2.78 (ma31p): Nr. 78 Vermerk des Staatssekretärs Pünder über die Fürstenabfindung in Preußen. 8. September 1926

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[199] Nr. 78
Vermerk des Staatssekretärs Pünder über die Fürstenabfindung in Preußen. 8. September 19261

1

Nachdem der Versuch einer reichsgesetzlichen Regelung der Fürstenabfindung gescheitert war und die RReg. ihren diesbezüglichen GesEntw. am 2.7.26 zurückgezogen hatte (Dok. Nr. 48), fiel die vermögensrechtliche Auseinandersetzung mit den ehemaligen Fürstenhäusern wieder an die Länder zurück. Während die meisten Landesregierungen sich mit den Fürsten bereits im Vergleichswege geeinigt hatten, stand vor allem in Preußen eine abschließende Vermögensregelung mit den Hohenzollern noch aus; der Vergleich vom 12.10.25 (R 43 I /2206 , Bl. 3–33) war dem PrLT nicht vorgelegt worden. Anfang Juli 1926 ersuchte der Bevollmächtigte des vormaligen Pr. Königshauses v. Berg das PrStMin. um die Wiederaufnahme von Vergleichsverhandlungen. In seiner Antwort vom 21.7.26 erklärte sich der PrMinPräs. Braun hierzu unter der Bedingung bereit, daß die Verhandlungen an das Ergebnis der Beratungen des RT über den Entwurf des Fürstenabfindungsgesetzes anknüpften (vgl. Politisches Jahrbuch 1926, S. 528). Am 3.9.26 vermerkte ORegR v. Stockhausen: „Die Verhandlungen zwischen dem Preußischen Staat und dem Vertreter des Kaiserlichen Hauses sind kürzlich wieder aufgenommen worden. […] Preußen soll in seinem Vorgehen und in seinen Forderungen gegenwärtig gemäßigt sein. Es hat den Anschein, als ob die Verhandlungen sich ganz gut anließen. Eine Veranlassung zum Eingreifen ist gegenwärtig daher seitens des Reichs nicht gegeben; vielmehr wird man mit angespanntester Aufmerksamkeit den Gang der Verhandlungen verfolgen müssen, um gegebenenfalls, insbesondere nach der Fürstenseite hin, einen Druck auszuüben, da unter allen Umständen vermieden werden soll, daß der Reichstag sich in seiner nächsten Session erneut mit der Frage der Fürstenabfindung beschäftigt.“ (R 43 I /2207 , Bl. 167).

R 43 I /2207 , Bl. 172

Anläßlich seines Aufenthaltes beim Herrn Reichspräsidenten in Dietramszell2 hat Herr Staatssekretär Meissner gestern mit dem Herrn Reichspräsidenten auch über den Stand der Fürstenentschädigung gesprochen. Der Herr Reichspräsident hat von sich aus auf Exzellenz von Berg eingewirkt in Richtung auf eine mäßigende Haltung der Fürstenvertreter. Dem Herrn Reichspräsidenten ist auch bekannt geworden, daß die maßgeblichen preußischen Regierungsstellen einem baldigen Vergleiche sehr geneigt sind. Nach Meinung des Herrn Reichspräsidenten scheint diese Geneigtheit beim Herrn preußischen Justizminister3 stärker zu sein als beim Herrn preußischen Finanzminister4. (Dies ist auch nach meinen Informationen zutreffend). Der Herr Reichspräsident hat nun die persönliche Bitte an den Herrn Reichskanzler: Der Herr Reichskanzler möchte bei erster Gelegenheit doch auf den ihm politisch nahestehenden Herrn Minister am Zehnhoff dahin einzuwirken suchen, daß die preußische Staatsregierung mehr und mehr einem baldigen Vergleichsabschluß geneigt wird[200] und auch auf dieses Ziel positiv hinarbeitet5. Herr Reichspräsident sieht eine politisch sehr schwierige Lage voraus, falls es notwendig werden sollte, im November erneut den Reichstag6 mit dieser Angelegenheit zu befassen. Wie Herr Meissner mir mitteilte, erwägt der Herr Reichspräsident tatsächlich für den Fall einer zu starken Linksentwicklung des Kompromisses oder gar einer völligen Enteignung Verweigerung seiner Unterschrift und seinen Rücktritt7.

2

Urlaubsort Hindenburgs in Oberbayern.

3

am Zehnhoff.

4

Höpker-Aschoff.

5

Nach einem Vermerk Stockhausens vom 13.9.26 fand eine Aussprache des RK mit dem PrJM am Zehnhoff über die Fürstenauseinandersetzung am 12. 9. statt. „Herr Minister am Zehnhoff zeigte sich dabei recht pessimistisch und glaubte, daß eine Lösung schwer zu finden sein würde.“ (R 43 I /2207 , Bl. 173).

6

Der RT war am 2.7.26 in die Ferien gegangen und trat erst wieder am 3. 11. zu seiner nächsten Sitzung zusammen.

7

Am 14.9.26 vermerkte MinDir. Offermann, er habe an der Sitzung des Pr. Kabinetts vom 13. 9. teilgenommen, in der die Frage der Fürstenabfindung erörtert worden sei. „Der Preuß. Finanzminister gab einen eingehenden Bericht über die mit der Krone stattgehabten Verhandlungen. Aus diesem Bericht geht hervor, daß die Hohenzollern sowie die Nebenlinien, die Albrecht- und die Leopoldlinie, zu einem größeren Entgegenkommen bereit sind. […] Die Hauptlinie ist bereit, auf 50 000 Morgen Land zu verzichten, die beiden Nebenlinien auf je 25 000 Morgen. Den ehemaligen Fürstenhäusern kommt es allem Anschein nach besonders darauf an, möglichst viel bares Geld in die Hand zu bekommen. Durch eine Erhöhung der Entschädigung in bar wird ein Verzicht auf Grundbesitz unter Umständen zu erreichen sein. Das Preußische Kabinett nahm von dem Bericht Kenntnis, ohne Stellung hierzu zu nehmen. Der Finanzminister wurde beauftragt, im Sinne der bisherigen Verhandlungen weiterzuarbeiten mit dem Ziel der baldigen Erreichung eines Vergleichs. Übereinstimmung bestand darüber, daß es höchst unerfreulich sein würde, wenn diese Vergleichsverhandlungen scheitern sollten.“ (R 43 I /2207 , Bl. 174; Protokoll der Sitzung des PrStMin. vom 13. 9. ebd., Bl. 175–176).

Die Verhandlungen führten am 6.10.26 zur Unterzeichnung eines Vertrages über die Vermögensauseinandersetzung zwischen dem Pr. Staat und dem früheren Pr. Königshaus (Drucks. des PrLT Nr. 4160; auch in R 43 I /2207 , Bl. 178–192). Der PrLT genehmigte den Vertrag am 15. 10. in dritter Lesung gegen die Stimmen der Kommunisten und bei Stimmenthaltung der Sozialdemokraten. Vgl. Politisches Jahrbuch 1926, S. 528 ff.; Egelhaaf 1926, S. 188 f.

Pünder

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