2.25.1 (ma31p): 1. Fortsetzung der Aussprache über die Wahl des Generaldirektors der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft.

Zur ersten Fundstelle. Zum Text. Zur Fußnote (erste von 12). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Marx III und IVDas Kabinett Marx IV Bild 146-2004-0143Chamberlain, Vandervelde, Briand und Stresemann Bild 102-08491Stresemann an den Völkerbund Bild 102-03141Groener und Geßler Bild 102-05351

Extras:

 

Text

RTF

1. Fortsetzung der Aussprache über die Wahl des Generaldirektors der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft1.

1

Vgl. Dok. Nr. 11 und Dok. Nr. 22, P. 1.

Vor Eintritt in die Verhandlung teilte Staatssekretär Fischer mit, daß er seinen[53] Herrn Minister2, der in St. Moritz weile, schriftlich um Instruktion gebeten habe. Eine solche sei bisher nicht eingetroffen3. Da er daher nicht in der Lage sei, den Standpunkt des Reichsfinanzministeriums kundzutun, erbitte er die Genehmigung des Kabinetts dazu, sich an der Verhandlung nicht zu beteiligen und sich bis zur Verhandlung des Punktes 2) entfernen zu dürfen.

2

RFM Reinhold.

3
 

In einem eigenhändigen Brief RFM Reinholds vom 13.6.26 aus St. Moritz an den RK heißt es: „Ich stehe auf dem Standpunkt, daß die Reichsregierung die Bestätigung [der Wahl Dorpmüllers zum Generaldirektor] nicht aussprechen soll, da – bei aller Anerkennung der Fähigkeiten des Herrn D. – er nicht die genügend sichere Gewähr dafür bietet, daß er die Geschäfte der Reichseisenbahn als (wenn ich es so sagen darf) Treuhänder des Reichs führt. Ich wäre deshalb außerordentlich dankbar, wenn bei der ungeheuren Wichtigkeit der Angelegenheit mir Gelegenheit geboten würde, meine Auffassung im Kabinett darzulegen, ehe es zu einem positiven Entschluß im Sinne der Bestätigung kommt.“ (R 43 I /1054 , Bl. 77–79). Diesem Brief ist ein Schriftwechsel zwischen RFM Reinhold und StS Fischer beigefügt: In einem Schreiben vom 8.6.26 aus St. Moritz an Fischer sprach Reinhold seine Mißbilligung darüber aus, daß Fischer als Mitglied des Verwaltungsrats der RB-Gesellschaft bei der Wahl des Generaldirektors mitgewirkt habe, ohne sich anscheinend nach der Auffassung des RK, des RVM oder des Kabinetts erkundigt zu haben. „Bei dem durch Vorgänge der letzten Monate recht gespannten Verhältnis der Reichsregierung zu der Reichsbahngesellschaft und bei dem leider zu Tage tretenden Streben der Reichsbahn, gestützt auf das Londoner Protokoll [vom 16.8.24 über die Ingangsetzung des Dawes-Plans], einen Staat im Staate zu bilden, kommt es auf die Wahl des Generaldirektors ganz entscheidend an. Ich glaube sogar, Sie werden mir darin recht geben, wenn ich die Wahl des Generaldirektors als die schlechthin wichtigste Funktion des Verwaltungsrates bezeichne. Wenn in einer solchen Frage zwischen den von der Deutschen Reichsregierung ernannten Verwaltungsratsmitgliedern und der Reichsregierung selbst keine vorhergehende unzweideutige Vereinbarung getroffen worden ist, so ist das tief bedauerlich. Unverständlich aber ist mir, welchen Sinn es haben soll, daß aktive Reichsbeamte Mitglieder des Verwaltungsrates sind, wenn sie bei einer solchen entscheidenden Abstimmung sich über die Willensmeinung des Kabinetts nicht durch eingehende Rücksprache vorher Kenntnis verschafft haben, umso mehr, als Ihnen aus einem gelegentlichen Gespräch mit mir […] zweifellos bekannt sein mußte, daß die Reichsregierung zwei andere Kandidaturen sehr ernsthaft in Erwägung zog.“ In seinem Antwortschreiben an Reinhold vom 10.6.26 versicherte Fischer, daß er über die beiden Kandidaten der RReg. nicht unterrichtet worden sei. Er nehme an, daß Luther und Krohne gemeint seien. Die Kandidatur Krohnes hätte beim Verwaltungsrat keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Nach den Mitteilungen, die er, Fischer, über das Ergebnis der Aussprache zwischen dem RK und v. Siemens (vgl. Dok. Nr. 11) erhalten habe, habe er annehmen müssen, „daß der Herr Reichskanzler die Vornahme der Wahl in der ihm vorgetragenen Richtung [d. h. Wahl Dorpmüllers zum Generaldirektor] nicht aufgehalten wissen wollte.“ (R 43 I /1054 , Bl. 80–87).

