage aus. Für notwendig halte er allerdings, daß bereits bei der ersten Antwort die Auffassung der deutschen Regierung über gewisse Dinge, die unklar seien, mitgegeben werde.

[559] Was das Gutachten materiell angehe, so komme es in der Totalität auf eine Beschränkung unserer Etats- und Steuerhoheit hinaus. Eine weitgehende Wirtschafts- und Finanzkontrolle sei vorgesehen. Ein gewisser Fortschritt liege darin, daß künftig Deutschland nicht mehr in dem Umfange Spielball anderer Nationen sei wie bisher. Die Kommissare würden einen wichtigen Faktor unseres politischen Lebens darstellen. Was die Eisenbahn anlange, so sei durch die vorgesehene Regelung die Eisenbahnhoheit des Reichs ziemlich vollständig beseitigt. Sehr bedenklich sei, daß letzten Endes der Kommissar über die Finanzgebarung zu entscheiden habe. Es müsse versucht werden, bei der Auswahl der Personen den Einfluß des Reiches zu erhalten. Der Einfluß der Länder müsse außerdem verstärkt werden. Die Interessen der Länder, insbesondere in den Tariffragen, müßten gewahrt bleiben. Das vermögensrechtliche Verhältnis zwischen Reich und Ländern müsse geklärt werden. Zu der vorgesehenen Bildung der Aktiengesellschaft sei die Zustimmung der Länder gemäß den bei Übergabe der Eisenbahn an das Reich geschlossenen Staatsverträgen erforderlich12. Die vermögensrechtliche Abfindung13 könne durch Gewährung eines Anteils der Stammaktien an die Länder geschehen. Voraussetzung für jede Zustimmung scheine ihm das Aufhören der Regie im besetzten Gebiet zu sein. Zu klären sei die Bestimmung des Gutachtens, die die Nichtanwendung neuer Steuern auf die Eisenbahn-A.G. vorsehe14. Die Frage sei, ob damit auch die Neuanwendung alter Steuern auf die Eisenbahn-A.G. ausgeschlossen sein solle. Dieser Auslegung müsse er sich widersetzen.

12

S. das Gesetz betr. den Staatsvertrag über den Übergang der Staatseisenbahnen auf das Reich vom 30.4.20 (RGBl. 1920, S. 773  ff.). § 8 lautet: „Zu einer Veräußerung oder Verpfändung der durch diesen Vertrag erworbenen Eisenbahnen bedarf das Reich der Zustimmung der Landesregierungen.“ Hierauf Bezug nehmend bestimmt das Sachverständigen-Gutachten: „Da nach dem dt. Gesetz von 1920 die Zustimmung der dt. Länder zu jeder Veräußerung oder Belastung der dt. RB nötig ist, soll die Dt. Reg. in dieser Beziehung alle erforderlichen Vereinbarungen mit den beteiligten Ländern treffen.“ (S. 126).

13

Zur Abfindung, die das Reich den Ländern für die Übertragung der Staatseisenbahnen zu gewähren hat, vgl. die §§ 3–7 des Gesetzes über den Staatsvertrag (Anm. 12).

14

Nach dem Sachverständigen-Gutachten soll das Gesetz, das die Übertragung des Eisenbahnbetriebs auf die zu schaffende RB-Gesellschaft regeln wird, eine Vorschrift enthalten, wonach „weder das Reich, die Länder noch irgendeine öffentliche Behörde der Eisenbahngesellschaft irgendeine neue direkte Steuer auferlegen darf“ (S. 126).

Daß mit dem Sachverständigengutachten eine Endlösung nicht gegeben sei, scheine ihm nicht ungünstig zu sein. Bei der Einstellung der Sachverständigen sei zu befürchten gewesen, daß die Endsumme sehr hoch ausgefallen wäre. Allerdings müsse der Endpunkt für die Leistungen in nicht allzu ferner Zeit festgesetzt werden. Bezüglich der Tragbarkeit der auferlegten Leistungen und ihrer Wirkungen auf das Ausland sei er der gleichen Auffassung wie der Reichsminister der Finanzen und der Reichsminister des Auswärtigen. Die politische Seite brauche im Augenblick noch nicht allzu stark in den Vordergrund gestellt zu werden. Notwendig aber sei, daß die Unklarheiten des Sachverständigengutachtens in dieser Richtung beseitigt würden. Es müsse der Meinung Ausdruck gegeben werden, daß die Verwaltungshoheit im vollen Umfange wiederherzustellen sei. Damit hänge dann auch die Frage der Rückkehr der[560] Ausgewiesenen und Gefangenen zusammen. Die volle Bereinigung dieser Fragen müsse als eine Selbstverständlichkeit hingestellt werden.

