2.137.1 (ma31p): Beamtenzulagen.

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Beamtenzulagen.

Der Reichskanzler berichtete, daß sich die Zentrumsfraktion am Abend des gestrigen 3. Dezember in einer ziemlich erregt verlaufenen Aussprache mit der von der Reichsregierung geplanten einmaligen Weihnachtsbeihilfe für die Beamten1[398] befaßt habe2. Die Fraktion habe ihre Zustimmung zu dem Vorschlage der Reichsregierung zunächst von der Beantwortung von 5 formulierten Fragen an das Reichskabinett, die ihm unmittelbar vor der heutigen Sitzung übergeben worden seien, abhängig gemacht. Die Fragen sind dieser Niederschrift als Anlage beigefügt3.

1

Zu der vom Kabinett geplanten Weihnachtsbeihilfe siehe Dok. Nr. 125, P. 2.

2

Das Protokoll der Sitzung der Zentrumsfraktion vom 3. 12. ist abgedr. in: Morsey, Zentrumsprotokolle, Dok. Nr. 84.

3

In der Anlage zu diesem Kabinettsprotokoll befindet sich ein von der Zentrumsfraktion am 3. 12. angenommener Antrag. Er lautet:

„Die Fraktion wolle beschließen: Vor Beschlußfassung über eine einmalige Zuwendung an die wirtschaftlich besonders schwachen Beamtengruppen das Reichskabinett zu bitten, eine Beantwortung folgender Fragen zu geben: 1) Ist die Reichsregierung bereit, die Kosten für die gleiche Zuwendung an die Beamten der Länder und Gemeinden zu übernehmen? 2) Ist die Reichsregierung bereit, den länger als 26 Wochen erwerbslosen Arbeitnehmern eine einmalige Zuwendung in Höhe einer Wochenunterstützung zu gewähren? 3) Ist die Reichsregierung bereit, den Reichszuschuß zu den Renten nach der Invalidenversicherung (4. Buch der Reichsversicherungsordnung) angemessen zu erhöhen? 4) Ist die Reichsregierung bereit, den Rentenbeziehern im Sinne des Reichsversorgungsgesetzes und den Kleinrentnern eine einmalige außerordentliche Beihilfe zu gewähren? 5) Wie hoch werden sich die Kosten solcher einmaligen Beihilfen unter gerechter Abwägung der Notlage der vorstehend genannten Schichten und der in wirtschaftlicher Not befindlichen Beamtengruppen belaufen, und glaubt die Reichsregierung aus den Einnahmen des Reiches die nötigen Deckungsmittel zur Verfügung zu haben?“ (R 43 I /1417 , Bl. 112). Gedr. in: Morsey, Zentrumsprotokolle, S. 71.

Der Reichsminister der Finanzen berichtete darauf über die von ihm in Ausführung des Beschlusses des Ministerrats vom 24. November4 unternommenen Schritte. Die Reichsregierung hatte ihn in diesem Beschluß ermächtigt, mit den Parteien über eine den Beamten zu Weihnachten zu gewährende einmalige Beihilfe zu verhandeln. Demzufolge habe er am Freitag, dem 26. November, zunächst eine Aussprache mit den Führern der Regierungsparteien gehabt. Am 27. November habe eine Erörterung der gleichen Frage mit den Vertretern der Länderregierungen und am Montag, dem 29. November, und Dienstag, dem 30. November, eine Besprechung mit den Führern der Deutschnationalen und der Sozialdemokraten stattgefunden. Der Minister fuhr fort, daß er am Freitag, dem 3. Dezember, erneut mit den Regierungsparteien verhandelt habe, denen er das Ergebnis seiner Beratung mit den Länderregierungen und den Flügelparteien bekanntgegeben habe. Er habe die Unterschrift sämtlicher Regierungsparteien unter einen dem Reichstag vorzulegenden Antrag erreicht, der inhaltlich im wesentlichen die vom Kabinett vorgeschlagene Beihilfe gebilligt habe. Der einzige Vorbehalt, der hinsichtlich der Verbindlichkeit der Unterschrift von den Parteien gemacht worden sei, sei der gewesen, daß auch die Flügelparteien sich gleichzeitig zur Mitunterzeichnung bereit erklärten und damit auf die Stellung weitergehender Anträge verzichteten. Nach schwierigen Verhandlungen sei es ihm gelungen, noch am Abend des gleichen Tages sowohl den Führer der Deutschnationalen Graf Westarp wie auch den Führer der Sozialdemokraten Hermann Müller zur Mitunterzeichnung des Antrages zu gewinnen. Nachdem nunmehr heute vormittag bekannt geworden sei, daß die Zentrumsfraktion nicht mehr zu ihrer Unterschrift stehe, sei sofort auch die Unterschrift der Deutschnationalen zurückgezogen worden. Hierdurch sei eine völlig unhaltbare[399] Situation entstanden, da die stärkste Regierungspartei ihn nach anfänglicher Zustimmung plötzlich im Stich gelassen habe. Diese Entwicklung der Dinge berühre ihn persönlich in einem so starken Maße, daß er sich zu seinem großen Bedauern genötigt sähe, ernstlich die Niederlegung seines Amtes in Erwägung zu ziehen.

