2.97.1 (ma11p): [Entwurf einer dritten Steuernotverordnung.]

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RTF

[Entwurf einer dritten Steuernotverordnung.]

Der Reichskanzler gab eine ausführliche Darstellung der finanziellen und politischen Erwägungen, welche die Reichsregierung bei dem Entwurf der dritten Steuernotverordnung1 geleitet hätten und wies auf die dringende Notwendigkeit hin, eine schleunige Erledigung der Vorlage zu bewirken.

1

S. Dok. Nr. 77 und 78.

Der Reichsminister der Finanzen ergänzte die Ausführungen des Reichskanzlers und schilderte insbesondere die Einwirkung des jetzigen Schwebezustandes in der Aufwertungsfrage auf Kredit und Wirtschaft, sowie die Auswirkung des gegenwärtigen Zustandes auf die Reparationsfrage. Klar sei, daß eine Regelung sofort erfolgen müsse2. Dabei sei aber abzulehnen der Gedanke[344] eines Sperrgesetzes3, der aus Kreisen des Reichstages zur Äußerung gekommen sei.

2

Nach DAZ Nr. 65 vom 8. 2. hatte RFM Luther den Regierungsentwurf der 3. Steuer-NotVO bereits in einer Sitzung des 15er-Ausschusses des RT am 7. 2. begründet. Der RFM habe dabei u. a. erklärt: „Was die Frage der Aufwertung anbetreffe, so sei es ganz unmöglich, ihr freien Lauf zu lassen. Damit würden wir eine Unsicherheit in unser Wirtschaftsleben und in unser Finanzleben hineingebracht haben, die einfach untragbar gewesen wäre, denn jeder, gegen den noch ein verbriefter, irgendwie vertraglich feststehender Anspruch bestehe, sei bis zur Regelung so gut wie kreditunfähig. Das führe zur Erstarrung des gesamten Wirtschaftslebens. Auch die Steuerverwaltung werde davon mittelbar sehr große Schwierigkeiten haben. Alles dies beweise die große Eilbedürftigkeit einer positiven Entscheidung, die deshalb im Wege des Ermächtigungsgesetzes erfolgen müsse.“ Vgl. auch die Rede des RFM in der Sitzung der RR-Ausschüsse am 2. 2. anläßlich der Beratung des Entwurfs der 3. Steuer-NotVO (in den Akten des Pr. Justizmin.: BA, P 135/5885).

3

Gemeint ist ein Gesetz, daß die Rückzahlung von Hypotheken, Grundschulden und ähnlichen Forderungen von der Zustimmung des Gläubigers abhängig macht, um auf diese Weise zu verhindern, daß die Forderung in entwertetem Geld getilgt wird. Vgl. den Antrag Düringer vom 1.3.23: Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Hypothekengläubiger, RT-Drucks. Nr. 5597, Bd. 376 .

Der Reichswährungskommissar unterstrich die Ausführungen des Reichsministers der Finanzen und erläuterte die gegenwärtige Devisenlage.

Minister a. D. Scholz lehnte die Verantwortung des Ausschusses4 für die jetzige schwierige Lage ab. Die Reichsregierung habe die Vorlage viel zu spät in den Ausschuß gebracht. Im übrigen seien die Bedenken des Ausschusses gerade darin begründet, daß die Erledigung der Aufwertungsfrage in der vorgeschlagenen Weise auf Grund des Ermächtigungsgesetzes sich möglicherweise als nicht ausreichend gesichert erweisen könne gegenüber einer ablehnenden Haltung der Gerichte, und daß daher eine Erledigung im Wege der ordentlichen Gesetzgebung, wenn möglich sogar mit einer Zweidrittelmehrheit im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Bedenken dringend erwünscht sei.

4

Scholz (DVP) ist Vorsitzender des 15er-Ausschusses des RT, der nach dem Ermächtigungsgesetz vom 8.12.23 vor dem Erlaß von VOen auf Grund des Ermächtigungsgesetzes gehört werden muß.

Minister a. D. Koch äußerte die Auffassung, daß eine Verständigung unter den Parteien wohl möglich sei. Hinsichtlich der Vermögenssteuer sei schon eine Einigung zwischen seiner Partei und der Sozialdemokratie zustande gekommen. Was die Aufwertungsfrage anbelange, so glaube er, daß etwa auf der Basis von 15% eine Einigung sich würde erzielen lassen5. Insonderheit aber halte er es für erwünscht, die Steuernotverordnung zu trennen und die Aufwertungs- sowie die Steuerfrage in getrennten Gesetzen zu behandeln.

5

Der Regierungsentwurf der 3. SteuerNotVO (s. Anm. 1) sieht einen Aufwertungssatz von 10% vor.

Minister a. D. Hilferding teilte mit, daß seine Partei gegen jede Aufwertung sei, im Interesse einer Erledigung der Angelegenheit jedoch gegebenenfalls bereit sein würde, einer geringen Aufwertung zuzustimmen.

