2.199.1 (ma31p): 1. Handelsvertragsverhandlungen mit Kanada.

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1. Handelsvertragsverhandlungen mit Kanada.

Ministerialdirektor Ritter begründete die Vorlage des Auswärtigen Amts1.[621] Er wies auf die Bedeutung des Umstands hin, daß Kanada zum erstenmal geneigt sei, die volle Meistbegünstigung zu gewähren. Auch möchte er in Erinnerung bringen, daß der vom Auswärtigen Amt als äußerstes Zugeständnis vorgesehene Mehlzoll von 10,50 M höher sei als der Vorkriegszoll.

1

In der Kabinettsvorlage des AA (Ritter) vom 8.3.27 wird u. a. dargelegt, daß bei den Handelsvertragsverhandlungen mit Kanada jetzt eine Entscheidung über die Höhe des vertraglichen Mehlzolls getroffen werden müsse. Im Handelspolitischen Ausschuß sei hierüber keine Einigung erzielt worden. Das RFMin., das RWiMin. und das AA wollten die dt. Unterhändler ermächtigen, „jetzt [beim Mehlzoll] bis auf 10,50 M bei einem Weizenzoll von 5,50 herunterzugehen. Diesem Satz liegt bei einer 60%igen Ausmahlung und einem Materialzoll von 9,17 M eine Schutzspanne für die deutschen Mühlen von rund 1,30 M zugrunde. Solange der jetzige autonome Weizenzoll von 5 M noch gilt, nämlich bis zum 31. Juli 1927, soll der vertragliche Mehlzoll sich entsprechend ermäßigen (etwa 9,70 M). Zum Vergleich: Vor dem Kriege war der Vertragssatz 10,20 M, zur Zeit ist er 10 M, wobei zu berücksichtigen ist, daß vor dem Kriege der tatsächlich geltende Zoll für Weizen 5,50, jetzt aber 5 M ist.“ (R 43 I /1101 , Bl. 11). Hierzu heißt es in einer Aufzeichnung MinR Feßlers für die obige Kabinettsberatung: „Mit stärkstem Widerstande des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ist zu rechnen. Die Landwirtschaft würde sich wohl mit einem Mehlzollsatz von 12,50 Mk. abfinden, der aber bei Handelsvertragsverhandlungen nicht durchzusetzen wäre. Voraussichtlich werden die anderen deutschnationalen Minister das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft in seinen weitgehenden Forderungen nicht unterstützen. Ein Abbruch der Handelsvertragsverhandlungen mit Kanada würde die guten Aussichten vernichten, die für Handelsvertragsverhandlungen mit anderen wichtigen englischen Dominions bestehen.“ (R 43 I /1101 , Bl. 12). – Zur Vorgeschichte siehe: ADAP, Serie B, Bd. III, Dok. Nr. 145, 225, 237; Bd. IV, Dok. Nr. 45.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft gab zu, daß die jetzt angestrebten Agrarzölle dem äußeren Wert nach etwa den Bülowzöllen entsprächen. Ihrem inneren Wert nach seien sie aber durch die Veränderung des Geldwertes nur den Caprivi-Zöllen gleichzusetzen, unter denen die Landwirtschaft so sehr gelitten habe. Wenn man den Materialzoll auf 9,17 M berechne, so betrage die Schutzspanne nur 1,33 M. Dies sei bei der hohen Qualität des kanadischen Mehls zu gering. Die vom Auswärtigen Amt und vom Reichsfinanzministerium vorgebrachte Angabe, daß durchschnittlich zu 60% ausgemahlene Ware nach Deutschland eingeführt werde, bezweifle er. Unter den von einem hervorragenden Sachverständigen aus den meistgehandelten Sorten entnommenen 34 Proben seien 21 unter 60% ausgemahlen gewesen. Die Landwirtschaft und vor allem das Mühlengewerbe, das zur Zeit schwer leide, benötige daher einen Zoll von 11,50 M.

Ministerialdirektor Ernst befürwortete dringend, den Vorschlägen des Auswärtigen Amts zuzustimmen. Die Meistbegünstigung für Deutschland sei ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

Staatssekretär Dr. Trendelenburg sprach sich gleichfalls für die Vorlage des Auswärtigen Amts aus. Die Notlage des Mühlengewerbes stamme nach Ansicht des Reichswirtschaftsministeriums weniger von der handelspolitischen Lage her als von dem zur Zeit in der Durchführung begriffenen Konzentrationsvorgang des Mühlengewerbes. Die großen Mühlen seien auch jetzt rentabel, den kleinen Mühlen würde der Zollschutz auch nichts helfen.

Ministerialdirektor Ritter erinnerte daran, daß gegen den gegenwärtigen Zustand die vorgesehene Lösung immerhin eine Besserung bedeute. Er wies darauf hin, daß bis zum 1. Juli entsprechend den gegenwärtigen Sätzen sich der Mehlzoll noch entsprechend erniedrigen würde.

Das Reichskabinett entschied sich für die Anträge des Auswärtigen Amts2.

2

Am 23.3.27 vermerkte Feßler: „Die Aussichten, mit Kanada zum Abschluß zu kommen, sind ungünstig. Kanada verlangt die Herabsetzung des Mehlzolles auf 7 bis 8 Mark, während Deutschland zunächst 10,75 Mark angeboten hat. […] Aus welchen Gründen Kanada durch seine weitgehenden Forderungen den Vertragsschluß gefährdet, läßt sich noch nicht erkennen.“ Schließlich vermerkte Feßler am 13. 4.: „Die Verhandlungen sind ergebnislos abgebrochen worden, da keine Einigung über den Mehlzoll zu erzielen war. Vielleicht geht eine Anregung zur Fortsetzung der Verhandlungen im Herbst von Kanada aus, wenn das [kanadische] Parlament erneut zusammentritt. Inzwischen werden die Kanadier die Mehllieferungen nach Deutschland an die Vereinigten Staaten verlieren. […]“ (R 43 I /1101 , Bl. 17). Vgl. ADAP, Serie B, Bd. V, Dok. Nr. 69.

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