2.67.4 (ma31p): 4. Bericht über den Stand des Arbeitsbeschaffungsprogramms.

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4. Bericht über den Stand des Arbeitsbeschaffungsprogramms.

Der Reichsarbeitsminister gibt einen Überblick über die Arbeiten der Ministerialkommission3. Dieselben seien gut vorwärtsgekommen und hätten Erfolge gezeitigt. Er beantragt sodann, zunächst Punkt 7 der Tagesordnung „Kontingent der ausländischen landwirtschaftlichen Wanderarbeiter für das Jahr 1927“ an dieser Stelle vorweg zu behandeln.

3

Vgl. die Protokolle der Sitzungen der Ministerialkommission für Arbeitsbeschaffung vom 28. 7. und 10.8.26 im RArbMin. (R 43 I /2031 , Bl. 265–269 und Bl. 315–319; im gleichen Band weitere Vorgänge zur Durchführung des Arbeitsbeschaffungsprogramms der RReg.).

Das Kabinett ist damit einverstanden.

Der Reichsarbeitsminister trägt den Sachverhalt vor4 und beantragt eine Herabsetzung des Kontingents der ausländischen landwirtschaftlichen Wanderarbeiter auf 100 000.

4

In seiner Kabinettsvorlage vom 10.8.26 führte der RArbM aus: Der RT habe am 26. 6. eine Entschließung angenommen, wonach die Arbeitsgelegenheit in der Landwirtschaft zunehmend erfahrenen dt. Arbeitern zugewendet und das widerrechtliche Verbleiben poln. Wanderarbeiter unterbunden werden solle (RT-Bd. 409 , Drucks. Nr. 2430 ). Inzwischen sei der Bau von Landarbeiterwohnungen im Rahmen des Arbeitsbeschaffungsprogramms in die Wege geleitet und auch die Rückführung von Arbeitskräften von der Stadt auf das Land erfolgreich in Angriff genommen worden. Daher werde sich eine Verminderung des Kontingents ausländischer Wanderarbeiter von 130 000 auf 90 000 ermöglichen lassen. Eine solche Verminderung sei auch wegen der anhaltend schlechten Arbeitsmarktlage und der drückenden Belastung durch die Erwerbslosenfürsorge unbedingt notwendig. Der RArbM beantragt, der Festsetzung des Kontingents der ausländischen landwirtschaftl. Wanderarbeiter für 1927 auf 90 000 zuzustimmen (R 43 I /2031 , Bl. 288–289).

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft ist mit der vorgeschlagenen Regelung einverstanden.

Der Reichsminister der Finanzen bittet um Nachprüfung, ob eine Ausschaltung ausländischer Industriearbeiter, insbesondere im Ruhrgebiet, in Betracht gezogen werden kann.

Der Reichsarbeitsminister sagt zu, die Arbeitsnachweise anzuweisen, in eine Prüfung dieser Frage einzutreten.

[154] Das Kabinett stimmt dem Antrage des Reichsarbeitsministers auf Herabsetzung des Kontingents der ausländischen landwirtschaftlichen Wanderarbeiter auf 100 000 zu5.

5

In einem Schreiben an den RArbM vom 24.8.26 erklärte der PrMinPräs. (i. V. Weismann), er wolle gegen den Beschluß der RReg., 100 000 landwirtschaftliche Wanderarbeiter für 1927 zuzulassen, im jetzigen Zeitpunkt keine Einwendungen erheben. Doch könne er einer Zulassung ausländischer Arbeiter, „gleichviel in welcher Zahl“, künftig nicht mehr zustimmen. „Es ist politisch und wirtschaftlich schlechterdings unerträglich, einerseits 100 000 ausländische landwirtschaftliche Arbeiter nach Deutschland hereinzulassen, – zu denen eine nennenswerte Anzahl amtlich nicht legitimierter Zeitarbeiter hinzutritt –, während andererseits etwa 2 000 000 Erwerbslose, darunter eine erhebliche Zahl von Landarbeitern, aus öffentlichen Mitteln unterhalten werden müssen. […] Der letzte Grund für die Heranziehung der Wanderarbeiter ist […] der, daß die landwirtschaftlichen Unternehmer meist immer noch nicht gewillt sind, die ihnen den Arbeitnehmern gegenüber obliegenden Pflichten, insbesondere was die Entlohnung und die wohnliche Unterbringung angeht, in vollem Umfange zu erfüllen. Ohne einen scharfen Druck werden die Arbeitgeber hier auch nicht entgegenzukommen bereit sein. Werden aber landwirtschaftliche Zeitarbeiter überhaupt nicht mehr zugelassen, so würde dies wesentlich dazu beitragen, die Voraussetzungen zu schaffen für eine erfolgreiche Heranziehung deutscher Landarbeiter bzw. für die Umsiedlung deutscher Arbeiter auf das Land. Nur dann würde auch Aussicht sein, der weiteren Entvölkerung des platten Landes mehr als bisher Einhalt zu tun und den durch die ausländischen Wanderarbeiter hervorgerufenen nationalpolitischen Gefahren in den Ostprovinzen erfolgreich zu begegnen.“ (R 43 I /2031 , Bl. 365–366).