Der Bayerische Ministerpräsident führte aus, daß er nur für seine Person sprechen könne, da es ihm bei der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen wäre, das Gesamtministerium vorher zu befragen. Vor einer endgültigen Stellungnahme werde es auch notwendig sein, den Landtag, der augenblicklich noch nicht zusammengetreten sei, zu hören. Er verstehe aber, daß Eile geboten sei, nachdem die Reparationskommission mit einer Entschließung an die Deutsche Regierung herangetreten sei. Dabei sei wesentlich, daß es im Augenblick noch nicht erforderlich wäre, zu Einzelfragen Stellung zu nehmen. Auch sei nicht erforderlich, heute bereits zu sagen: „Wir nehmen das Gutachten an.“ Von der Deutschen Regierung werde nur eine Erklärung verlangt, auf dem Boden der Vorschläge der Sachverständigen mitzuarbeiten. Einer solchen Erklärung könnten wir uns nicht entschlagen. Deutschland müsse unter allen Umständen vermeiden, wiederum als böswilliger Schuldner hingestellt zu werden. Wenn das Sachverständigengutachten scheitere, dann dürfe unter keinen Umständen Deutschland mit dem Vorwurf belastet sein, die Durchführung des Gutachtens unmöglich gemacht zu haben. Wenn also jetzt die vorliegende Frage der Reparationskommission nicht mit einem glatten „Nein“ beantwortet werden könnte, so müßten andererseits bei der späteren Mitarbeit alle Bemühungen der Deutschen Regierung darauf gerichtet sein, eine Verbesserung des Sachverständigengutachtens zugunsten Deutschlands herbeizuführen.

Was den Inhalt des Sachverständigengutachtens anbelangt, so glaube er, daß bei einer etwaigen Durchführung größter Wert auf die Auswahl derjenigen Personen gelegt werden müßte, in deren Hände der Vollzug gegeben würde. Daß die Deutsche Regierung dabei gewisse Einflußmöglichkeiten habe, betrachte er als Vorzug des Gutachtens. Ein weiterer Vorzug bedeute das, wenn auch stark abgeschwächte, Moratorium. Ein größerer Vorzug sei darin zu erblicken, daß alles auf eine Gesamtleistung abgestellt sei15. Er dürfe wohl annehmen, daß bei einer etwaigen Durchführung alle Sonderleistungen, insbesondere die Leistungen aus den Micum-Verträgen, aufhörten. Unter der als Voraussetzung bezeichneten Wiederherstellung der fiskalischen und ökonomischen Hoheit könne man sich Verschiedenes vorstellen. Dem Deutschen Reiche sei nicht damit gedient, wenn damit lediglich die Wiederherstellung der fiskalischen Souveränität im engsten Sinne gemeint sei. Entscheidendes Gewicht müsse vielmehr auf die volle Wiederherstellung der Verwaltungshoheit gelegt werden. Die Besetzung im rechtsrheinischen Gebiet müsse aufhören. Es würde unerträglich sein, wenn sich die fremden Mächte weiterhin Rechte anmaßten, die außerhalb des Vertrages ständen, während Deutschland durch Annahme des Sachverständigengutachtens sogar Leistungen übernommen hätte, die über das hinausgingen, was im Versailler Vertrage stände. Ihm scheine eine ausreichende Wiederherstellung der Verwaltungs- und wirtschaftlichen Hoheit ohne die Beseitigung der Besetzung im rechtsrheinischen Gebiet nicht möglich zu sein. Ohne Aufstellung dieser Forderung sei die Aufnahme von Verhandlungen nicht möglich.

