1.8.1 (ma12p): 1. Nationalität der Kommissare des Sachverständigengutachtens.

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1. Nationalität der Kommissare des Sachverständigengutachtens.

Der Reichsminister der Finanzen führte aus, daß 5 Kommissare in Frage kämen: erstens der Agent, zweitens der Trustee für die Industrie- und Eisenbahnobligationen, drittens der Kommissar für die Bank, viertens der Kommissar für die Eisenbahn, fünftens der Kommissar für die verpfändeten Einnahmen1. Was den Trustee anlange, so spreche das Gutachten nur von einer Person. Es sei aber die Frage aufzuwerfen, ob man nicht mit zweien rechnen müsse, einem für die Industrie-Obligationen und einem für die Eisenbahn-Obligationen. Der Agent sei keine Einzelperson, sondern sei umgeben von einem großen beratenden Kreis. Der Kommissar für die verpfändeten Einnahmen habe nur zur Seite eine Reihe von Unterkommissaren. Bei der Nationalitätsfrage müsse man davon ausgehen, daß unter allen Umständen Amerika, England und Frankreich vertreten sein werden. Erörtert werden müsse, ob es praktisch sei, Belgien und Italien heranzuziehen. Zweifelhaft sei, ob Neutrale herangezogen werden sollten. Sehr gefährlich erscheine ihm der Kommissar für die verpfändeten Einnahmen, da er die Möglichkeit habe, in der Wirtschaft herumzuschnüffeln.

1

Vgl. dazu Sachverständigen-Gutachten, S. 45 ff.

[694] Der Reichsminister des Auswärtigen hielt den Agent für den wichtigsten Kommissar. Dieser müsse ein Amerikaner sein. Für den Eisenbahnkommissar sollte kein Franzose genommen werden; ein Franzose sei innenpolitisch nicht tragbar.

Der Reichsminister der Finanzen hielt als Eisenbahnkommissar einen Engländer auf die Dauer für schädlicher, da der Engländer ein größeres Interesse an der Gestaltung der deutschen Eisenbahntarife habe als der Franzose.

Der Reichsbankpräsident glaubte, daß die Reichsregierung einen erheblichen Einfluß haben werde auf die Besetzung der einzelnen Posten. Als Bankkommissar glaube er einen Engländer oder Holländer empfehlen zu sollen2. Der Agent müßte ein Amerikaner sein. Als Eisenbahnkommissar halte er auch einen Franzosen für sehr bedenklich.

2

Am 11. 6. vermerkte Kiep: Schacht teile aus Hamburg telefonisch mit, er habe gestern einen Brief von Sir Robert Kindersley empfangen, in dem dieser u. a. die Frage des Bankkommissars angeschnitten und zu erkennen gegeben habe, „daß England evtl. auf die Besetzung dieses Postens Wert legen würde, falls nämlich als Agent für die Reparationszahlungen ein Amerikaner gewählt würde. Er, Präsident Schacht, halte dieser Anregung gegenüber an dem dt. Vorschlag, einen Holländer zum Bankkommissar zu ernennen, unbedingt fest und schlage vor, daß diesbezüglich Entschließung gefaßt und Kindersley gegenüber Stellung genommen würde“. (R 43 I /633 , Bl. 146).

Der Reichsminister der Finanzen wies darauf hin, daß Leverve3 bereits in Aussicht genommen sei. Mit ihm werde der Gedanke der Bildung einer Westgruppe4 endgültig erledigt sein. Ein Franzose als Kommissar für die verpfändeten Einnahmen sei sehr bedenklich, da diese Institution den Anfang der französischen Kontrolle darstelle.

3

Leverve ist Mitglied des Organisationskomitees für die RB-Gesellschaft.

4

Vgl. dazu Dok. Nr. 144, Anm. 7.

Staatssekretär Fischer bestätigte diese Auffassung über Leverve. Er glaubte, daß es das zweckmäßigste sei, für den Agent und den Trustee einen Amerikaner, für den Bankkommissar einen Engländer, für den Eisenbahnkommissar einen Franzosen und für den Kommissar für die verpfändeten Einnahmen einen Neutralen zu nehmen.

