2.146.1 (ma31p): Reichssparkommissar.

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Text

RTF

Reichssparkommissar1.

1

Zum Anlaß dieser Beratung siehe Dok. Nr. 134, P. 1.

Der Reichsarbeitsminister warf zunächst nochmals die grundsätzliche Frage der Beibehaltung des Sparkommissars auf. Er verwies auf die Bestimmungen[426] der Reichshaushaltsordnung vom 31. Dezember 1922 und meinte, daß der Reichstag sich namentlich auf Grund der §§ 97 und 101 a.a.O. durch den Rechnungshof über alle die Dinge aufklären und beraten lassen könne, die er jetzt vom Sparkommissar erwarte2. Vom Standpunkt des Reichstags aus gesehen habe der Rechnungshof im wesentlichen die gleichen Befugnisse wie der Sparkommissar. Für die Regierung sei es erträglicher, wenn sich der Reichstag des Rechnungshofs bediene, als wenn die Regierung genötigt sei, dem Reichstag in der Institution des Sparkommissars ein neues Organ zu verschaffen; denn der Sparkommissar, der zwar formell Organ der Reichsregierung, in praxi aber im wesentlichen für den Reichsrat und den Reichstag da sei, sei unerwünscht und vom Standpunkt seines Ressorts sogar unerträglich. Der Reichsarbeitsminister nahm auch insbesondere Anstoß an dem Umstand, daß man den Reichssparkommissar in allen Sitzungen des Reichskabinetts werde dulden müssen, daß man ihm damit eine ministerielle Stellung einräume, obschon er dem Reichstage gegenüber in keiner Weise verantwortlich sei. Er halte dies für eine staatsrechtliche Unmöglichkeit.

2

§ 101 der Reichshaushaltsordnung vom 31.12.22 bestimmt: „Der Rechnungshof hat sich auf Ansuchen der Reichsminister oder des Reichstags über Fragen gutachtlich zu äußern, deren Beantwortung für die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel durch die Behörden von Bedeutung ist.“ (RGBl. 1923 II, S. 30 ).

Daher schlug der Reichsarbeitsminister vor, zunächst die Regierungsparteien auf die Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung hinzuweisen, über die sie bisher offenbar im unklaren seien, und zu versuchen, sie davon zu überzeugen, daß über die bereits bestehende gesetzliche Regelung hinaus ein Reichssparkommissar entbehrt werden könne. Die im Gesetz vorgesehene Regelung sei allerdings für den Reichstag insofern etwas ungünstiger, als das für das Tätigwerden des Rechnungshofes vorgesehene Kollegialsystem schwerfälliger sei als die Funktionsmöglichkeiten des Reichssparkommissars. Aber er halte es für erträglicher, mit den Parteien über eine beweglichere Ausgestaltung der Arbeitsmethode des Rechnungshofs zu beraten, als den Sparkommissar, der ja nach seiner Entstehungsgeschichte – er wurde vor dem Inkrafttreten der Reichshaushaltsordnung geschaffen3 – nur als eine Übergangserscheinung gedacht gewesen sei, zu verewigen.

3

Die Einsetzung eines RSparkom. und die Betrauung des Präs. des Rechnungshofs, Saemisch, mit diesem Amt geht auf einen Kabinettsbeschluß vom 23.11.22 zurück; siehe diese Edition, Das Kabinett Cuno, Dok. Nr. 4.

Der Reichskanzler und der Reichsminister des Innern stimmten den Ausführungen des Reichsarbeitsministers im Prinzip zu. Sie hatten allerdings Bedenken bezüglich der praktischen Durchführbarkeit seiner Gedankengänge gegenüber den Parteien.

Der Reichsminister der Finanzen glaubte, an seinem Vorschlage der Beibehaltung des Reichssparkommissars festhalten zu müssen. Er hielt die Ausgestaltung der Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung bezüglich der Befugnisse des Rechnungshofes für die Reichsregierung für unerwünschter.