15

S. Anm. 6.

[561] Eine sehr mißliche Lage ergebe sich für Bayern und für jedes andere Eisenbahnland aus der Einbeziehung der Reichsbahn in das Pfandsystem. Diese Regelung bedeute eine außerordentliche Verschlechterung der Rechtslage der Länder gegenüber dem Reich. Er müsse erklären, daß Bayern sich heute über die Frage der Eisenbahn im einzelnen noch nicht äußern könne. Er müsse aber für Bayern bereits heute alle Rechte aus dem Staatsvertrage vorbehalten. Insbesondere mache er darauf aufmerksam, daß zu einer Übertragung der Eisenbahn auf eine Aktien-Gesellschaft, wie vorgesehen, die Zustimmung der Länder erforderlich sei. Die Bayerische Regierung und der Landtag würden zu dieser Frage besonders Stellung nehmen müssen. Größte Bedenken habe er bezüglich der Tarifhoheit und der Gestaltung der Tarife. Er fürchte, daß künftig die Eigenheiten der Länder nicht mehr genügend Berücksichtigung finden würden. Eine große Gefahr erblicke er in der Möglichkeit der Verteilung der Vorzugsaktien. Geregelt werden müsse auch die künftige Stellung der Eisenbahnbeamten. Es seien Vorkehrungen zur Wahrung ihrer Rechte zu treffen. Die Nichtfestsetzung einer Endsumme werde die Kreditfähigkeit Deutschlands im Auslande außerordentlich schwächen. Klargestellt werden müsse schließlich noch die Frage, von wann an die Fristen der Besatzung zu laufen begonnen hätten.

Der Reichskanzler äußerte, daß er mit Exzellenz von Knilling bedauere, daß es der Reichsregierung nicht möglich gewesen wäre, die Schriftstücke früher in die Hände der Regierungen der Länder gelangen zu lassen16. Die Reichsregierung sei aber selbst erst sehr spät in deren Besitz gekommen. Die etwas übereilte Besprechung habe infolge der Note der Reparationskommission anberaumt werden müssen. Exzellenz von Knilling habe recht, wenn er feststelle, daß es zunächst sich nur darum handele, unsere Mitarbeit an den Plänen der Sachverständigen zuzusagen oder abzulehnen. Es werde gut sein, wenn wir uns bei unserer Antwort an den Wortlaut der Note der Reparationskommission hielten. Die Frage sei ferner, ob Delegierte entsandt werden sollten, oder ob die Deutsche Regierung schriftlich antworte. Es seien in der Diskussion eine Reihe von Fragen angedeutet worden, die mit der Reparationskommission durchgesprochen werden müßten. In der Note der Reparationskommission sei aber zunächst nur von einem Anhören der Delegierten der Reichsregierung die Rede. Verhandlungen seien nicht vorgesehen. Er glaube daher, daß es nicht vorteilhaft sei, jetzt schon Verhandlungsthemen anzuregen und glaube, daß es infolgedessen auch unzweckmäßig sei, Delegierte zu entsenden.

16

Der vollständige Text des Sachverständigen-Gutachtens konnte den Länderregierungen erst kurz vor der Besprechung zugestellt werden.

Das Sächs. Mitglied des Reichsrats Dr. Poetzsch entschuldigte den Sächs. Ministerpräsidenten17, der an der Nachmittagssitzung leider nicht mehr habe teilnehmen können. Der Sächs. Ministerpräsident stimme im allgemeinen den Andeutungen über das beabsichtigte Vorgehen zu. Wünschenswert sei eine Aufklärung über folgende Punkte:

17

Heldt.

1.

In der Regelung der Verzinsung und Amortisation der Industrie- und Eisenbahnobligationen könnte eine Andeutung dafür erblickt werden, daß [562] den Sachverständigen eine Endsumme vorgeschwebt habe. Sei vielleicht bekannt, ob die vorgesehene Normaljahresleistung von 2,5 Milliarden ebenfalls die Verzinsung und Amortisation einer Gesamtsumme darstellen solle?

2.

Unter den Garantien und Kontrollbestimmungen seien Ergänzungen der Kontrolle, insbesondere auch Wiederanwendung von Sanktionen vorgesehen18. Liege in einer Annahme dieser Bestimmung nicht eine Rechtfertigung von Maßnahmen, gegen die wir uns bisher stets gesträubt hätten?

3.

Bei einem Verkauf der Vorzugsaktien der Eisenbahn sei eine Vertretung dieser Aktionäre im Verwaltungsrat vorgesehen. Es scheine ihm dabei das Deutschtum dieser Vertreter, insbesondere aber auch das Deutschtum des Vorsitzenden des Verwaltungsrats nicht sichergestellt zu sein.

4.

