2.53.1 (ma31p): 1. Deutsch-französische Wirtschaftsverhandlungen.

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1. Deutsch-französische Wirtschaftsverhandlungen.

Der Reichswirtschaftsminister trug vor, daß die Reichsregierung sich jetzt darüber zu entschließen habe, ob die bisherige Richtlinie bei den deutsch-französischen Wirtschaftsverhandlungen, eine Einigung über das Luxemburger Abkommen und das internationale Eisenkartell erst gleichzeitig mit dem deutsch-französischen Handelsvertrag zustandekommen zu lassen, beibehalten werden solle1. Es habe zur Zeit den Anschein, als ob der Abschluß des deutsch-französischen Handelsvertrages in naher Zeit nicht bevorstehe. Angesichts der bekannten Bedeutung einer deutsch-französischen Einigung in der Eisenwirtschaft empfehle er daher der Regierung, dem Stahlwerksverband jetzt den Abschluß der Abkommen frei zu geben mit der Maßgabe, daß eine kurzfristige Kündigungsklausel eingesetzt werde und daß die Eisenindustrie sich der Regierung gegenüber verpflichte, auf Wunsch der Regierung diese Kündigungsklausel gegebenenfalls unverzüglich anzuwenden. Herr Poensgen, der Leiter der Verhandlungen auf deutscher Seite, glaube, daß die Franzosen eine Kündigungsklausel hinzunehmen geneigt seien, weil die Möglichkeit der Stabilisierung des Franken es ihnen nützlich erscheinen lasse, noch jetzt zum Abschluß zu kommen, ehe die Verteilungsquote für sie ungünstiger werde.

1

Mit Schreiben an das RWiMin. vom 5.7.26 hatte der Stahlwerksverband (Poensgen) beantragt, die RReg. möge sich mit den geplanten internationalen Vereinbarungen 1) über die Einfuhr von Rohstahl aus Luxemburg und Lothringen nach Deutschland und 2) über eine Rohstahlgemeinschaft zwischen Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg einverstanden erklären (vgl. ADAP, Serie B, Bd. I,1, Dok. Nr. 269; zum bisherigen Verlauf der Verhandlungen über ein internationales Eisenkartell siehe ADAP, a.a.O., Dok. Nr. 72, 157, 202, 247). Zuvor hatte Botschafter Hoesch in einer Aufzeichnung vom 2. 7. die Befürchtung geäußert, „daß die deutschen Schwerindustriellen, die bekanntlich auf die baldige Inkraftsetzung des internationalen Eisenabkommens größten Wert legen, sich über etwaige Wünsche der Deutschen Regierung, den Abschluß des Handelsvertrages [mit Frankreich] als Vorbedingung für die Inkraftsetzung des Eisenabkommens weiter gelten zu lassen, hinwegsetzen und die Deutsche Regierung vor ein fait accompli stellen. […] An sich ist das Eisenabkommen natürlich eine Angelegenheit von größter Bedeutung, nicht nur für Deutschland selbst, sondern auch für die ganze Welt. Es muß selbstverständlich alles getan werden, um zu verhindern, daß dieser Eisenpakt nochmals in Frage gestellt wird. Auch aus diesem Gesichtspunkt heraus schiene es mir sehr geboten, möglichst bald die Vorbedingungen zu schaffen, die für die Erteilung der Zustimmung zur Inkraftsetzung des Paktes als notwendig erscheinen.“ ADAP, a.a.O., Dok. Nr. 265.

Der Reichswirtschaftsminister schlug demgemäß vor, daß durch ein Schreiben seines Ressorts dem Stahlwerksverband die Zustimmung der Reichsregierung[120] zum Abschluß der Verträge mitgeteilt werde unter den genannten Bedingungen, nämlich 1. daß eine Kündigungsklausel erreicht werde, und 2. daß die Zusicherung gegeben werde, daß diese Kündigungsklausel von den Eisenindustriellen auch angewendet werde2. Die Ratifikation würde zweckmäßigerweise erst einige Wochen später vorgenommen werden. Hinsichtlich der Preispolitik hegte der Reichswirtschaftsminister für die nächste Zeit keine wesentlichen Bedenken, weil er nicht annahm, daß eine Preiserhöhung zur Zeit im Interesse der Industrie selbst sei.

2

Diese Bedingungen wurden Generaldirektor Poensgen durch RWiM Curtius schriftlich mitgeteilt: ADAP, Serie B, Bd. I,1, Dok. Nr. 269; siehe dort auch Dok. Nr. 273 und 299.

Das Abkommen über die internationale Rohstahlgemeinschaft wurde am 30.9.26 von Vertretern der deutschen, französischen, belgischen und luxemburgischen Eisenindustrie unterzeichnet; siehe Dok. Nr. 110, Anm. 7.

Das Kabinett stimmte dem von dem Herrn Reichswirtschaftsminister vorgeschlagenen Verfahren zu.

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