Der Reichsarbeitsminister stellt sodann nach längeren Ausführungen das Kanalbauprogramm im Rahmen des Reichsarbeitsbeschaffungsprogramms zur Verhandlung.

Der Reichsverkehrsminister stellt gewisse konkrete Forderungen bezüglich des Wasserstraßenprogramms6. Er beleuchtet zunächst die besonderen Verhältnisse des Mittellandkanals, dessen Durchführung an die Zustimmung gewisser Länder gebunden sei7, was erhebliche Verzögerungen mit sich brächte. Er stellte sodann die Forderung, das Projekt Ottmachau in Schlesien sofort in Angriff[155] zu nehmen, ebenso die Kanalisierung der Weser. Auf beide Projekte könne das Reichsverkehrsministerium nicht verzichten.

6

In der Ministerbesprechung vom 28.6.26 hatte das Kabinett zunächst dem vom RVM vorgelegten Wasserstraßenbauprogramm zugestimmt (Dok. Nr. 40, P. 2). In der Chefbesprechung über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen vom 6. 7. wurde jedoch auf Antrag des RFM einschränkend festgestellt, daß die vom RVMin. neu geplanten Bauten, für die im Haushalt noch keine Mittel bereitgestellt sind, erst begonnen werden dürfen, wenn der RT sich damit einverstanden erklärt habe. „Diese Zustimmung des Reichstags erscheint unentbehrlich, weil die Inangriffnahme dieser Bauten erhebliche finanzielle Belastungen für die kommenden Jahre bedeutet und weil bei den meisten Projekten auch noch wichtige grundsätzliche Fragen, vor allem wirtschafts- und verkehrspolitischer Art, geklärt werden müßten.“ (Protokoll in R 43 I /1414 , Bl. 30–32). Daraufhin ersuchte der RVM den RFM mit Schreiben vom 12. 7., die Mittel für die Fortführung des Mittellandkanals, für den Bau des Staubeckens von Ottmachau und des Küstenkanals Campe-Dörpen sowie für die Weserkanalisierung auch ohne besondere Reichstagsvorlage zur Verfügung zu stellen, damit diese Bauvorhaben sofort in Angriff genommen werden können. Der RT werde hiergegen keinen Einspruch erheben, da er bereits der Arbeitsbeschaffungsaktion der RReg. zugestimmt habe, die auch das Wasserstraßenbauprogramm einschließe. „Anderenfalls muß ich Einspruch dagegen erheben, daß für die anderen in Aussicht genommenen Arbeiten (Eisenbahnen etc.) Mittel aufgewendet werden, ohne daß der Reichstag neu befragt wird. […] Kommen die Wasserstraßenbauten jetzt nicht zum Zuge, so wird dies im übrigen als ein Sieg der Reichsbahn in ihrem Kampf gegen die Wasserstraßen angesehen werden.“ (R 43 I /2031 , Bl. 187–188). Zum derzeitigen Stand der Wasserstraßenplanung siehe auch das Schreiben des RVM an den Reichswasserstraßenbeirat vom 9.8.26 (R 43 I /2138 , Bl. 153–156).

