2.47.10 (ma11p): 9a. Außerhalb der Tagesordnung: Thüringen.

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9a. Außerhalb der Tagesordnung: Thüringen.

Der Reichsminister des Innern berichtet eingehend über die Verhandlungen mit der thüringischen Regierung. Das Ergebnis der Feststellungen sei, daß[193]Art. 130 der Reichsverfassung insbesondere durch die thüringische Beamtenpolitik verletzt worden sei11.

11
 

Auf Grund Art. 15 RV hatte die RReg. eine aus RKom. Kuenzer, den Ministerialräten Karlowa, Foerster und Mende bestehende Untersuchungskommission eingesetzt und am 27.12.23 mit dem Auftrag nach Weimar entsandt, die gegen die thür. Reg. erhobenen Vorwürfe zu prüfen. Die Kommission vernahm leitende Beamte der thür. Ministerien und ließ sich Akten vorlegen. Über das Ergebnis ihrer Untersuchungen erstatteten die Beauftragten der RReg. am 2.1.24 einen umfangreichen Bericht. Im zusammenfassenden Schlußgutachten heißt es: „In Thüringen wird seit April 1922 ohne Etatsgrundlage gewirtschaftet. Die einzelnen Fachressorts können Ausgaben leisten, ohne daß eine hinreichende Kontrolle des Finanzmin. gewährleistet ist. […] Nach den Feststellungen im Min. des Innern, im Volksbildungsmin. und im Justizmin. wurde bisher eine Beamtenpolitik betrieben, durch die Art. 130 Abs. 1 der RV verletzt ist, indem in einseitiger Weise Angehörige einer bestimmten Richtung [gemeint sind Sozialdemokraten und Kommunisten] wegen ihrer Parteizugehörigkeit und nicht nach sachlichen Grundsätzen angestellt wurden. Dies muß die dringende Besorgnis erwecken, daß der erforderliche Beamten-Abbau ebenfalls nicht nach sachlichen Gründen vor sich geht. Die durch die einseitige Beamtenpolitik der thür. Reg. hervorgerufene Erregung in der Beamtenschaft ist zur Zeit schon außerordentlich stark. Werden für die sachgemäße Durchführung des Beamten-Abbaus keine ausreichenden Garantien geschaffen, so ist ein Ausbruch dieser Erregung, der die öffentliche Ruhe und Sicherheit im Lande Thüringen erheblich gefährden wird, unvermeidlich. Als besonderen Gefahrenherd muß auch auf die im Volksbildungsmin. bei der Besetzung der Lehrerstellen befolgte Politik hingewiesen werden. Die Erregung in weiten Elternkreisen hierüber ist so groß, daß ein Schulstreik und damit eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe noch im Januar mit Sicherheit zu erwarten ist, sofern nicht durch das Reich auch hier eine Abhilfe geschaffen wird.“ (R 43 I /2314 , Bl. 310-365, hier: Bl. 365).

Die bürgerlichen Parteien in Thüringen verlangten die Einsetzung eines Reichskommissars12, und zwar des Oberlandesgerichtspräsidenten in Jena. Die rechtlichen Voraussetzungen hierzu seien seines Erachtens gegeben. Der Herr Reichspräsident würde sich aber nur sehr schwer zur Einsetzung eines Reichskommissars verstehen. Er empfehle daher, einen anderen Weg zu gehen und der thüringischen Regierung die Formulierung der Anlage13 als Beschluß der Reichsregierung mitzuteilen.

12

Gemeint ist offenbar ein mit Regierungsvollmachten ausgestatteter Reichskommissar zur Durchführung der Reichsexekution gegen Thüringen auf Grund des Art. 48 Abs. 1 RV. Ein solcher Reichskommissar war am 29.10.23 für Sachsen ernannt worden.

13

In der Anlage befindet sich der Entwurf eines Protokolls, in dem sich die thür. Landesreg. der RReg. gegenüber zur Durchführung bestimmter Maßnahmen im Bereich der Personal- und Finanzpolitik verpflichtet. Inhaltlich entspricht dieser Entwurf weitgehend der als Dok. Nr. 61 abgedruckten „Vereinbarung“, jedoch kommt dort auch der Standpunkt der thür. Reg. zur Geltung.

Der Reichskanzler schließt sich diesen Ausführungen an.

Das Kabinett beschließt in diesem Sinne.

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