1.15.2 (ma12p): 2. Bayerische Eisenbahnfrage.

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2. Bayerische Eisenbahnfrage.

Der Reichswirtschaftsminister berichtete über die Wünsche, die Exzellenz von Meinel ihm vorgetragen habe. Exzellenz v. Meinel liege viel daran, daß die Reichsregierung die bayerischen Stellen in möglichst großem Umfange an den Vorarbeiten beteilige13, um dadurch eine günstige Stimmung für die Behandlung im bayerischen Parlament zu schaffen. Von amtlicher Seite beschränke man sich zunächst darauf, eine Betriebsgesellschaft für Bayern zu fordern14.[723] Es scheine ihm alles darauf anzukommen, jetzt Persönlichkeiten in Bayern zu gewinnen, die die Sachlage der Öffentlichkeit gegenüber richtig darstellten. Vielleicht sei es möglich, den Abgeordneten Held zu gewinnen und ihn in den Verwaltungsrat der Reichsbahn zu wählen. Notwendig sei, besonders auch von der Seite der Wirtschaft her, auf die bayerischen Kreise einzuwirken.

13

Gemeint ist: an den Vorarbeiten für die Errichtung der RB-Gesellschaft auf Grund des Sachverständigen-Gutachtens.

14

Vgl. das Schreiben des bayer. HandM v. Meinel an den RVM vom 14. 5. (Dok. Nr. 199, Anm. 19). Am 20. 6. schreibt der PrMinPräs. Braun an den RK: „Es ist zu meiner Kenntnis gelangt, daß die Bayer. Reg. die RReg. darauf aufmerksam gemacht hat, daß sie der Zustimmung der Eisenbahnländer bedürfe, um die nach dem Sachverständigenbericht erforderliche RB-Gesellschaft zu gründen. Diese Zustimmung sei voraussichtlich in Bayern kaum zu beschaffen. Nach der Erfahrung in früheren Fällen muß aber angenommen werden, daß die Bayer. Reg. schließlich zwar doch ihre Zustimmung geben wird, aber nur nach Bewilligung von Zusagen, die den bayer. Bahnen im Verhältnis zu den Bahnen in den übrigen Ländern eine bevorzugte Stellung einräumen würden. Die Pr.Reg. steht nach wie vor auf dem Standpunkt, daß das Sachverständigengutachten zur Ausführung gelangen muß und ist daher grundsätzlich bereit, die nach dem Staatsvertrag erforderliche Zustimmung zu erteilen. Sie warnt aber dringend davor, Zusicherungen der vorstehend angedeuteten Art an Bayern zu geben, da sich dann die Pr.Reg. in die unangenehme, aber unausweichliche Notwendigkeit versetzt sehen würde, für Preußen die gleichen Ansprüche zu erheben; denn wie der RReg. schon bei den verschiedenen Gelegenheiten zum Ausdruck gebracht worden ist, ist es für Preußen völlig unannehmbar, sich in die Rolle eines Landes minderen Rechts drängen zu lassen.“ (R 43 I /1049 , Bl. 139).

Der Reichskanzler glaubte auch, daß die bayerische Bahnfrage große Schwierigkeiten bereiten werde.

Der Reichswehrminister wies darauf hin, daß Bayern bei den internationalen Verhandlungen früher ständig vertreten gewesen sei. Er halte es für zweckmäßig, den bayerischen Wünschen möglichst Rechnung zu tragen. Die bayerische Frage sei sehr ernst. Es müsse versucht werden, den Reichsgedanken in Bayern zu propagieren. Die gegenwärtige Vertretung der Reichsregierung in Bayern halte er für diese Aufgabe für nicht geeignet. Die passive Art des Herrn von Haniel sei dem Reichsgedanken nicht förderlich.

Staatssekretär Bracht bestätigte dies, wies aber darauf hin, daß die bayerische Regierung an Herrn von Haniel festhalte. Er verspreche sich keine Verbesserung der Lage von einem Wechsel der Persönlichkeit. Die Bahnfrage sei besonders bedrückt durch die Auffassung über die Rechtslage. Es sei zu prüfen, ob man die Rechtslage bei der Behandlung zu sehr in den Vordergrund schiebe. Er empfehle, daß das Reichsjustizministerium ein Gutachten über die Rechtslage vorlege. Förderlich sei, wenn es gelänge, einige Sitzungen mit Acworth und Leverve15 unter Zuziehung von bayerischen Vertretern abzuhalten.

15

Acworth und Leverve sind die von der Repko ernannten Mitglieder im Organisationskomitee für die RB-Gesellschaft.

