2.29.1 (ma11p): Rheinische Goldnotenbank.

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Rheinische Goldnotenbank.

Der Reichskanzler eröffnete die Sitzung.

Geheimrat Hagen berichtete über die rheinische Goldnotenbank. Er führte aus, daß allgemein der Standpunkt vertreten werde, daß man ohne Goldnotenbank nicht auskommen könne. Jegliche Industrie im besetzten Gebiet habe die Goldnotenbank nötig. Man werde mit ihrer Hilfe ausländisches Kapital ins besetzte Gebiet hereinbekommen. Zwar werde die Goldnotenbank allein nicht alle erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen können, aber in der Goldnotenbank seien die größten französischen und belgischen Banken vertreten, und es würde der Industrie auf diese Weise leichter möglich werden, von diesen ausländischen Banken die unbedingt notwendigen Kredite zu erhalten. Wenn man jetzt nach allen Verhandlungen mit den ausländischen Banken die Verhandlungen abbrechen sollte, dann würde man nicht das notwendige ausländische Kapital ins besetzte Gebiet hereinbekommen. Tirard sei tatsächlich dem besetzten Gebiet auch sehr entgegengekommen, indem er die Fundierung der Rentenmark im besetzten Gebiet Zug um Zug gegen die Genehmigung der Goldnotenbank durch die Reichsregierung zugesagt habe. Er, Hagen, bitte die Reichsregierung dringend, die anwesenden Vertreter des besetzten Gebiets in der Errichtung der rheinischen Goldnotenbank nicht weiter zu stören. Es sei selbstverständlich, daß die Vertreter des besetzten Gebiets sich nur als Deutsche fühlten und die deutschen Interessen in keiner Weise vernachlässigen würden.

Pferdmenges: Auch er müsse vorausschicken, daß er und seine Freunde gute Deutsche seien und daß sie nichts gegen das vaterländische Interesse unternehmen würden. Sie hätten die stillschweigende Zustimmung der Reichsregierung zu Verhandlungen mit Tirard in der Frage der Goldnotenbank erbeten und auch erhalten. Sie seien jedoch den häßlichsten Angriffen in der Presse ausgesetzt und als Vaterlandsverräter gebrandmarkt worden. Die Goldnotenbank[121] sei unbedingt notwendig. Die Goldanleihe2 halte er für ein sehr schlechtes und gefährliches Geld. Man müsse am Rhein ein wirklich wertbeständiges Geld schaffen und Kredite aus dem Auslande herüberholen. Ohne fremdes Kapital könne die Wirtschaft in Deutschland unmöglich wieder in Gang gebracht werden. Notwendig sei entweder ein Kapitalimport oder ein Menschenexport. Politik habe die Kölner Bankenvereinigung niemals treiben wollen und auch nicht getrieben. Er glaube, daß die rheinische Goldnotenbank in einer zukünftigen zentralen deutschen Goldnotenbank aufgehen könne. Irgendwelche Gefahren seien in keiner Weise vorhanden, denn die deutsche Gruppe könne die Bank jederzeit praktisch zum Stillstand bringen, indem sie allen Anträgen der fremden Gruppe die Zustimmung versage und auf diese Weise eine Majorität unmöglich mache. Man dürfe nicht verkennen, daß die Verhandlungen mit den französischen Banken über die Frage einer Beteiligung an der rheinischen Goldnotenbank erheblich zu einer Besserung in der politischen Atmosphäre beigetragen hätten. Er bitte die Reichsregierung dringend, die Genehmigung zu erteilen.

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Ausgegeben auf Grund des „Gesetzes über die Sicherung und die steuerliche Behandlung einer wertbeständigen Anleihe des Dt. Reiches“ vom 14.8.23 (RGBl. I, S. 777 ). Die kleinen Stücke dieser sog. Goldanleihe, die vor der Ausgabe der Rentenmark in den Verkehr gebracht wurden, dienten als wertbeständige Zahlungsmittel.

