1.103.2 (ma12p): 2. Mitteilungen des Reichsministers der Finanzen und des Herrn Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht über ihre Verhandlungen in London

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[1086]2. Mitteilungen des Reichsministers der Finanzen und des Herrn Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht über ihre Verhandlungen in London

Der Reichsminister der Finanzen berichtete über den Stand der Anleiheverhandlungen in London2. Die Verhandlungen seien noch nicht zum Abschluß gelangt, und es sei noch gar nicht zu übersehen, was letzten Endes herauskomme. Die Schwierigkeiten lägen in zwei Richtungen: a) Morgan habe sich darauf versteift, Frankreich an der Zeichnung zu beteiligen, Frankreich scheine aber dazu wenig Neigung zu haben; b) die kleineren Staaten hätten alle ihre besonderen Wünsche, die sie in Form von Bedingungen für ihre Bereitwilligkeit zur Anleihezeichnung vorbrächten; außerdem wehrten sich verschiedene Staaten gegen die Höhe ihres Anteils.

2

Gemeint sind die Verhandlungen über die Bedingungen der internationalen Dawes-Anleihe. Vgl. hierzu Schacht, Die Stabilisierung der Mark, s. 139 ff.; Luther, Politiker ohne Partei, S. 303 f.

Als Verteilung sei in Aussicht genommen: Amerika 100 Millionen Dollar, England 12 Millionen Pfund, Schweiz, Frankreich und Holland je 3 Millionen Pfund, Belgien, Italien und Schweden je 1½ Millionen Pfund, Deutschland 1 Million Pfund. Der Ausgabekurs der Anleihe werde 93%, der Zinsfuß 7% betragen; dazu kämen noch Bankprovision und Stempel. Der Ertrag werde wahrscheinlich nur 85% betragen. In den grundsätzlichen Fragen, z. B. der Frage der Sicherung, der Pfandbestellung (Verpfändung von Reichseinnahmen) usw. würden keine besonderen Schwierigkeiten entstehen.

Der Reichsbankpräsident berichtete über die Einzelverhandlungen und insbesondere über die Bestrebungen der Länder, ihre Sonderinteressen mit der Anleihefrage zu verknüpfen. Z. B. versuche England, Handelsvertragsvorteile zu erlangen. Die Schweiz wünsche die Kohlentransportfrage in ihrem Sinne geregelt zu sehen, Holland möchte die Anleihe nicht an der Börse notieren. Er erbitte einen Beschluß des Kabinetts dahin, daß das Kabinett es ablehne, irgend eine handelspolitische Frage mit der Anleihe zu verquicken.

Das Kabinett beschloß in diesem Sinne; mit der Anleihefrage dürfen keine Kompensationen auf anderem Gebiete verknüpft werden.

Der Reichsbankpräsident wies noch auf die Gefahr hin, die für die Anleihe aus einer Kabinettskrise, aus einem ungünstigen Verlauf der Handelsvertragsverhandlungen, aus Meinungsverschiedenheiten über die 26%ige Ausfuhrabgabe usw. entstehen könnte, und bat, die Entscheidung über diese Dinge möglichst bis nach den Abschluß der Anleiheverhandlungen hinauszuzögern.

Der Reichskanzler dankte den Herren für die Berichterstattung und wünschte ihnen für ihre weiteren Verhandlungen besten Erfolg3.

3

Die Verhandlungen werden am 10. 10. mit der Unterzeichnung eines Abkommens über die Auflegung der Dawes-Anleihe beendet. Vgl. Schultheß 1924, S. 441; Bericht des Generalagenten für Reparationszahlungen vom 30.5.1925, S. 10 ff.

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