4

Dok. Nr. 125, P. 2.

Es folgte eine längere Aussprache, in welcher die Mehrheit der Herren Minister der Meinung Ausdruck gab, daß es gelingen müsse, die Zentrumsfraktion davon zu überzeugen, daß sie sich an die einmal abgegebene Verpflichtungserklärung ihrer Verhandlungsführer gebunden halten müsse.

Im einzelnen wurde zu den 5 Fragen der Zentrumsfraktion folgendes bemerkt:

Zu Frage 1: Der Reichsminister der Finanzen erklärte, daß es nach seiner Auffassung für die Reichsregierung vom finanziellen Standpunkt aus völlig indiskutabel sei, den Ländern und Gemeinden, die im übrigen bezüglich der Gewährung von Weihnachtsbeihilfen gänzlich freie Hand hätten, die hierfür etwa erforderlichen Aufwendungen aus Reichsmitteln zu ersetzen5.

5

In der Sitzung des PrStMin. vom 1. 12. hatte der PrFM Höpker-Aschoff über die von der RReg. geplante Weihnachtsbeihilfe für die Reichsbeamten berichtet und dazu erklärt, daß die PrStReg. „nicht umhin könne, dem Vorgehen der Reichsregierung zu folgen, daß aber […] bei der Reichsregierung Ersatzforderungen für die dem Lande Preußen erwachsenden Aufwendungen zu erheben seien“ (Protokollauszug in R 43 I /2568 , Bl. 136–139).

Zu Frage 2 und Frage 3: Der Reichsminister der Finanzen erklärte sich bereit, baldigst berechnen zu lassen, welche Aufwendungen für die vorgeschlagenen Beihilfen erforderlich sein würden.

Zu Frage 4: Der Reichsminister der Finanzen erklärte, daß die Kriegsbeschädigten, wie im vorigen Jahre so auch in diesem Jahre, in die von der Reichsregierung beabsichtigte Unterstützungsaktion ohne weiteres mit einbegriffen seien. Bezüglich der Kleinrentner verwies er darauf, daß die Fürsorge für diesen Personenkreis ausschließlich Sache der Länder sei und daß eine Unterstützung von seiten des Reichs nicht in Frage kommen könne.

Zu Frage 5: Der Reichsminister der Finanzen erklärte sich bereit, die erforderlichen zahlenmäßigen Unterlagen baldigst zu beschaffen.

Das Reichskabinett beschloß, nach Beendigung der heute begonnenen kurzen Parlamentspause am 9. Dezember mit den Parteien erneut die Verhandlungen aufzunehmen, daß vorher aber am Nachmittag des 8. Dezember nochmals eine Kabinettsberatung stattfinden solle6, in der Annahme, daß bis dahin die vom Reichsminister der Finanzen in Aussicht gestellten Berechnungen vorliegen.

6

Siehe Dok. Nr. 141, P. 1.

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