Das Kabinett nahm hiervon Kenntnis.

Der Reichskanzler ersuchte Staatssekretär Fischer, bei Punkt 2) wieder zu erscheinen.

Staatssekretär Fischer verließ darauf den Sitzungssaal.

Sodann berichtete der Reichskanzler kurz über die Angelegenheit. Die Materie lasse sich in drei Fragen zergliedern:

1.

müsse eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob man die Wahl des Generaldirektors Dorpmüller bestätigen wolle oder nicht,

2.

müsse geprüft werden, ob die deutschen Verwaltungsratsmitglieder ihre Pflicht getan hätten,

3.

müsse eine Bereinigung des Verhältnisse der Reichsregierung und Reichsbahn angestrebt werden, was wohl am besten durch eine Aussprache mit dem Verwaltungsrat erfolgen könne.

 

[54] Der Reichsminister des Auswärtigen glaubte, daß diese Aussprache vor allem mit Herrn von Siemens stattfinden müsse. Da dieser aber, wie er höre, zur Zeit nicht in Berlin weile, müsse die ganze Sache bis zur Rückkehr des Herrn von Siemens zurückgestellt werden. Bei der Aussprache sei vor allem die Frage der Mitwirkung des Reichs bei Ernennung des Generaldirektors zu klären. Es sei zu verlangen, daß der Verwaltungsrat dieses Recht anerkenne4. Was die Haltung der Verwaltungsratsmitglieder, insbesondere des Staatssekretärs Fischer, anlange, so glaube er, daß Letzterer stark überlastet und daher nicht in der Lage sei, sich ausreichend mit den Verwaltungsfragen der Reichsbahn zu befassen. Die Reichsbahn sei doch ein deutsches Unternehmen, und er habe nie verstanden, daß die Reichsbahn gegen das Reich ein Schiedsgericht angerufen habe5. Es müsse seines Erachtens dafür gesorgt werden, daß die Vertretung im Verwaltungsrat von einem Manne übernommen werde, der von anderen Aufgaben entlastet sei.

4

Die Satzung der RB-Gesellschaft vom 30.8.24 (RGBl. II, S. 281 ) enthielt folgende Bestimmungen über die Bestellung des Generaldirektors und der Direktoren: § 19, Abs. 3: „Der Generaldirektor wird vom Verwaltungsrate auf drei Jahre mit einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen ernannt […]. Die Direktoren werden vom Verwaltungsrat auf Vorschlag des Generaldirektors ernannt.“ Abs. 4: „Die Ernennung des Generaldirektors und der Direktoren bedarf der Bestätigung des Reichspräsidenten.“

5

Gemeint ist die Anrufung des Reichsbahngerichts durch die RB-Gesellschaft bei Streitigkeiten zwischen der RReg. und der Gesellschaft. Vgl. Dok. Nr. 28, Anm. 12 und Nr. 34, Anm. 9.

