2.61.1 (ma31p): Konkordatsfragen.

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Konkordatsfragen1.

1

In Aufzeichnungen vom 1. 5. und 6.6.26 hatte MinDir. Pünder über den Stand der Verhandlungen zwischen der Kurie und der Pr. Reg. über ein preußisches Konkordat berichtet und dabei auch die Frage eines Reichskonkordats angeschnitten (R 43 I /2202 , Bl. 265–268). In einer für den RK bestimmten Aufzeichnung vom 3. 7. hatte Pünder dann gebeten, „sich damit einverstanden erklären zu wollen, daß wir nunmehr zu einer vertraulichen Aussprache über die Möglichkeiten eines Reichskonkordats einladen. Beteiligt wären nur die Herren Reichsminister des Auswärtigen und Innern mit ihren Referenten. Diese erste Aussprache wird seitens der beteiligten Dienststellen […] sehr begrüßt. In Betracht kommt selbstverständlich nur ein sogenanntes Dachkonkordat, da sonst in die Rechte der Länder eingegriffen werden müßte. Schon jetzt darf ich darauf hinweisen, daß auch bei Schaffung eines solchen bloßen Dachkonkordats wir zweifellos dem lebhaften Einspruch Preußens begegnen werden, das bereits vor Jahresfrist sich in einem an das Innenministerium und das Auswärtige Amt gerichteten Schreiben gegen jegliche Konkordatsverhandlungen des Reichs gewehrt hat [siehe diese Edition, Die Kabinette Marx I/II, Dok. Nr. 361]. Dieser damalige Einspruch kann m. E. natürlich die Reichsregierung nicht hindern, in solch interne vorläufige Besprechungen einzutreten. Wie gegenüber Preußen in dieser Frage weiter vorgegangen werden soll, läßt sich erst überblicken, wenn einmal der Text eines solchen Reichs-Dachkonkordats vorliegt und auf der anderen Seite das Ergebnis der preußischen Konkordatsverhandlungen zu übersehen ist. Ob letztere überhaupt zu einem Ziel führen, ist auch zur Stunde noch völlig ungewiß; zum mindesten ist festzustellen, daß die Verhandlungen Becker-Pacelli überaus langsam vonstatten gehen. – Über den positiven Inhalt des in Betracht kommenden Reichs-Dachkonkordats geben sich die beteiligten Stellen keinen übertriebenen Erwartungen hin. Im wesentlichen würden seine Formulierungen auf eine Wiederholung der einschlägigen Leitsätze der Reichsverfassung hinauslaufen. Aber auch selbst für diesen Fall würde das Auswärtige Amt den Abschluß eines Reichskonkordats sehr begrüßen, da es zweifellos zu einer Befestigung der guten Beziehungen zwischen Reich und Kurie beitragen würde.“ (R 43 I /2202 , Bl. 269). Siehe auch die Aufzeichnung des Vortr.LegR Meyer-Rodehüser vom 17.7.26, in: ADAP, Serie B, Bd. III, Dok. Nr. 165.

Der Reichskanzler machte einleitend kurze Ausführungen über die jetzige Situation. Er betonte, daß u. a. die Frage zu entscheiden sei, ob zuerst das Schulgesetz geschaffen werden solle oder das Konkordat.

Der Reichsminister des Innern wies darauf hin, daß Preußen sich gegen ein Reichskonkordat ausgesprochen habe. Bisher habe das Reich gegen diesen Standpunkt Preußens nichts unternommen. Wenn nun ein Reichskonkordat vor dem Schulgesetz komme, dann würde das Schulgesetz nicht sachlich beurteilt werden. Er schlage eine Fühlungnahme mit Preußen wegen eines Reichskonkordats vor. In persönlichen Besprechungen mit den in Frage kommenden Abgeordneten hoffe er, das Schulgesetz bald zum Abschluß zu bringen2.