Freiherr v. Schröder: Die geplante Goldnote sei ein Notgeld. Die Einlösbarkeit des Geldes sei nach dem Statut vollkommen sichergestellt. Wenn das Ausland sich mit nennenswertem Kapital an der Bank beteilige, dann wolle es auch mitreden. Bei allen wichtigen Fragen sei nach dem Statut eine Mehrheit von ⅔ erforderlich. Die deutsche Gruppe könne alles verhindern, was den deutschen Interessen zuwiderlaufe. Die Aktien sollten nach dem Statut nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats übertragbar sein. Ausgeschlossen sei nach dem Statut jedes Kreditgeschäft mit Staat, Ländern und Gemeinden, weil sonst das Vertrauen zu der Bank erschüttert werden würde. Vorgesehen sei eine effektive Dollardeckung in Höhe von 75%. Man plane die Schaffung von Scheidemünzen in Höhe von 1, 5 und 10 Mark3. Die neue Note solle wahrscheinlich die Bezeichnung „Rheinmark“ erhalten und auf 1/10 oder 1/20 Dollar abgestellt werden. 20% des Reingewinnes sollten in den gesetzlichen Reservefonds abgeführt werden, außerdem solle ein außerordentlicher Reservefonds geschaffen werden, bis beide Fonds zusammen 50% des Grundkapitals erreichten. Vorgesehen sei eine wöchentliche Aufstellung der Aktiva und Passiva. In dem Aufsichtsrat sollten zur Hälfte Herren der deutschen und zur Hälfte Herren der fremden Gruppe vertreten sein. Dem engeren Ausschuß des Aufsichtsrats würden ein Herr der deutschen und zwei Herren der fremden Gruppe angehören.

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§ 8 des Statutenentwurfs (Dok. Nr. 27, Anm. 1) lautet: „Die Bank hat das Recht, Rheinmark-Noten, auf den Inhaber lautend, auszugeben; diese Noten dürfen nur auf Beträge von 1, 2, 5, 10, 20, 50, 100, 500 und 1000 Rheinmark ausgefertigt werden. […] Ferner ist sie berechtigt, Scheidemünzen in Beträgen von 1, 5, 10 und 50 Rheinpfennigen auszugeben.“

Freiherr v. Oppenheim: Den Vorwurf, daß das geplante Geld zu gut sei, müsse er zurückweisen. Das Geld könne gar nicht gut genug sein. Wenn die[122] Reichsregierung die Bank nicht genehmige, dann werde eine andere Goldnotenbank gegründet werden mit Hilfe von Elementen, die die deutschen Interessen nicht vertreten würden.

Stinnes: Die Arbeiter könnten mit Rentenmark gelöhnt werden, deren Zulassung im besetzten Gebiet Tirard zugesagt habe. Für die deutschen Beziehungen mit dem Auslande sei eine gute Währung nötig. Er stimme mit den Bankiers nicht ganz überein. Er sei der Ansicht, daß eine deutsche Beteiligung in Höhe von 55% besser gewesen wäre als die jetzt vorgesehene deutsche Beteiligung in Höhe von 50%. Immerhin sei das ausländische Angebot relativ günstig, und er bitte dringend darum, die Genehmigung der Goldnotenbank nicht zu versagen. Die Aufnahme der rheinischen Goldnotenbank in eine künftig zu schaffende deutsche zentrale Goldnotenbank dürfe man natürlich nicht unmöglich machen. Außerordentlich wichtig aber sei, daß die Wirtschaft ausländische Kredite erhalte. Er habe erst kürzlich mit Amerikanern in Kreditverhandlungen gestanden. Diese hätten erklärt, Kredite könnten von ihnen erst nach einer Verständigung Deutschlands mit Frankreich über das Reparationsproblem gegeben werden. Durch die rheinische Goldnotenbank eröffne sich für die deutsche Wirtschaft die Aussicht, in absehbarer Zeit ausländische Kredite zu erhalten.

Geheimrat Hagen: Die Frage, ob die rheinische Goldnotenbank in der künftig zu gründenden deutschen zentralen Notenbank aufgehen werde, brauche jetzt noch nicht geordnet zu werden. Man werde eine zentrale deutsche Goldnotenbank doch erst nach Lösung der Reparationsfrage schaffen können. Im übrigen könne er auf diese Frage bei seinen Verhandlungen mit den Franzosen leicht zurückkommen.