Im übrigen erinnere er sich, daß anläßlich der Wahl des Vizegeneraldirektors Dorpmüller das Kabinett sich gegen eine evtl. spätere Ernennung des Herrn Dorpmüller zum Generaldirektor gewandt habe6. Er wisse allerdings nicht mehr, aus welchen Motiven dies geschehen sei.

6

Siehe diese Edition, Die Kabinette Luther I/II, Dok. Nr. 111: Ministerbesprechung vom 25.6.25, P. 1.

Der Reichsarbeitsminister glaubte, daß man am besten tue, die Entscheidung über die Bestätigung der Wahl bis nach erfolgter Aussprache mit dem Verwaltungsrat offen zu halten.

Der Reichspostminister hält eine längere Hinauszögerung der Bestätigung deshalb für bedenklich, weil dadurch die Autorität des neuen Generaldirektors stark leide. Er persönlich halte Dorpmüller für den geeigneten Mann und müsse daher eine sofortige Bestätigung der Wahl empfehlen. Unabhängig davon könne dann die Aussprache mit dem Verwaltungsrat stattfinden.

Staatssekretär Dr. Kempner verlas Punkt 1) des Protokolls der Ministerbesprechung vom 25. Juni 19257.

7

Anm. 6.

 

Der Reichswirtschaftsminister hält eine sachliche Aussprache über das Verhältnis der Reichsregierung und Reichsbahn vor einem Beschluß über die Bestätigung der Wahl Dorpmüllers für unbedingt erforderlich. Er sei der gleichen Ansicht wie der Reichsminister des Auswärtigen, daß Staatssekretär Fischer überlastet sei. Man müsse bei der Aussprache mit dem Verwaltungsrat anstreben, daß der Reichsverkehrsminister zu den Verwaltungsratssitzungen zugezogen werde. Zusammenfassend gehe seine Meinung also dahin, daß man heute keinen Beschluß über die Wahl Dorpmüllers fassen solle, sondern sich[55] zunächst an Herrn von Siemens wenden und ihn zu einer Aussprache einladen müsse. An dieser Aussprache werde zweckmäßig auch Herr Dorpmüller teilnehmen.

Der Reichskanzler hielt es für richtig, die Frage der Haltung des Staatssekretärs Fischer von der Debatte abzutrennen und einer späteren Beratung im Kreise der Minister zu überweisen.

Das Kabinett erklärte sich damit einverstanden.

 

Der Reichsverkehrsminister führte aus, daß nach dem von Staatssekretär Dr. Kempner verlesenen Protokoll das Kabinett damals auf dem Standpunkt gestanden hätte, Herr Dorpmüller käme als Generaldirektor überhaupt nicht in Frage. In diesem Sinne habe er damals einen Brief an Staatssekretär Fischer8 verfaßt, den er verlas. Abschrift dieses Briefes habe Herr Generaldirektor Oeser erhalten. Darauf sei eine Antwort der Reichsbahn eingelaufen, die von Herrn Generaldirektor Oeser und Herrn von Siemens unterschrieben sei9. In dieser Antwort, die ebenfalls zur Verlesung kam, nimmt der Verwaltungsrat von dem Standpunkt der Reichsregierung Kenntnis und behält sich bezüglich einer Neuwahl des Generaldirektors freie Hand vor.

8

In den Akten der Rkei nicht zu ermitteln.

9

In den Akten der Rkei nicht zu ermitteln.

Der Reichsarbeitsminister warf dazwischen, daß man auf diesen Brief hätte von Regierungsseite nochmals antworten müssen.