2

Am 12.11.26 erklärte RIM Külz vor dem RT, er hoffe zuversichtlich, „das Schulgesetz Ende dieses Monats oder spätestens Anfang des nächsten Monats im Kabinett zur Verabschiedung bringen zu können“ (RT-Bd. 391, S. 8069 ); dem Kabinett Marx III wurde ein Reichsschulgesetzentwurf jedoch nicht vorgelegt. Vgl. dazu Politisches Jahrbuch 1926, S. 524; Grünthal, Reichsschulgesetz und Zentrumspartei in der Weimarer Republik, S. 188 ff., 276 ff.

[136] Staatssekretär v. Schubert schloß sich im wesentlichen diesen Ausführungen an.

Auf eine Frage des Reichskanzlers erwiderte der Gesandte z. D. Graf Zech, daß von deutschen Ländern nur Preußen in Konkordatsverhandlungen mit der Kurie stehe, die jedoch richtiger als Vorbesprechungen zu bezeichnen seien.

Es bestand Übereinstimmung darüber, daß der Reichsminister des Innern gemäß seinem Vorschlage zunächst mit Preußen Fühlung nehmen solle wegen der Frage eines Reichskonkordats. Dabei würde Preußen klar zu machen sein, daß das Reich in sein Konkordat nur gewisse in der Reichsverfassung enthaltene Grundsätze aufnehmen werde3. Vor dem Abschluß eventueller Konkordatsverhandlungen mit der Kurie müsse jedenfalls der Entwurf eines Schulgesetzes vom Reichstag verabschiedet werden.

3

Am 23. 8. vermerkte Pünder: Er habe am 20. 8. eine Aussprache mit MinDir. Trendelenburg vom PrWissMin. gehabt. Er, Pünder, habe Trendelenburg gegenüber „erneut unterstrichen, daß einerseits die gegenwärtige wie auch die frühere Reichsregierung auf das baldige Zustandekommen eines Reichskonkordats größten Wert lege, daß sie aber auf der anderen Seite aus diesem Anlaß einen weiteren Konfliktstoff mit Preußen unter allen Umständen vermeiden wolle. Das Schreiben der Preußischen Staatsregierung, betreffend Protest gegen ein etwaiges Reichskonkordat, sei im Schoße der Reichsregierung eingehend erörtert worden. Man sei aber zu der Ansicht gelangt, daß auch unter völliger Wahrung der Zuständigkeiten Preußens, dem selbstverständlich der staatliche Kirchenvollzug belassen bleiben müsse, noch Raum für ein Reichskonkordat übrig bleibe. Es komme lediglich darauf an, unter den beteiligten Preußischen und Reichsstellen einmal die Zuständigkeiten klar herauszuarbeiten und in Richtlinien festzulegen.“ Pünder habe Trendelenburg gebeten, sich entsprechend der Einladung des RIMin. an der Festlegung solcher Richtlinien zu beteiligen (R 43 I /2202 , Bl. 279). Am 10. 9. kam es zu einer Aussprache zwischen RK Marx, StS Pünder und dem PrWissM Becker. Wie Pünder vermerkte, habe Becker dem Gedanken gleichzeitiger Konkordatsverhandlungen Preußens und des Reichs „bisher offensichtlich wenig günstig“ gegenübergestanden. Unter dem Eindruck der Ausführungen des RK und Pünders habe sich Becker jedoch mit der Abhaltung gemeinsamer Ressortbesprechungen einverstanden erklärt, in denen anhand von Richtlinien geklärt werden sollte, „welche [Konkordats-]Materien von Reichs wegen und welche von Preußen wegen zu regeln sein werden“ (Vermerk Pünders vom 10. 9. in R 43 I /2202 , Bl. 290). Daraufhin fand am 7. 10. eine gemeinsame Besprechung zwischen Ressortvertretern des Reichs und Preußens über die Konkordatsfrage statt; siehe Dok. Nr. 88.

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