Das vorgesehene Übertragungssystem regele nur die Unmöglichkeit der Übertragung, aber nicht die Unmöglichkeit der Aufbringung der Leistungen. Liege bereits ein offensichtliches Versäumnis vor, wenn die tatsächliche Aufbringung der vorgesehenen Leistungen nicht möglich wäre?

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Vgl. Sachverständigen-Gutachten, S. 4 f. (III. Militärische Gesichtspunkte. Etwaige Strafmaßnahmen und Sicherheiten).

Der Württembergische Staatspräsident (Rau) wünschte, daß die Sicherung für die Befreiung von Rhein und Ruhr größer wäre als der Reichsaußenminister mitgeteilt habe. Eine gewisse Sicherung erblicke er allerdings auch darin, daß Gesamtleistungen in dem Zahlungsprogramm vorgesehen seien. Eine besondere Belastung für die Länder bilde die Frage der Eisenbahn. Er müsse sich hier, wie Bayern, alle Rechte aus dem Staatsvertrage vorbehalten. Eine große Gefahr erblicke er für Württemberg in der künftigen Tarifpolitik der Aktiengesellschaft. Es sei zu befürchten, daß im Anschluß an eine unrichtige Tarifpolitik eine Umschichtung der gesamten Industrie vor sich gehe in der Richtung, daß sie sich immer mehr und mehr den Rohstofflägern nähere. Das würde für Württemberg einen ganz ungeheuren Schaden bedeuten. Eine Ablehnung der Mitarbeit an den Vorschlägen der Sachverständigen werde nicht möglich sein. Er bedaure jedoch, daß diese Mitarbeit nur in der Form der Anhörung stattfinden solle.

Der Reichsminister des Auswärtigen teilte mit, daß hinsichtlich der Frage, ob Delegierte entsandt werden sollen oder schriftlich geantwortet werde, Beschlüsse noch nicht gefaßt worden seien. Er glaube aber, daß es richtig sei, schriftlich zu antworten und dabei lediglich zum Ausdruck zu bringen, daß die Deutsche Regierung das Schreiben empfangen habe, das Gutachten ebenfalls als Grundlage von Verhandlungen ansehe und bereit sei, daran mitzuarbeiten.

Was die von Bayern aufgeworfene Frage der Fristen der Besetzung betreffe, so sei auch seiner Meinung nach die Ungewißheit darüber auf die Dauer untragbar. Er halte es aber für richtig, diese Frage nicht sofort bei der Antwort auf die Note der Reparationskommission vorzubringen, sondern erst im Anschluß an ein abgeschlossenes Abkommen, wobei zum Ausdruck gebracht werden[563] müsse, daß die Fristen selbstverständlich so liefen, wie wir sie auffaßten. Mit Württemberg sei er der Meinung, daß alle politischen Fragen bereinigt werden müßten. Diese Dinge würden aber zweckmäßigerweise erst im Laufe der Verhandlungen vorgebracht werden, und es werde dann alles geschehen, was in der Kraft der Reichsregierung läge.

Der Reichsverkehrsminister führte aus, daß die Sachlage nicht so wäre, als ob von der Reichsregierung ein Vorschlag gemacht worden wäre, sondern der Vorschlag komme von der Seite der Alliierten. Bei der Überprüfung dieser Vorschläge müsse das Ziel der Befreiuung von Rhein, Ruhr und Pfalz im Auge behalten werden. Alle Fragen, die die Länder angingen, würden seitens der Reichsregierung selbstverständlich mit dem Ziel einer Verständigung geprüft werden. Was die Tarifhoheit anlange, so werde angestrebt werden, in der Tarifgestaltung so lange frei zu sein, als die Reichsbahn mit ihren Verpflichtungen nicht in Verzug gerate. Abgelehnt werden müßte unter allen Umständen das Hineinbringen einer Tendenz, die die Ausnahmetarife beseitigen wolle. Der Zweifel Sachsens bezüglich des Vorsitzenden und der Mitglieder des Verwaltungsrats im Falle des Verkaufs von Vorzugsaktien müsse geklärt werden. Die Frage Preußens, ob die neue Eisenbahn-A.G. den bestehenden Steuern unterworfen werden könne, sei aus dem Gutachten nicht mit Sicherheit zu beantworten. Was die Stellung der Beamten in der neuen A.G. anlange, so wäre vielleicht ein Weg einzuschlagen, der dem von der Reichsbank eingeschlagenen entspräche. Die Rechte der Länder aus den bei Übergang der Eisenbahn an das Reich geschlossenen Staatsverträgen blieben zunächst unberührt. Über die Höhe der Abfindung müßten allerdings Verhandlungen geführt werden, die jedoch nicht sein Ressort, sondern das des Reichsministers der Finanzen angingen.