 

Der Reichsverkehrsminister glaubt, daß dies nicht notwendig gewesen sei, da in dem ersten Brief der Standpunkt der Regierung klar zum Ausdruck gekommen sei. Im übrigen lege auch er Wert auf eine Aussprache mit dem Verwaltungsrat. Eine solche habe bereits unter Reichskanzler Dr. Luther in der Reichskanzlei stattgefunden. Diese Aussprache werde wohl am besten ohne Herrn Dorpmüller vor sich gehen. Es scheine ihm auch von Bedeutung zu sein, daß nach ihm gewordenen Mitteilungen der Verwaltungsrat vor der Abstimmung von Herrn von Siemens nicht ausreichend informiert worden sei über das, was der Kanzler Herrn von Siemens mitgeteilt habe10. Vielleicht sei auch dadurch das Ergebnis der Abstimmung beeinflußt worden.

10
 

Gemeint ist die Unterredung zwischen dem RK und v. Siemens am 4.6.26 vor der Wahl Dorpmüllers durch den Verwaltungsrat; siehe Dok. Nr. 11.

Der Reichskanzler stellte fest, daß die Mehrzahl der Herren sich für eine Aussetzung der Entscheidung bis nach der Besprechung mit dem Verwaltungsrat ausgesprochen hätte. Was den Einwand des Herrn Reichspostministers anbetreffe, daß durch eine Verzögerung der Genehmigung die Autorität des Herrn Dorpmüller leide, so sei dieses Moment allerdings nicht zu unterschätzen; aber die Schuld daran treffe vor allem den Verwaltungsrat. Bei der Wichtigkeit der Angelegenheit müsse hier mit großer Sorgfalt vorgegangen werden. Er möchte auch empfehlen, eine Pressenotiz über die heutige Sitzung herauszugeben.

Der Reichspostminister bat nochmals um beschleunigte Erledigung der ganzen Sache.

 

Der Reichskanzler erklärte, er werde sich mit Herrn von Siemens alsbald in Verbindung setzen.

 

[56] Der Reichsverkehrsminister bemerkte, daß der neuernannte stellvertretende Generaldirektor Weirauch11 von der Regierung als „Direktor“ überhaupt noch nicht bestätigt sei. Die Reichsbahn habe seinerzeit drei Herren, nämlich Wolf, Hammer und Weirauch, zu Direktoren ernannt, ohne eine Bestätigung der Regierung nachzusuchen. Diese Bestätigung sei jetzt vor etwa 2–3 Monaten beantragt worden, bis heute jedoch noch nicht erfolgt. Die Reichsbahn stehe auf dem Standpunkt, daß es genüge, wenn jetzt nachträglich Herr Weirauch als Direktor bestätigt werde. Sie könne ihn dann ohne weiteres zum stellvertretenden Generaldirektor ernennen. Er sei der Auffassung, daß dies kein gangbarer Weg sei und daß diese Frage auch in die Aussprache mit Herrn von Siemens einbezogen werden müsse.

11

Siehe Dok. Nr. 11, Anm. 4.

Ministerialdirektor Dr. Kiep verlas darauf folgende Pressenotiz:

„Das Reichskabinett befaßte sich in seiner heutigen Sitzung mit der Wahl des Generaldirektors der Reichsbahn. Es wurde beschlossen, vor endgültiger Stellungnahme zu der Angelegenheit, zwecks Klärung gewisser sachlicher Fragen, mit dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats der Reichsbahn in Verhandlungen zu treten.“

Diese Notiz wurde vom Kabinett genehmigt.

Der Reichsarbeitsminister schlug vor, die Verhandlungen nunmehr abzubrechen und den Herrn Reichsverkehrsminister zu bitten, eine Vorlage über die in der Aussprache mit dem Verwaltungsrat zu behandelnden Punkte dem Kabinett zu machen.

Der Reichsverkehrsminister erklärte, er werde gern einem solchen Wunsche nachkommen und eine Vorlage machen. Er müsse aber betonen, daß es sich hauptsächlich um die Frage der Einstellung der Herren des Verwaltungsrats überhaupt handele.

Das Kabinett beschloß, die Verhandlungen daraufhin abzubrechen. Der Reichsverkehrsminister wird die gewünschte Vorlage dem Kabinett machen12.

12

Siehe Dok. Nr. 28.

Extras (Fußzeile):