Der Vizekanzler wies darauf hin, daß diese Frage von ganz besonderer Bedeutung sei.

Grone: Die Lage im besetzten Gebiet habe sich in letzter Zeit etwas gebessert. Die Arbeitszeit sei verlängert. Die Preise seien etwas heruntergegangen. Ein wirklich wertbeständiges Geld sei jedoch unbedingt erforderlich. Dieses müsse auch den Arbeitern gegeben werden.

Der Reichsarbeitsminister machte darauf aufmerksam, daß er stets für eine Verlängerung der Arbeitszeit eingetreten sei. Er bitte jedoch dringend, nunmehr den Arbeitern auch in der Lohnfrage Entgegenkommen zu zeigen.

Ministerialdirektor Bail wies auf gewisse Bedenken hin, die in der Frage der rheinischen Goldnotenbank auftauchen könnten. Die Währungseinheit in Deutschland werde zerstört werden. Die Reichsbank hege die Befürchtung, daß sie eventuell ihre Tätigkeit im besetzten Gebiet aufgeben müsse4. Die Genehmigung der rheinischen Goldnotenbank bedeute, daß das französische Kapital einen entscheidenden Einfluß im besetzten Gebiet gewinnen werde. Sehr[123] wichtig sei die Frage, ob Länder und Gemeinden in der Lage sein würden, ihre Ausgaben im besetzten Gebiet zu bestreiten.

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In einer ersten Stellungnahme bezeichnet das Rbk-Direktorium das Projekt der rhein. Goldnotenbank als „überaus gefährlich“ für die Entwicklung der Währung und der Volkswirtschaft. „Soweit wir übersehen können, würde es überdies einen schweren Eingriff in die Rechte und Privilegien der Rbk enthalten, ja vielleicht die weitere Betätigung der Rbk im besetzten Gebiet unmöglich machen.“ (Rbk-Direktorium an RK, 17.12.23, in R 43 I /2442 , Bl. 4).

Stinnes: Er gebe ohne weiteres zu, daß die geplante Lösung nicht restlos befriedigend sei. Die Lage im besetzten Gebiet sei jedoch derartig, daß kein anderer Ausweg bleibe, als die Goldnotenbank umgehend zu schaffen. Wenn heute am Mittelrhein über die zukünftige politische Gestaltung abgestimmt würde, dann würde die Mehrzahl der Bevölkerung gegen Deutschland abstimmen. Die Einheit, auf die die Rheinmark abgestellt würde, müsse niedriger sein als die Einheit der konkurrierenden Nachbarstaaten, nämlich Frankreichs, der Schweiz und auch Österreichs.

Pferdmenges: Es werde sich erreichen lassen, daß die rheinische Goldnotenbank in einer künftigen deutschen Goldnotenbank aufgehe. Diese Frage sei jedoch zur Zeit nicht von großer Bedeutung, da eine deutsche zentrale Notenbank vor Klärung der Reparationsfrage nicht in Betracht komme.

Die Gemeinden würden sich nicht anders helfen können, als daß sie die Steuerschraube nach Kräften anzögen.

Auf Frage des Vizekanzlers teilte Frhr. v. Schröder mit, daß die effektive rheinische Note nach ungefähr 6 Wochen in den Verkehr kommen könne, daß man aber schon nach 14 Tagen einen Zwischenverrechnungsschein herausbringen könne.

Auf Frage des Vizekanzlers teilte Geheimrat Hagen mit, daß folgende Herren deutscherseits für den Vorstand der rheinischen Goldnotenbank in Aussicht genommen seien: Ferdinand Rinkel in Köln, der auch bereit sei, das Amt anzunehmen, Herr Herbst, Direktor der Deutschen Bank in Köln und eine dritte deutsche Persönlichkeit aus Düsseldorf, die noch nicht feststehe. Die Geschäftsführung soll in Köln und Düsseldorf liegen.

Die Franzosen dächten gar nicht daran, die Reichsbank in ihrer Tätigkeit im besetzten Gebiet zu behindern. Sie hätten das auch ausdrücklich erklärt. Man müsse jetzt endlich in der Frage der Goldnotenbank zum Schluß kommen.

