1.78.5 (ma12p): 5. Deutsche Vertretung bei den technischen Konferenzen in Koblenz und Düsseldorf.

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5. Deutsche Vertretung bei den technischen Konferenzen in Koblenz und Düsseldorf11.

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Auf der Londoner Konferenz war vereinbart worden, demnächst in Koblenz und Düsseldorf sog. technische Konferenzen zwischen dt. und all. Vertretern stattfinden zu lassen. In diesen Konferenzen sollen die Maßnahmen beraten und festgelegt werden, die zur Wiederherstellung der fiskalischen und wirtschaftlichen Einheit Deutschlands mit den besetzten Gebieten gemäß dem Londoner Abkommen erforderlich sind (Art 6 der Anlage III zum Schlußprotokoll der Londoner Konferenz: RGBl. 1924 II, S. 343  f.). Hierbei handelt es sich insbesondere um die Beseitigung von Eingriffen der Besatzungsmächte in Verwaltung, Wirtschaft und Gesetzgebung der besetzten Gebiete seit dem Ruhreinmarsch, die Überleitung der Befugnisse der frz.-belg. Pfänderverwaltungen auf die dt. Behörden, die Rückgabe der beschlagnahmten Betriebe und die Aufhebung der Requisitionen. Darüber hinaus behandeln die technischen Konferenzen, die mit einer Sitzung am 2. 9. in Koblenz beginnen, auch die Durchführung der in London beschlossenen Amnestie in den besetzten Gebieten, die Aufhebung der Ausweisungsbefehle und die Wiederzulassung der ausgewiesenen Beamten.

Der Generalkommissar Schmid teilte mit, daß über die Frage der künftigen Verhandlungen in Düsseldorf und Koblenz eine Ressortbesprechung stattgefunden[1010] habe. Über die Zollfrage müßte sofort ein Einvernehmen mit der Gegenseite hergestellt werden. In den anderen Fragen sei die sofortige Herstellung eines Einvernehmens gewünscht. Dabei sei erforderlich, daß die Verhandlungen nicht auf technische Fragen beschränkt würden, sondern die gesamten Fragen der Herstellung der wirtschaftlichen Verwaltung zum Gegenstand hätten. Der Gegner beabsichtige, die Verhandlungen auf die technischen Fragen zu beschränken und die politischen Fragen nicht anzuschneiden. Entscheidung müsse darüber getroffen werden, welche Stellen und Personen die Verhandlungen leiten sollten und wo die Verhandlungen zusammengefaßt werden sollten. Das Reichsministerium für die besetzten Gebiete schlage für die Verhandlungen in Koblenz Ministerialdirektor Dilthey und für die Verhandlungen in Düsseldorf Ministerialrat Claußen vor. Die für Montag [1. 9.] vorgesehene Sitzung müsse auf Dienstag vertagt werden. Das Reichsfinanzministerium sei damit einverstanden.

Der Reichsminister der Finanzen bestätigte dieses Einverständnis. Was die Verhandlungen anginge, so werde es sehr schwer sein, Richtlinien dafür aufzustellen, wie verhandelt werden solle. Es müsse für alle Verhandlungen eine leitende Persönlichkeit bestimmt werden, die an Ort und Stelle die taktischen Fragen entscheide. Vermieden werden müsse ein Nebeneinanderarbeiten in Koblenz und Düsseldorf.

Der Reichskanzler war ebenfalls der Meinung, daß ein Nebeneinanderarbeiten unbedingt vermieden werden müsse.

Generalkommissar Schmid führte aus, daß der allgemeine Wunsch in den besetzten Gebieten dahin gehe, eine mit den politischen Parteien vertraute und parlamentarisch geschulte Persönlichkeit für die Oberleitung zu wählen. Hierzu sei der Landeshauptmann Horion vorgesehen, mit dem allerdings noch keine Verbindung habe aufgenommen werden können. Bis zur Einigung mit ihm sei daher in Aussicht genommen, den Ministerialdirektor Dilthey mit der Verhandlungsleitung zu betrauen.

Staatssekretär Fischer berichtete, daß bereits in London versucht worden sei, die beiden Verhandlungsstellen zusammenzulegen; dies sei jedoch von alliierter Seite abgelehnt worden mit der Begründung, daß in Düsseldorf nur Verhandlungen über das Einbruchs- und Sanktionsgebiet in Frage kämen, für die der französische General Georges zuständig sei, während in Koblenz die Fragen des altbesetzten Gebietes, welche eine verschiedene Behandlung erforderten, zu erörtern seien. Man müsse sich daher deutscherseits mit diesen getrennten Verhandlungen zunächst abfinden und danach streben, späterhin[1011] zu einer einheitlichen Verhandlung zu gelangen. Letzteres sei insbesondere auch aus Personalgründen erwünscht, denn es ständen nicht genügend unterrichtete und verhandlungsgeübte Persönlichkeiten zur Verfügung, um an zwei getrennten Stellen fortlaufend Verhandlungen zu führen.

Der Reichsminister der Finanzen fragte an, ob es nicht gehe, den früheren Reichskommissar Fürsten Hatzfeldt als Verhandlungsleiter zu nehmen.

Generalkommissar Schmid äußerte die Auffassung, daß dies undurchführbar sein werde, weil man französischerseits darin den Versuch erblicken würde, die alte Stelle des Reichskommissars wieder herzustellen12. Im übrigen sei darauf hinzuweisen, daß das Preußische Ministerium des Innern ernste Bedenken gegen die Person des Herrn Horion als Verhandlungsleiter erhoben habe.

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Seit der Ausweisung des Reichskommissars für die besetzten rheinischen Gebiete, Fürst Hatzfeldt, aus Koblenz am 17.4.23 war die Stelle nicht wieder besetzt worden.

Der Reichswehrminister erklärte, daß es sich hier wohl lediglich um Ressortschwierigkeiten handeln werde, welche sich durch eine Aussprache mit dem Preußischen Ministerpräsidenten unschwer würden beheben lassen.

Der Ministerialrat Amelunxen teilte mit, daß er vom Preußischen Ministerpräsidenten Auftrag erhalten habe, die gegen die Person des Herrn Horion erhobenen Bedenken zu unterstreichen.

Generalkommissar Schmid bat hiernach um Zustimmung dazu, daß zunächst die Delegierten des Ministeriums für die besetzten Gebiete als Stellvertreter die Leitung übernähmen, bis hinsichtlich der Wahl des Herrn Horion weitere Klärung erfolgt sei.

Der Reichskanzler stellte die Zustimmung des Kabinetts hierzu fest und bat den Vizekanzler, mit dem Preußischen Ministerpräsidenten in der Angelegenheit Fühlung zu nehmen13.

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Zur Fortsetzung s. Dok. Nr. 294.

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