Staatssekretär Vogt berichtete über seine Unterhaltung mit Exzellenz von Meinel. Er habe den Eindruck gehabt, als ob Exzellenz von Meinel bemüht sei, eine Verständigung herbeizuführen. Eine Beteiligung von Vertretern Bayerns an den Sitzungen des Organisationskomitees werde von der Gegenseite nicht zugestanden werden. Die Bildung einer bayerischen Betriebsgesellschaft lehne die Gegenseite ab. Zu berücksichtigen sei, daß das Organisationskomitee keine endgültige Regelung treffe, sondern nur vorbereitend tätig sei. Es werde also noch Gelegenheit sein, vor der Entscheidung Bayern zu beteiligen. Die bayerischen Wünsche in materieller Hinsicht seien auch ohne die Bildung einer besonderen bayerischen Gesellschaft zu berücksichtigen. Er habe dies auch Exzellenz von Meinel zum Ausdruck gebracht. Exzellenz von Meinel scheine allerdings damit nicht zufriedengestellt zu sein. Bezüglich der Rechtsfrage habe das Reichsverkehrsministerium bisher die Auffassung vertreten, daß eine[724] Veräußerung und Verpfändung im Sinne der Staatsverträge nicht vorläge, also eine Zustimmung der Länder zu der Errichtung der Gesellschaft nicht erforderlich sei. Er sei aber auch der Meinung, daß man diese Rechtsfrage nicht entscheidend sein lassen dürfe, wenn es möglich sei, ohne Benachteiligung des Reichs eine Einigung mit den Ländern zu erzielen.

Die Situation scheine ihm so zu sein, daß den bayerischen Wünschen auf dem Gebiete der Dezentralisation soweit als möglich entgegenzukommen sei, daß dagegen die Bildung einer Sondergesellschaft abgelehnt werden müßte.

Der Reichskanzler bestätigte den Eindruck, den Staatssekretär Vogt von der Einstellung Exzellenz v. Meinels gehabt habe. Exzellenz von Meinel habe aber ihm gegenüber erklärt, daß, wenn auch die bayerische Regierung guten Willen zeige, sie mit dem Landtag zu rechnen habe. Es müsse versucht werden, durch Verhandlungen mit maßgebenden Herren in Bayern die Regierung von der Richtigkeit der beabsichtigten Regelung zu überzeugen. Das Reichsjustizministerium bitte er, die Rechtslage zu prüfen.

Staatssekretär Joel glaubte, daß die Auffassung des Reichsverkehrsministeriums bezüglich der Rechtslage kaum haltbar sei. Der Versailler Vertrag sehe keine Spezialpfänder vor, und die in ihm ausgesprochene allgemeine Verpfändung von Reichs- und Staatseigentum greife daher hier nicht Platz.

Der Reichsminister der Finanzen wies auf die Gefahr hin, die darin läge, daß die Länder bei Aufgabe des bisher von dem Reichsverkehrsministerium vertretenen Rechtsstandpunktes ihre Zustimmung verweigerten.

Staatssekretär Sautter empfahl, auf das Personal der Eisenbahn im Sinne einer Verständigung einzuwirken. Es könnte damit viel gewonnen werden. Er bat, nicht die Situation dadurch zu verschärfen, daß das Reichsfinanzministerium in der Frage der bayerischen Post eine für Bayern unannehmbare Haltung einnehme.

Der Reichskanzler fragte, ob es nicht möglich sei, Bayern die Entwürfe über die Errichtung der Betriebsgesellschaft und das Statut16 vorzulegen.

16

Vgl. Dok. Nr. 218, Anm. 11.

Staatssekretär Vogt hielt dies nicht für zweckmäßig. Möglich sei dagegen eine Beteiligung der bayerischen Stellen bei den internen Beratungen.

Der Reichswehrminister empfahl nochmals, dem bayerischen Wunsche möglichst entgegenzukommen und vor allem eine Besprechung mit Acworth und Leverve zu ermöglichen. Es sei im Auge zu behalten, daß die Eisenbahnfrage die Frage sei, von der aus die ganze bayerische Frage aufgerollt werden solle.

Der Reichskanzler regte an, daß die Staatssekretäre Fischer und Vogt nach München fahren, um die bayerischen Stellen zu informieren. Vielleicht sei auch möglich, bayerische Herren an den Verhandlungen in Berlin und Paris zu beteiligen.

Staatssekretär Vogt bezeichnete die Wahl Helds in den Verwaltungsrat als den bisherigen Gesetzentwürfen entgegenstehend. Es sei vorgesehen, daß Mitglieder der Regierung, des Reichstags, des Landtags usw. dem Verwaltungsrat[725] nicht angehören dürften17. Es sei aber vielleicht möglich, den Landtag auszunehmen. Er glaube, die Gegenseite werde dagegen keine Bedenken haben.

17

§ 16 des Entwurfs der RB-Satzung (Dok. Nr. 218, Anm. 11) bestimmt: „Die Mitglieder des Verwaltungsrats und ihre Stellvertreter müssen erfahrene Geschäftsleute oder Eisenbahnsachverständige sein. Sie dürfen nicht Mitglieder des RT, eines LT, der RReg. oder einer Landesreg. sein.“ So auch der entsprechende § 12 der endgültigen RB-Satzung vom 30.8.24 (RGBl. II, S. 284 ).

Beschlüsse wurden nicht gefaßt.

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