Bürgermeister Petersen erblickte in dem Gutachten gleichsam eine Weichenstellung, die die Reparationsfrage von dem politischen Gleise auf das wirtschaftliche Gleis führe. Entscheidend sei das Eingreifen Amerikas. Gegenüber diesen beiden Momenten verlören alle Sorgen der Länder und alle Einzelheiten an Schwergewicht. Er sei der Meinung, daß die Note der Reparationskommission mit einem glatten Ja beantwortet werden müßte, und zwar habe diese Antwort schriftlich zu geschehen. Protest müsse er dagegen erheben, daß seitens derjenigen Länder, die früher Eisenbahnländer gewesen seien, diese Gelegenheit benutzt werde, um ihrerseits Ansprüche gegenüber dem Reich anzumelden. Es handle sich hier um eine deutsche Frage, die alle angehe, und er könne bei dieser staatsrechtlichen Frage keinen Unterschied machen zwischen Ländern, die früher Eisenbahnen gehabt hätten und solchen, die keine gehabt hätten.

Der Badische Staatspräsident (Köhler) gab der Auffassung Ausdruck, daß das Gutachten eine Grundlage bilde, um zu einer Entscheidung zu gelangen. Allerdings müsse man sich dabei von vornherein klar sein, daß eine Mitarbeit zu einem positiven Ziel zu führen habe. Ein neuer Finanzausgleich zwischen Reich und Ländern werde notwendig werden. Bezüglich der Eisenbahnfrage müsse er sich trotz des Protestes des Bürgermeisters Petersen der Auffassung Preußens und Bayerns anschließen. Die Verhandlungen über diese Frage zwischen Reich und Ländern sollten möglichst beschleunigt werden.

[564] Der Hessische Finanzminister (Henrich) erblickte in der Nichtregelung der politischen Fragen in dem Gutachten große Gefahren für die Zukunft. Es werde notwendig sein, diesen Gefahren durch Klarstellung entgegenzutreten. In der Eisenbahnfrage wandte er sich ebenfalls gegen den Protest des Bürgermeisters Petersen. Der neue Finanzausgleich zwischen Reich und Ländern müsse so bald wie möglich herbeigeführt werden.

Der Vorsitzende des Thüringischen Staatsministeriums (Leutheußer) war ebenfalls der Meinung, daß die deutsche Regierung verpflichtet sei, auf der Grundlage des Sachverständigen-Gutachtens zu verhandeln. Wünschenswert erschien ihm, daß über das dem deutschen Volk aufzuerlegende Maß der Gesamtleistung gewisse Grenzen festgelegt würden. Festzulegen seien außerdem die Folgen, die bei der Unmöglichkeit der Leistungen eintreten können. Die Gefahr einseitiger Sanktionen dürfe nicht über dem deutschen Volke schweben. Eine Leistung, die nicht erfüllt werden könne, dürfe nicht zugesagt werden.

Der Reichsminister der Finanzen erwiderte, daß er sich über den neuen Finanzausgleich noch keine bestimmten Vorstellungen gemacht habe. Richtig sei, daß mit Rücksicht auf die Leistungen, die in dem Sachverständigen-Gutachten vom Reich gefordert würden, ein neuer Finanzausgleich notwendig werde, der diese Leistungen auf die Länder verteile.

Die Frage der Eisenbahn heute zu erörtern, hielte er für unmöglich. Diese gehöre zu den großen Fragen, die Gegenstand der Verhandlungen mit den Ländern sein müßten. Die Aufwertungsfrage spiele dabei eine besondere Rolle. Über die Höhe der Gutschrift bei einem Verkauf von Obligationen sei in dem Gutachten eine bestimmte Regelung nicht getroffen. Die Frage, was geschehen werde, falls Deutschland die geforderten Zahlungen nicht aufbringe, lasse sich an Hand des Gutachtens mit Bestimmtheit nicht beantworten.

