2.191.3 (ma11p): 3. Vorfall in der russischen Handelsvertretung.

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3. Vorfall in der russischen Handelsvertretung.

Der Reichsminister des Auswärtigen berichtete über eine Haussuchung in der russischen Handelsvertretung in Berlin durch deutsche Polizeiorgane. Er sei durch diesen Vorfall vollkommen überrascht und müsse darauf hinweisen, daß ernste politische Komplikationen sich daraus entwickeln könnten.

Staatssekretär Bracht berichtete nach Einholung fernmündlicher Auskunft über den Verlauf des Vorfalls sowie insbesondere darüber, daß die Befreiung eines deutschen Gefangenen und die Festhaltung deutscher Kriminalbeamter in den Räumen der russischen Handelsvertretung die Veranlassung zum Vorgehen der Polizei gegeben habe8.

8

Nach einer WTB-Meldung wurde die Haussuchung in der sowj. Handelsvertretung durch Berliner Polizei am 3. 5. durch folgenden Vorfall veranlaßt: „Der vom Staatsgerichtshof zum Schutz der Republik gesuchte Kommunist Bozenhardt, der Angestellter der russ. Handelsvertretung ist, war in Württemberg festgenommen worden und sollte gemäß den Weisungen des Untersuchungsrichters von Württemberg nach Pommern verbracht werden. Beim Durchtransport durch Berlin veranlaßte der festgenommene Bozenhardt die beiden württ. Polizeibeamten, das Gebäude der Handelsvertretung in der Lindenstr. aufzusuchen, und zwar wurde den ortsunkundigen württ. Beamten vorgespielt, daß sich in diesem Gebäude ein Café befinde, in dem eine kleine Erfrischung eingenommen werden sollte. Nach Eintritt in das Gebäude befreite sich B. unter Beihilfe mehrerer Angestellter der Handelsvertretung. Die württ. Beamten selbst wurden von den Angestellten der Handelsvertretung einige Zeit hindurch festgehalten.“ Die nach diesem Vorfall von der Berliner politischen Polizei vorgenommene Durchsuchung führte zur Festnahme von insgesamt acht Angestellten der Handelsvertretung, und zwar wegen Gefangenenbefreiung, Freiheitsberaubung, Widerstandes gegen die Staatsgewalt bzw. Paßvergehens. – Die sowj. Botschaft gibt folgende Darstellung des Zwischenfalles: „Heute [3. 5.] gegen 12 Uhr ist ein großes Aufgebot von Schutz- und Geheimpolizei in das exterritoriale Gebäude der Handelsvertretung, Lindenstr. 22, eingedrungen. Die Büroräume wurden besetzt, das Personal wurde auf den Hof getrieben. Schreibtische und Schränke wurden mit Bajonetten gewaltsam erbrochen und durchsucht. Selbst die dem diplomatischen Korps angehörenden Leiter der Handelsvertretung wurden in brutaler Weise in ihrer Bewegungsfreiheit behindert. Einem von ihnen wurde der Diplomatenausweis abgenommen. Einige Beamte wurden tätlich mißhandelt; mehrere wurden verhaftet und in Handschellen in das Polizeipräsidium übergeführt. Die Aktion wurde von ORegR Weiß persönlich geleitet. […] Die Botschaft betrachtet dieses Vorgehen der Behörde als eine unerhörte Verletzung der Exterritorialität und aller völkerrechtlichen und diplomatischen Gebräuche.“ (nach DAZ Nr. 209 vom 4. 5.; hier auch der Wortlaut einer Note des AA vom 3. 5.; Zusammenfassung in Schultheß 1924, S. 32).

Der Reichsminister des Auswärtigen nahm von der Meldung Kenntnis und begab sich zum Empfang des russischen Botschafters9.

9
 

S. die Aufzeichnung Stresemanns über seine Unterredung mit dem sowj. Botschafter Krestinski am 3. 5. sowie die ergänzende Aufzeichnung seines Privatsekretärs Bernhard in: Stresemann, Vermächtnis I, S. 401 ff.

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