Der Reichsbankpräsident wünschte als Trustee keinen Amerikaner. Der Trustee müsse vor allem ein tüchtiger Geschäftsmann sein. Was die Mitarbeiter des Agent anlange, so sollte angestrebt werden, zu diesen nur Deutsche heranzuziehen.

Der Reichsminister des Auswärtigen konnte seine Bedenken gegen Leverve nicht zurückstellen. Ein Franzose als Eisenbahnkommissar werde im Reichstag das ganze Gutachten gefährden, auch würden die Sonderbestrebungen der Länder mit verstärkter Kraft einsetzen.

Der Reichskanzler teilte die Bedenken des Reichsministers des Auswärtigen.

Der Reichswirtschaftsminister glaubte, daß man bei dem Fragenkomplex Fragen ersten und zweiten Ranges unterscheiden müsse. Fragen ersten Ranges seien die Besetzung des Eisenbahnkommissars und des Agent. Für den Eisenbahnkommissar könnte man zunächst einen Neutralen anstreben; wenn dies nicht möglich sei, einen Italiener und zuletzt einen Belgier. Für den Trustee komme am besten ein Italiener, eventuell ein Belgier in Frage. Ein Franzose[695] sei als Kommissar für die verpfändeten Einnahmen am wenigsten gefährlich. Der Bankkommissar könne ein Engländer sein.

Der Reichskanzler hielt einen Franzosen als Kommissar für die verpfändeten Einnahmen gegenüber der Öffentlichkeit für sehr gefährlich.

Der Reichsminister des Auswärtigen glaubte, daß ein Franzose am besten für den Bankkommissar in Frage komme.

Der Reichswährungskommissar hielt einen Franzosen als Bankkommissar am ungefährlichsten. Er glaubte allerdings nicht, daß dies durchzusetzen sei, schon einfach deswegen, weil die Franzosen es nicht tun würden. Vielleicht sei ein Franzose als Trustee ins Auge zu fassen.

Staatssekretär Fischer wies darauf hin, daß schon eine große Reihe von Unterhaltungen wegen der Besetzungen geführt worden seien. Wenn jetzt in bezug auf den Eisenbahnkommissar das Steuer umgelegt werden solle, so müsse sofort etwas geschehen. Leverve werde sehr enttäuscht sein.

Staatssekretär Bodenstein teilte mit, daß der Reichsverkehrsminister sich mit Leverve bereits abgefunden habe.

Der Reichswährungskommissar wies darauf hin, daß Deutschland niemanden ablehnen könne, der bereits für einen Posten in Aussicht genommen sei. Ablehnende Wünsche müßten wir durch andere Mächte vorbringen. Die politischen Bedenken des Reichsministers des Auswärtigen gegen einen Franzosen als Eisenbahnkommissar würden sicher auf der Gegenseite stark wirken.

Staatssekretär Trendelenburg wies darauf hin, daß die Befugnisse des Trustee noch nicht festständen. Wenn es dem Organisationskomitee nicht gelänge, Descamps von seinen Ideen bzgl. der Obligationsgestaltung5 abzubringen, werde ein Franzose als Trustee sehr gefährlich werden.

5

Vgl. Dok. Nr. 218, P. 1.

Staatssekretär Fischer wies darauf hin, daß der Trustee gegebenenfalls Anweisungen an den Eisenbahnkommissar zu geben habe. Es sei daher nicht zweckmäßig, den Trustee und den Eisenbahnkommissar mit allzusehr sympathisierenden Leuten zu besetzen.

Der Reichswährungskommissar hielt die Frage der Sammelobligationen für die Frage der Nationalität der Kommissare nicht für entscheidend. Nicht der Trustee werde letzten Endes die Art der Obligationen bestimmen, sondern der Geldgeber.

Der Reichsminister der Finanzen bat, bezüglich des Eisenbahnkommissars noch keinen Beschluß zu fassen.

Auf seinen Vorschlag wurde festgelegt,

1.

das Kabinett ist einstimmig der Auffassung, daß der Agent ein Amerikaner sein müsse,

2.

der Reichsbankpräsident wird sich zweckmäßigerweise bei dem Bankkommissar noch nicht auf einen Holländer festlegen, damit die Möglichkeit gegeben ist, an dieser Stelle einen Vertreter der großen Länder unterzubringen.

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