Frhr. v. Brandenstein (Mecklenburg-Schwerin) wandte sich gegen den Optimismus des Bürgermeisters Petersen. Die Vorschläge des Gutachtens brächten dem deutschen Volke eine dauernde politische und wirtschaftliche Versklavung; gleichwohl müsse gegenüber den bestehenden Verhältnissen in ihnen ein gewisser Fortschritt erblickt werden. Daher sei es richtig, zunächst den Weg der Verhandlungen zu beschreiten. Notwendig sei die Erfüllung der Voraussetzungen des Sachverständigen-Gutachtens, namentlich die Sicherung der deutschen Verwaltungseinheit19.

19

Am 26. 4. richtet der Vertreter Mecklenburg-Schwerins bei der RReg., MinDir. Tischbein, ein Schreiben an den StSRkei, in dem es heißt: Die dem MdR v. Graefe nahestehende „Mecklenburger Warte“ habe über die Haltung des MinPräs. Frhr. v. Brandenstein in der Sitzung mit den Ministerpräsidenten der Länder vom 14. 4. unzutreffende Mitteilungen veröffentlicht. v. Brandenstein lege Wert darauf zu betonen, „daß er in der Sitzung vom 14. d. M. ausdrücklich sich nur damit einverstanden erklärt hat, daß deutscherseits in eine Besprechung über das Sachverständigengutachten eingetreten werde; irgendeiner endgültigen Entschließung aber hat der Herr Ministerpräsident nicht zugestimmt, er hat vielmehr weitestgehende Bedenken geltend gemacht, deren Beseitigung unbedingt erforderlich sei, ehe über die Sache selbst verhandelt werden könne.“ (R 43 I /41 , Bl. 305). In einer Unterredung mit Kempner in der Rkei am 28. 4. kommt Tischbein nochmals auf die „schwierige Lage“ zu sprechen, in die v. Brandenstein wegen seiner Stellungnahme zum Sachverständigen-Gutachten durch „die Anzapfungen seitens der Deutschvölkischen in Mecklenburg“ geraten sei. Tischbein teilt hierbei mit, v. Brandenstein hege die „schwersten Bedenken […] gegen jegliches Vorgehen der RReg., das eine Bindung des neuen Reichstages, der neuen Reichsregierung und der Länderregierungen in der Frage des Sachverständigen-Gutachtens bedeuten könnte, worunter nach Ansicht Herrn v. Brandensteins auch eine Vorlage von Gesetz- oder Verordnungsentwürfen bei der Repko fiele.“ (Aufzeichnung Kempners vom 28. 4. in R 43 I /41 , Bl. 306). Trotzdem beantragen die Deutschvölkischen im mecklenburgischen LT am 6. 5. ein Mißtrauensvotum gegen den MinPräs. v. Brandenstein wegen dessen Haltung zum Sachverständigen-Gutachten auf der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin vom 14. 4. Das Mißtrauensvotum wird mit den Stimmen der Deutschvölkischen, der Sozialdemokraten und Kommunisten angenommen. Daraufhin tritt das gesamte Ministerium zurück, wird aber am 7. 5. wiedergewählt (vgl. Schultheß 1924, S. 34 f.).

[565] Der Preußische Ministerpräsident wandte sich gegen den Bürgermeister Petersen und glaubte, daß zu dessen Protest eine Veranlassung nicht vorgelegen habe. Die Staatsverträge zwischen dem Reich und den Ländern beständen noch, und die Wahrnehmung der Rechte aus diesen Verträgen läge ebenso im Interesse der Länder wie im Interesse des Reichs und im deutschen Interesse.

Der Reichskanzler dankte für die Äußerungen. Die Reichsregierung sei sich voll und ganz der Schwere der Verantwortung bewußt. Jeder Schritt werde ernstlich geprüft werden. Die Befreiuung der Gefangenen, die Rückkehr der Ausgewiesenen, sowie die Befreiung von Rhein und Ruhr seien Herzenswunsch des ganzen deutschen Volkes, und die Reichsregierung werde jede mögliche Gelegenheit benutzen, diese Fragen zur Erörterung zu bringen.

Es sei darauf hingewiesen worden, daß eine Aussprache wie die heutige in möglichst naher Zeit wieder stattfinden solle. Er könne diese mit Sicherheit in Aussicht stellen. Viel Arbeit werde noch bis zu einer endgültigen Regelung zu leisten sein, und es würde sich noch manche Rücksprache vor weittragenden Entschlüssen notwendig machen.

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