Exzellenz Spahn stimmte dem Verständigungsgedanken zu und meinte, daß eine Einigung auf Grund der Regierungsvorlage sich erzielen lassen werde.

Abgeordneter Schiele erklärte sich namens seiner Partei grundsätzlich bereit, an einer Verständigung mitzuwirken, vermochte jedoch keine verbindliche Stellungnahme mitzuteilen, da die maßgebenden Mitglieder der Fraktion nicht erreichbar seien.

Nach einer kurzen sachlichen Erörterung der Aufwertungsfrage und erläuternden Ausführungen des Reichsministers der Finanzen und Reichsministers[345] der Justiz wurde beschlossen, am Montag, den 11. Februar 10 Uhr vormittags erneut zusammenzukommen und in eine materielle Beratung der Vorlagen mit dem Ziele einer Verständigung aller Parteien einzutreten6.

6

Über die weiteren Verhandlungen zwischen der RReg. und den Parteien orientiert ein vertraulicher „Bericht über die 3. Steuernotverordnung“, den der RT-Abgeordnete Fischer für die DDP-Fraktion verfaßte (BA, Nachl. Dietrich , Nr. 70). Der Bericht ist nicht datiert, er dürfte aber kurz nach Erlaß der 3. SteuerNotVO (14.2.24) entstanden sein. Fischer führt darin aus: Die Fraktion der DDP habe grundsätzlich den Standpunkt eingenommen, daß die im Regierungsentwurf der 3. SteuerNotVO behandelten Materien „auf dem regelmäßigen gesetzgeberischen Wege“ geregelt werden müßten, daß insbesondere die Regelung der Aufwertungsfrage „einer Klarstellung durch das Parlament selbst bedürfe“. Auf Anregung der DDP-Fraktion sei nach einer Parteiführerbesprechung beim RK der Versuch unternommen worden, durch Verhandlungen zwischen allen Parteien (mit Ausnahme der Kommunisten) und der RReg. für die Behandlung der aufgeworfenen Fragen eine grundsätzliche Übereinstimmung zu erzielen, die der RReg. die Möglichkeit gegeben hätte, dem RT einen GesEntw. vorzulegen, dessen Annahme von vornherein sicher gewesen wäre. Zu diesem Zweck habe man eine interfraktionelle Unterkommission des 15er-Ausschusses eingesetzt. Da die folgenden Verhandlungen nicht zu der erstrebten Übereinstimmung geführt hätten, habe die RReg. sich entschlossen, schleunigst den Verordungsweg zu beschreiten, allerdings unter weitgehender Berücksichtigung der in der Unterkommission vorgebrachten Änderungsvorschläge. Eine Einigung in der Aufwertungsfrage sei an dem Gegensatz zwischen der DNVP und der SPD gescheitert. Die Sozialdemokraten lehnten bekanntlich jede Aufwertung ab und verlangten ein gesetzliches Aufwertungsverbot. Die Deutschnationalen hingegen seien prinzipiell Anhänger einer Aufwertung. Die innerhalb der DNVP-Fraktion bestehenden Meinungsverschiedenheiten über die Höhe der Aufwertung hätte die Parteiführung am liebsten in der Weise überbrückt, daß für die Aufwertung eine Mindest- und Höchstgrenze mit möglichst großem Spielraum aufgestellt werden sollte, innerhalb dessen die einzelnen Aufwertungsansprüche individuell zu behandeln seien. Dieser Plan hätte der Wirtschaft nicht die notwendige Rechtssicherheit gebracht und sei deshalb von der DDP bekämpft worden. Die SPD habe außerdem die Mietzinssteuer, das steuerrechtliche Kernstück des Regierungsentwurfs, abgelehnt, weil sie darin eine schwere Belastung der minderbemittelten Volksschichten gesehen habe. Leider sei die RReg. nicht auf den Vorschlag der DDP und der SPD eingegangen, statt der Mietzinssteuer Zuschläge zur Vermögenssteuer von denjenigen Personen zu erheben, die trotz der Inflation ihr Vermögen seit 1913 mehr oder weniger erhalten oder gar vermehrt hätten. Der Bericht Fischers führt dann im einzelnen die Änderungen am Regierungsentwurf der 3. SteuerNotVO auf, die die Parteien bei den Verhandlungen mit der RReg. durchsetzen konnten. Zur Aufwertungsfrage z. B. habe „zuerst die DDP den dann auch von der RReg. aufgenommenen Vorschlag gemacht, die Aufwertung von 10 auf 15% zu erhöhen, verbunden mit dem Anspruch des Schuldners auf Herabsetzung, wenn dies mit Rücksicht auf seine Vermögenslage zur Abwendung einer offenbar groben Unbilligkeit unabweisbar erscheint“. (vgl. hierzu § 2 Abs. 1 der Dritten SteuerNotVO vom 14.2.24, RGBl. I, S. 74 ).

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