Die Minister einigten sich dahin, daß die grundsätzliche Frage zunächst noch einmal im Gesamtkabinett erörtert werden solle und daß man zunächst[427] versuchen solle, sich mit den Parteien über den Vorschlag des Reichsarbeitsministers zu verständigen. Da der Ausgang dieser Beratung jedoch immerhin zweifelhaft erschien, gingen die Herren Minister doch zu einer Beratung des von dem Herrn Reichsminister der Finanzen vorgelegten Entwurfs für die dem Reichssparkommissar an die Hand zu gebenden Richtlinien4 über. Man war sich darüber einig, daß von den Richtlinien nur dann Gebrauch gemacht werden solle, falls die von dem Reichsarbeitsminister angeregten Verhandlungen mit den Parteien5 scheitern und man sich zur Fortführung des Sparkommissariats entschließen müsse. Auf Grund der Erörterungen wurde den Richtlinien folgende Fassung gegeben.

4

Der Entwurf der Richtlinien ist in der Kabinettsvorlage des RFM vom 9.11.26 enthalten; siehe Dok. Nr. 134, Anm. 1.

5

Über solche Verhandlungen war in den Akten der Rkei nichts zu ermitteln.

Richtlinien6

6

Der folgende Text stimmt weitgehend mit Abschnitt I des vom RFM vorgelegten Richtlinienentwurfs überein. Die endgültige Fassung der Richtlinien für die Tätigkeit des RSparkom. wurde vom Kabinett Marx III in der Kabinettssitzung vom 14.12.26 (Dok. Nr. 154, P. 4) festgelegt, später vom Kabinett Marx IV bestätigt und schließlich im RMinBl. vom 6.5.27 (S. 141 f.) veröffentlicht. Die Abweichungen der Endfassung von dem oben abgedruckten Text der Richtlinien sind aus den folgenden Anmerkungen ersichtlich.

„I. Die Reichsregierung richtet an den Präsidenten des Rechnungshofs des Deutschen Reichs, Staatsminister a. D. Saemisch, das Ersuchen, sie in allen Fragen der zweckmäßigen Gestaltung, Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung zu beraten und seine bisherige Tätigkeit als Reichssparkommissar im Benehmen mit dem Reichsfinanzministerium und dem Reichsministerium des Innern je nach ihrer Zuständigkeit fortzuführen. Dabei soll nach folgenden Richtlinien verfahren werden:

1. Der Reichssparkommissar wird durch Gutachten und Vorschläge auf eine zweckmäßige, vereinfachte und wirtschaftliche Gestaltung der Verwaltung und der gesamten Haushaltsführung hinwirken; dabei wird er sein Augenmerk auch auf die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen den einzelnen Reichsverwaltungen und die Scheidung der Aufgabenkreise von Reich, Ländern und Gemeinden richten.

Der Reichsminister der Finanzen und für ihre Ressorts die übrigen Reichsminister werden jeweils besondere Ersuchen an den Reichssparkommissar richten; es bleibt ihm jedoch unbenommen, jederzeit nach Verständigung mit dem Ressortminister7 auch von sich aus8 gutachtliche Äußerungen abzugeben sowie Vorschläge zu machen und zu deren Vorbereitung die notwendigen Besprechungen mit den Ressorts abzuhalten.

7

In der Endfassung: „mit den Ressortministern“.

8

In der Endfassung folgt: „gegenüber der Reichsregierung“.

2. Zum Zwecke der Erfüllung dieser Aufgaben ist der Reichssparkommissar berechtigt, bei den Reichsbehörden in9 Verwaltungszweigen Prüfungen, insbesondere auch örtliche Besichtigungen vorzunehmen oder durch seine Beauftragten10[428] vornehmen zu lassen. Er hat sich hierüber11 mit den zuständigen Ressortministern12 vorher ins Benehmen zu setzen. Die Leiter der Behörden sind verpflichtet, ihm oder seinen Beauftragten jede gewünschte Auskunft zu erteilen und Einsichtnahme zu gestatten sowie ihm auch sonst in jeder Weise behilflich zu sein. Es können hierzu besondere Beamte bestellt werden, welche dem Reichssparkommissar oder seinen Beauftragten die erforderlichen Aufschlüsse zu geben oder zu vermitteln haben. Die Präsidenten der Landesfinanzämter werden den Reichssparkommissar bei seiner Tätigkeit selbst oder durch Beauftragte unterstützen.