7

Am 24.7.26 war zwischen dem Reich und den Ländern Preußen, Sachsen, Braunschweig und Anhalt ein Staatsvertrag über die Vollendung des Mittellandkanals unterzeichnet worden. Vgl. hierzu die Vorlage des RVM an den RT vom 18.1.28 (RT-Bd. 421 , Drucks. Nr. 3871 , Teil I).

Der Reichsminister der Finanzen begrüßt grundsätzlich das Kanalbauprogramm des Reichsverkehrsministers, glaubt aber, daß so weittragende Projekte lediglich unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsbeschaffung nicht in Angriff genommen werden könnten. Man sei bisher im wesentlichen nur an Aufgaben herangetreten, zu denen die Mittel vom Reichstag bereits grundsätzlich bewilligt waren. Dies sei aber beim Kanalbauprogramm noch nicht geschehen, zumal dieses zweifellos unrentabel sei. Das Kanalbauprogramm in seinem ganzen Umfange sei überhaupt nur mit Hilfe einer Auslandsanleihe durchführbar. Daher müsse er darauf bestehen, daß vorab der Reichstag zu dem ganzen Programm einheitlich Stellung nehme. Er fasse seine Stellungnahme kurz dahin zusammen: da, wo die Pläne bereits vom Reichstag bewilligt seien, sei das Finanzministerium zu Entgegenkommen bereit, aber trotz des Gesichtspunktes der Arbeitsbeschaffung nicht in den Fällen, wo das Parlament sie noch nicht bewilligt habe. Er bittet, es daher bei der bisherigen Übung zu belassen. Grundsatz: Kein stückweiser Beginn ohne parlamentarische Genehmigung.

Der Reichsverkehrsminister macht längere Ausführungen über die für den Regelfall nicht vorhandene Rentabilität der Wasserstraßen.

Der Reichsarbeitsminister zergliedert die Begriffsbestimmung der genehmigten Projekte. Ottmachau müsse man als genehmigt betrachten.

Der Reichsminister der Finanzen bittet nochmals, das große Kanalbauprogramm dem Reichstag einheitlich vorzulegen, um dann auch seine Finanzierung nach einheitlichen Gesichtspunkten durchzuführen. Er gibt zu, daß in bezug auf Ottmachau in Anbetracht der besonderen gesetzlichen Grundlage ein Sonderfall vorliege. Hier sei er daher zu einem gewissen Entgegenkommen bereit, indem er entsprechende Summen im Nachtragshaushalt nach weiteren Verhandlungen zur Verfügung stellen werde. Ebenso sei er bereit, über die vom Herrn Reichsverkehrsminister angeforderten 8 Millionen für die Gerätebeschaffung8 zu verhandeln.

8

Es handelt sich um die Beschaffung von Geräten für die Reichswasserstraßenverwaltung.

Der Reichsarbeitsminister knüpft hieran an und stellt den Antrag, für den Campe-Dörpen-Kanal ebenfalls Mittel zur Verfügung zu stellen, so wie es der Reichsfinanzminister jetzt für das Projekt Ottmachau zugesagt habe. Ganz allgemein bemerke er, daß er seinerzeit das Wasserstraßenprogramm im Reichstag eingehend vorgetragen habe9, so daß man wohl annehmen könne, daß der Reichstag genügende Kenntnis von diesem Programm habe.

9

Im Rahmen seiner Ausführungen über das Arbeitsbeschaffungsprogramm der RReg. in der Sitzung des RT vom 28.6.26 hatte der RArbM auch das Wasserstraßenbauprogramm vorgetragen (RT-Bd. 390, S. 7639  ff.).

Der Reichsverkehrsminister geht weiter und ist entgegen dem Reichsminister der Finanzen der Auffassung, daß der Reichstag mit dem von dem Reichsarbeitsminister vorgeschlagenen Wasserstraßenprogramm bereits einverstanden sei. Er beantrage daher, falls das Kabinett das Einverständnis des Reichstags nicht unterstelle, auf jeden Fall das Projekt Ottmachau in Angriff zu nehmen. Falls er[156] aber das Einverständnis des Reichstags unterstelle, außerdem das Projekt Campe-Dörpen, den Weserausbau und das Untermain-Projekt in Angriff zu nehmen.