Bendix: Wenn das Reich eine neue Goldnote im besetzten Gebiet einführen wolle, dann unterliege diese Einführung der Genehmigung durch die interalliierte Rheinlandkommission. Dollarschätze5 und Goldanleihen6 seien im besetzten Gebiet als Zahlungsmittel nicht zugelassen. Die rheinische Goldnotenbank entspreche einem dringenden Bedürfnis des besetzten Gebiets.

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Emittiert auf Grund des „Gesetzes über die Ausgabe von Dollarschatzanweisungen“ vom 2.3.23 (RGBl. I, S. 155 ).

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S. Anm. 2.

Frhr. v. Schröder: Man müsse jetzt in der Frage der Goldnotenbank endlich zu einer Entscheidung kommen. Er vermisse bei der Reichsregierung den festen Willen zu helfen.

Vizekanzler Man dürfe nicht verkennen, daß die Frage der rheinischen Goldnotenbank von außerordentlicher politischer Bedeutung sei. England habe gegen die Gründung der Bank protestiert, und es bestehe die große Gefahr, daß die wichtige Klammer, welche die Reichsbank als Bindeglied zwischen dem unbesetzten und besetzten Deutschland bilde, zerrissen werde. Er habe Bedenken[124] vor allem gegen die Schaffung von Scheidemünzen sowie hinsichtlich der zukünftigen Aufnahme der rheinischen Goldnotenbank in eine deutsche zentrale Goldnotenbank. In letzterer Beziehung müsse irgendeine Sicherung gegeben werden, aber es ließe sich da wohl sicher eine Formulierung finden.

Frhr. v. Oppenheim vertrat die Auffassung, daß den Franzosen erst mitgeteilt werden müsse, die Reichsregierung genehmige die Goldnotenbank, und daß man dann die Frage anschneiden könne, ob ein Aufgehen der rheinischen Goldnotenbank in eine künftige zentrale deutsche Notenbank sichergestellt werden könne. Die Frage der Scheidemünzen sei für das besetzte Gebiet nicht so wesentlich, und man könne von ihrer Schaffung eventuell absehen. Das Kabinett müsse sich jetzt aber unbedingt schlüssig werden.

Der Vizekanzler teilte mit, daß das Kabinett sich im Augenblick noch nicht entscheiden könne; es müßten erst noch die Vertreter der an der Besetzung beteiligten Länder gehört werden. Am Donnerstag [20. 12.] hoffe er eine Entscheidung herbeiführen zu können7.

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S. die Kabinettssitzung von 19. 12. (Dok. Nr. 33), P. 11.

Auf Vorschlag des Staatssekretärs Schroeder wurde eine Besprechung über verschiedene Einzelfragen der rheinischen Goldnotenbank für den Nachmittag um ½5 Uhr im Reichswirtschaftsministerium unter Vorsitz des Ministerialdirektors Schäffer anberaumt. Aus dem besetzten Gebiet sollen an dieser Besprechung die Herren Frhr. v. Schröder, Pferdmenges und Hammerschmidt teilnehmen.

Der Vizekanzler wies auf die besondere Bedeutung der Frage hin, wie den Gemeinden geholfen werden könne. Er bat, bei den Verhandlungen mit der Rheinlandkommission auf die Einführung des wertbeständigen Notgeldes hinzuwirken.

Geheimrat Hagen sagte dies zu.

Stinnes führte aus, daß das Micum-Abkommen kaum über den 15. April hinaus verlängert werden würde8 und daß es deshalb unbedingt notwendig sei, die Reparationsfrage bis zu diesem Zeitpunkt zu lösen. Er warnte dringend davor, den englischen Versprechungen zu folgen. Auch Geheimrat Hagen bat, nicht auf die Lockungen Englands zu hören; das Verhalten der Engländer sei unaufrichtig und doppelzüngig.

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Das am 23.11.23 abgeschlossene Reparationsabkommen zwischen der Micum und dem Ruhrkohlenbergbau läuft am 15.4.24 ab.

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