1.46.3 (ma12p): 3. Behandlung des Notetats.

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3. Behandlung des Notetats.

Der Abgeordnete Fehrenbach wies darauf hin, daß nach den Beschlüssen des Ältestenrates am Freitag [25. 7.] und den darauf folgenden Tagen der Notetat7 im Plenum zur Beratung kommen werde. Dies würde eine Debatte über die außenpolitische Lage hervorrufen, und es sei fraglich, ob eine solche Erörterung im Hinblick auf die Londoner Konferenz wünschenswert sei.

7

Gemeint ist der „Entwurf eines Gesetzes über die weitere vorläufige Regelung des Reichshaushalts für das Rechnungsjahr 1924“, RT-Drucks. Nr. 335, Bd. 383 .

Der Reichskanzler wies auf die erheblichen Bedenken hin, die einer Behandlung der außenpolitischen Lage im Plenum entgegenstünden.

Der Abgeordnete Müller-Franken stimmte diesen Bedenken bei, wies jedoch darauf hin, daß der Notetat bis Ende d. M. erledigt sein müsse. Die Entscheidung liege bei der Mehrheit des Reichstages; er weise jedoch darauf hin, daß im Falle der außenpolitischen Debatte seine Partei sich keine Zurückhaltung auferlegen könne und sich vorbehalten müsse, z. B. auch ihre abweichende Stellung zur Schuldfrage im Reichstage zu vertreten.

Der Reichsminister des Auswärtigen unterstrich die vom Reichskanzler geäußerten Bedenken hinsichtlich einer außenpolitischen Debatte im Plenum und wies darauf hin, daß insbesondere von amerikanischer Seite hiervor mit Rücksicht auf die Verhandlungen in London dringend gewarnt worden sei. Die Gefahr liege insbesondere darin, daß der französische Ministerpräsident8 über keine Mehrheit in seinem Parlament verfüge und insbesondere im Senat Versprechungen habe machen müssen, die ihm die Hände bänden. Müsse er in London vor den Engländern und Amerikanern zurückweichen, so könne er dies allenfalls mit höherer Gewalt rechtfertigen. Eine außenpolitische Debatte im Reichstage werde jedoch sofort die Opposition in Frankreich wachrufen und die Möglichkeit einer Einigung in London sabotieren.

8

Herriot.

Der Abgeordnete Hergt kennzeichnete die Stellungnahme seiner Partei dahin, daß die Regierung, wenn sie nach London fahre, Direktiven des Parlaments mitnehmen müsse. Das sei in allen Ländern so und könne vom Auslande dem deutschen Parlament nicht verdacht werden. Im übrigen sei er der Auffassung, daß eine starke Opposition im Reichstage gerade dazu geeignet sei, die Stellung der Regierung in London zu stärken. An eine Debatte denke er nicht, vielmehr wünsche seine Partei, ihre Forderungen hinsichtlich der Londoner Konferenz in formulierter Form vorzutragen9.

9

Am Abend des 22. 7. beschließt die deutschnationale RT-Fraktion folgende sieben Forderungen an die RReg. für die Verhandlungen auf der Londoner Konferenz: 1. gleichberechtigte Teilnahme Deutschlands an der Konferenz; 2. sofortige Freigabe aller Gefangenen durch die Besatzungsbehörden und Rückkehrerlaubnis für alle Ausgewiesenen; 3. unverzügliche wirtschaftliche und militärische Räumung der Einbruchs- und Sanktionsgebiete; 4. unverzügliche Wiederherstellung der dt. Wirtschafts- und Verwaltungshoheit im altbesetzten Gebiet; Anerkennung, daß die Räumungsfristen mit dem 10.1.1920 zu laufen begonnen haben; 5. Sicherung gegen künftige Sanktionen in jeder Form; 6. keine Anerkennung von Forderungen, die unerfüllbar sind oder die gegen die Würde oder Unabhängigkeit Deutschlands verstoßen; 7. förmlicher Widerruf des wahrheitswidrigen Schuldbekenntnisses des Art. 231 des VV. Abmachungen, die diesen „Mindestbedingungen“ nicht entsprechen, wird sich die DNVP „mit allen Mitteln widersetzen“. Der Text dieses Beschlusses, der am 23. 7. in der Presse veröffentlicht wird, ist abgedr. in: Ursachen und Folgen, Bd. VI, Dok. Nr. 1259.

[910] Der Reichskanzler erklärte, daß ein solches Verfahren wohl erträglich sei. Die Gefahr liege jedoch bei den radikalen Parteien, die sich eine derartige Beschränkung nicht auferlegen würden.

Der Abgeordnete Fehrenbach wies darauf hin, daß es geschäftsordnungsmäßig möglich sei, die außenpolitische Debatte zu vermeiden, indem man den Notetat in der ersten Lesung einem Ausschuß überweise.

Es erfolgte eine kurze weitere Aussprache, ohne daß es jedoch zu einer Beschlußfassung oder endgültigen Stellungnahme in der Angelegenheit kam.

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