Nach längerer Aussprache kommt es zu folgender Einigung:

Der Reichsminister der Finanzen erklärt sich bereit, daß das Projekt Ottmachau, das Kanalprojekt Campe-Dörpen und die Erneuerung des Geräteparks in den 2. Nachtragsetat 1926 eingestellt wird und daß im Rahmen des unmittelbaren Arbeitsbeschaffungsprogramms im Wege des Vorgriffs die Bauten Ottmachau und Campe-Dörpen sofort in Angriff genommen werden können, Campe-Dörpen jedoch erst dann, wenn die Zustimmung Preußens vorliegt. Bezüglich des Geräteparkes soll hinsichtlich der Höhe der zu verausgabenden Summe noch eine Verhandlung zwischen dem Finanzminister und Reichsverkehrsminister stattfinden.

Im übrigen beschließt das Kabinett, daß das gesamte Wasserstraßenprogramm, so wie es seinerzeit grundsätzlich vom Kabinett gebilligt ist, sofort weiter vorbereitet werden soll, so daß es mit aller Beschleunigung dem Reichstag bei seinem nächsten Zusammentritt einheitlich vorgelegt werden könne. Hiermit war der Herr Reichsfinanzminister einverstanden10.

10

Über die Bereitstellung von Mitteln für Kanalbauten beschloß die RReg. in der Kabinettssitzung vom 6. 10. (Dok. Nr. 87, P. 3).

Der Reichsarbeitsminister regt im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zum Arbeitsbeschaffungsprogramm an, den Enqueteausschuß11 zu veranlassen, eingehende Erhebungen über die gegenwärtigen Zinsquoten und Bankzinsen der Kreditinstitute anzustellen. Das Wirtschaftsministerium seinerseits solle sich bemühen, Einblick in das Material der Reichsbank bezüglich dieser Fragen zu erhalten, denn bei zu hohen Zinssätzen würde die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen des Arbeitsbeschaffungsprogramms in Frage gestellt.

11

Gemeint ist der auf Grund des Gesetzes vom 15.4.26 (RGBl. I, S. 195 ) gebildete „Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft“.

Der Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium12 weist demgegenüber auf die Feststellung der Reichsbank hin, daß die Zinsbedingungen nicht übertrieben seien. Er bezweifle, daß die Reichsbank ihr Material zur Einsicht zur Verfügung stellen werde. Er halte außerdem den gegenwärtigen Augenblick nicht für günstig, die Enquetekommission um eine Feststellung über die Zinsgebarung der Kreditinstitute zu ersuchen.

12

Trendelenburg.

Der Reichsarbeitsminister hält an seiner Stellungnahme fest. Man dürfe vor den Banken nicht zurückweichen. Er bittet das Reichswirtschaftsministerium, den Enqueteausschuß zu veranlassen, an die Untersuchung der Zinsbedingungen heranzugehen.

Der Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium bemerkt, daß der Enqueteausschuß gegenwärtig auf Urlaub sei. Er bittet das Kabinett, keinen entsprechenden Beschluß zu fassen. Er sei jedoch bereit, einen solchen vorzubereiten und ihn dem Kabinett als zuständiges Ressort demnächst vorzulegen.

[157] Der Reichskanzler ersucht den Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium, alsbald mit dem Enqueteausschuß über eine Nachprüfung der Zinsbedingungen der Kreditinstitute in Verbindung zu treten, um alsdann dem Kabinett Bericht zu erstatten und ausführliche Vorschläge über ein weiteres Vorgehen in dieser Angelegenheit zu machen.

Der Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium erklärt sich bereit, entsprechende Fühlung zu nehmen13.

13

In den Akten der Rkei war über eine solche Fühlungnahme nichts zu ermitteln. Das Ergebnis der Erhebungen des Enqueteausschusses über die Kreditbedingungen der Banken ist veröffentlicht in: Der Bankkredit. Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft, Verhandlungen und Berichte des Unterausschusses für Geld-, Kredit- und Finanzwesen, Berlin 1930.

Übereinstimmung herrschte dahin, daß Reichswirtschafts- und Reichsarbeitsministerium gemeinsam die von verschiedenen Seiten als bevorstehend bezeichnete Stillegung des Hüttenwerkes „Rote Erde“ bei Aachen nachprüfen, weil wegen der besonderen Verhältnisse des Aachener Reviers ein besonderes Interesse an der Klarstellung besteht.

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