9

In der Endfassung folgt: „allen“.

10

In der Endfassung: „durch sachkundige Beauftragte“.

11

In der Endfassung: „hierzu“.

12

In der Endfassung: „Reichsministern“.

Die Reichsministerien werden den Reichssparkommissar bei Bearbeitung aller Maßnahmen von organisatorischer oder finanzieller Bedeutung wie bei der Aufstellung der Haushaltsvoranschläge durch das Reichsfinanzministerium ständig beteiligen13.

13

Dieser Absatz lautet in der Endfassung: „Die Reichsministerien werden den Reichssparkommissar bei organisatorischen oder finanziellen Maßnahmen beteiligen; das Reichsfinanzministerium wird ihn bei der Aufstellung der Haushaltsvoranschläge zuziehen.“

Die Reichsregierung ermächtigt den Sparkommissar, an die Landesregierungen heranzutreten, um sich über Einrichtungen und Tätigkeit von Landes- und Gemeindebehörden zu unterrichten; er kann auf Wunsch der Landesregierung14 entsprechende Prüfungen auch bei den Landesverwaltungen vornehmen.

14

In der Endfassung: „Landesregierungen“.

3. Der Reichssparkommissar wird zu den Sitzungen des Reichsministeriums15 Einladungen erhalten. Er nimmt daran für seine Person mit beratender Stimme teil und ist berechtigt, in allen organisatorischen, finanziellen sowie sonstigen mit seiner Aufgabe in Verbindung stehenden Angelegenheiten Anträge zu stellen16. Im Falle der17 Behinderung bedarf die Entsendung eines Vertreters der Zustimmung des Staatssekretärs in der Reichskanzlei. Er ist befugt, sich an den Sitzungen des Reichstags, des Reichsrats und des Reichswirtschaftsrates oder ihrer Ausschüsse zu beteiligen18.“

15

In der Endfassung folgt: „für seine Person“.

16

Dieser Satz lautet in der Endfassung: „Er kann in allen organisatorischen, finanziellen sowie sonstigen mit seiner Aufgabe in Verbindung stehenden Angelegenheiten Anträge stellen.“

17

In der Endfassung: „seiner“.

18

In der Endfassung folgen die nachstehenden beiden Absätze:

„II. Zum Zwecke der Durchführung dieser Aufgaben wird dem Reichssparkommissar ein Büro beigeordnet, das seinen Sitz in Berlin haben und dessen Haushalt dem des Rechnungshofs des Deutschen Reichs angegliedert werden wird. Die Reichsregierung wird die dazu erforderlichen Planstellen und Mittel im Reichshaushaltsplan für 1927 anfordern. Sollte durch einen Wechsel in der Person des Präsidenten des Rechnungshofs, im Wege gegenseitiger Vereinbarung oder durch Rücktritt des Staatsministers a. D. Saemisch das eingangs bezeichnete Verhältnis gelöst werden, so treten die mit Planstellen ausgestatteten Beamten des Büros des Reichssparkommissars zum Reichsfinanzministerium über, soweit sie nicht in anderen Ressorts Verwendung finden. Bis zur Bewilligung des Haushaltsplans werden die nötigen Beamten in der bisherigen Weise zur Verfügung gestellt werden.

III. Mit der Durchführung dieses Beschlusses wird der Reichsminister der Finanzen beauftragt.“

[429] Bezüglich der unterstrichenen Sätze19 wurde eine Einigung nicht erzielt, so daß es einer Abstimmung über diese Sätze durch das Gesamtkabinett bedarf20.

19

Die unterstrichenen Sätze der Vorlage sind hier im Kursivdruck wiedergegeben.

20

Zur Kabinettsberatung siehe Dok. Nr. 154, P. 4.

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