2.37.1 (ma31p): 1. kleiner Besserungsschein.

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1. kleiner Besserungsschein2.

2

Siehe hierzu Dok. Nr. 35 und Nr. 36.

Der Reichsminister der Finanzen berichtete über seine Verhandlungen mit dem Reparationsagenten3. Er brachte zum Ausdruck, daß nach seiner Meinung die Revisionsmöglichkeiten durch das in Aussicht genommene Arrangement nicht erschwert würden. Eine Ablehnung des Vorschlags des Reparationsagenten werde dagegen die Situation sehr versteifen. Wenn Bedenken bezüglich der Leistungsfähigkeit Deutschlands angesichts des Arrangements geäußert würden, so seien diese vielleicht durch eine entsprechende Erklärung des Reparationsagenten zu zerstreuen, eine Erklärung, die besage, daß die beabsichtigte Mehrzahlung im dritten Reparationsjahr deutscherseits keine Anerkennung einer erhöhten Leistungsfähigkeit bedeute. Der Reichsbankpräsident4, mit dem er über die Angelegenheit gesprochen habe, habe ihn gebeten, aus wirtschaftlichen und finanziellen Gründen zu einem Arrangement mit dem Reparationsagenten zu kommen.

3

Parker Gilbert.

4

Schacht.

[89] Demgemäß bitte er, ihn zu ermächtigen, die Verhandlungen mit dem Reparationsagenten weiterzuführen, vielleicht unter Zuziehung des Reichsministers des Auswärtigen; die Verhandlungen sollten zunächst noch völlig unverbindlich geführt werden.

Der Reichsminister des Auswärtigen äußerte erhebliche Bedenken gegen den vorgebrachten Plan. Der Moratoriumsgedanke werde durch die Erhöhung der Zahlungen im dritten Reparationsjahr beseitigt. Die Glättung der Übergänge der Zahlungen in den einzelnen Jahren erachte er für bedenklich. Die in Aussicht genommene Erklärung des Reparationsagenten werde keine genügende Beruhigung schaffen. Wo sei auch die Gegenleistung der Gegenseite für ein derartiges Entgegenkommen Deutschlands, zumal die Gegenseite mit ihren Leistungen (z. B. Besatzungsstärke) sehr im Verzug sei? Angesichts der Wirtschaftslage (2 Millionen Arbeitslose) müsse ein solches Arrangement einen falschen Eindruck von der deutschen Leistungsfähigkeit geben. Innenpolitisch erscheine ihm ein solches Vorgehen auf die größten Widerstände zu stoßen.

Der Reichskanzler hielt die Ausführungen des Reichsministers der Finanzen bezüglich der finanziellen Seite nur dann für zutreffend, wenn man davon ausgehe, daß tatsächlich im 4. und 5. Reparationsjahr die vorgesehenen Zahlungen geleistet würden. Das käme aber doch wohl nicht in Betracht. Unter diesem Gesichtspunkte sei es bedenklich, den großen Sprung vom 3. zum 4. Reparationsjahre zu beseitigen. Gerade mit Rücksicht auf die Revisionsmöglichkeit sei eine Ermäßigung der Zahlungsverpflichtung im 4. und 5. Reparationsjahr das Verkehrteste, was man tun könne. Eine freiwillige Vorwegzahlung führe außerdem sicherlich zu falschen Schlüssen über unsere Zahlungsfähigkeit. Er halte das Vorgehen für recht bedenklich.

Ministerialdirektor Ritter wies darauf hin, daß die Devisenbilanz und Zahlungsbilanz verfälscht seien. Bei erhöhter Zahlung im 3. Reparationsjahr würden sich die Schwierigkeiten in den kommenden Jahren nur verschärfen, ohne daß durch das Arrangement die Revisionsmöglichkeiten verbessert werden. Er machte außerdem darauf aufmerksam, daß es gerade ein Erfolg der Londoner Verhandlungen5 gewesen sei, die im 3. und 4. Reparationsjahr aufgrund des Kleinen Besserungsscheines entstehenden Verpflichtungen erst im 4. und 5. Reparationsjahr fällig werden zu lassen6.

5

Londoner Verhandlungen über die Durchführung des Dawes-Plans im August 1924.

6

Siehe auch die Aufzeichnung des MinDir. Ritter für diese Ministerbesprechung, in: ADAP, Serie B, Bd. I,1, Dok. Nr. 255.

Der Reichsminister der Finanzen gab zu, daß der finanzielle Standpunkt allein nicht ausschlaggebend sein dürfe. Er frage sich aber, wie eine Ablehnung auf die Gegenseite wirken müßte. Müßten deshalb nicht gerade die Verhandlungen unverbindlich weitergeführt werden? Es müßte vor allem beachtet werden, daß bei einer Ablehnung weitere größere Schwierigkeiten mit dem Kommissar für die verpfändeten Einnahmen7 bevorständen. Um allen Möglichkeiten vorzubeugen, sei vielleicht neben der bereits von ihm erwähnten Erklärung bezüglich der Leistungsfähigkeit Deutschlands noch eine weitere Sicherung bez. des Transfers zu verlangen. Außerdem müßten natürlich, wie er schon ausgeführt[90] habe, seine Wünsche bezüglich der verpfändeten Einnahmen und des Einspruchsrechts des Kommissars für diese Einnahmen erfüllt werden. Wenn alle diese Voraussetzungen nicht erreicht würden, könne man dann immer noch die Verhandlungen abbrechen.

7

McFadyean.

Der Reichskanzler äußerte Bedenken, jetzt weiter zu verhandeln, wenn man entschlossen sei, das Arrangement abzulehnen.

Der Reichswirtschaftsminister wies darauf hin, daß eine Begründung für die Ablehnung in stichhaltiger Form gefunden werden könne. Die Wirtschaft könne eine Mehrleistung im 3. Reparationsjahr einfach nicht tragen8.

8

Siehe auch das Schreiben des RWiM Curtius vom 10. 6. an RFM Reinhold, in: ADAP, Serie B, Bd. I,1, Dok. Nr. 244.

Der Reichsminister des Auswärtigen regte an, den deutschen Botschafter in Paris9 und die Kriegslastenkommission über ihre Meinungen zu befragen. Dem Reparationsagenten könne, falls er Wert darauf lege, und zwar durch ihn, mitgeteilt werden, daß der Reichsminister der Finanzen mit seinen Vorschlägen auf große Bedenken im Kabinett gestoßen sei, welcher Art diese Bedenken seien, und daß darüber noch eingehende Erörterungen gepflogen werden müßten.

9

v. Hoesch.

Das Kabinett war mit diesem Vorschlage einverstanden10.

10

Zum Fortgang siehe Dok. Nr. 69, P. 3.

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