1.113.1 (ma32p): Besoldungsfragen.

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Besoldungsfragen.

Der Reichsminister der Finanzen berichtete, daß am Vormittag im Haushaltsausschuß die Verhandlungen über die Besoldungsreform insofern eine ungünstige Entwicklung genommen hätten, als die Regierungsparteien bei entscheidenden Abstimmungen über den Abschnitt V des Gesetzes (Regelung der Bezüge der Wartestands- und Ruhestandsbeamten) verschieden abgestimmt hätten1. Ein von der Volkspartei und den Deutschnationalen ausgehender Antrag auf Einstufung der Ruhestands- und Wartestandsbeamten in die neue Besoldungsordnung – Drucksache Nr. 1540 – sei gegen die Stimme des Zentrums angenommen worden. Das Zentrum habe grundsätzlich an der Regierungsvorlage festgehalten2, habe allerdings den Abänderungsantrag gestellt, daß Pensionäre mit einem Grundgehalt von mehr als 12 000 M von der Besoldungserhöhung auszuschließen seien. Dieser Antrag des Zentrums (Nr. 1541 der Drucksachen) sei nach der einen Meinung angenommen, nach einer anderen Meinung abgelehnt[1117] worden. Ob dieser Antrag des Zentrums der Volkspartei und den Deutschnationalen den Anlaß zu ihrem Antrag gegeben habe, oder ob umgekehrt das Vorgehen der Rechten das Zentrum zur Einbringung seines Antrags bestimmt habe, sei gleichfalls ungeklärt. Reichsminister Köhler erklärte weiter, daß er alsbald, nachdem ihm über diese zugespitzte Lage im Haushaltsausschuß berichtet worden sei, persönlich im Ausschuß erschienen sei und eine Erklärung des Inhalts abgegeben habe, daß die Reichsregierung nach seiner Auffassung verlangen müsse, daß der Ausschuß mindestens insoweit an der Regierungsvorlage festhalte, daß das finanzielle Ausmaß der Auswirkungen der Auschußbeschlüsse die Gesamtsumme des von der Regierung vorgesehenen Totalaufwands nicht übersteige. Innerhalb dieses finanziellen Rahmens werde er, soweit nötig, seine Mitarbeit zu etwa gewünschten Verschiebungen nicht versagen. Der Führer des Zentrums, Herr von Guérard, habe ihm nach der Sitzung erklärt, daß seine Partei sowie die Bayerische Volkspartei die Verhandlungen im Ausschuß nur dann fortsetzen würden, wenn zuvor im Namen der Reichsregierung eine formelle Erklärung abgegeben werde, die die Stellungnahme der Reichsregierung zu der durch die Annahme des Antrages der Volkspartei und der Deutschnationalen Partei geschaffenen Lage klar lege.

1

Siehe die Niederschrift über die Sitzung des Haushaltsausschusses vom 29.11.27; Protokolle der Beratungen des Haushaltsausschusses über den Entwurf des Besoldungsgesetzes in RT-Bd. 420 , Beilage I zu RT-Drucks. Nr. 3765 .

2

Nach der Regierungsvorlage des Besoldungsgesetzes sollten die Wartestands- und Ruhestandsbeamten, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes (1.10.27) aus dem aktiven Dienst ausgeschieden waren, nicht in die neue Besoldungsordnung eingruppiert werden, sondern bestimmte Zuschläge zu ihren bisherigen Bezügen erhalten; siehe § 24 des Entwurfs des Besoldungsgesetzes, RT-Drucks. Nr. 3656, Bd. 419 . Vgl. auch Dok. Nr. 308.

Der Reichskanzler führte aus, daß ihm der Zeitpunkt sehr nahe gekommen zu sein scheine, in welchem die Reichsregierung sich in möglichst fester Form einstimmig hinter die Regierungsvorlage stellen müsse, mit dem Hinweis darauf, daß das Reichskabinett gegebenenfalls die erforderlichen Konsequenzen ziehen werde, wenn es mit seinem Standpunkt nicht durchdringen sollte.

Der Reichsminister der Justiz stimmte diesen Ausführungen des Reichskanzlers grundsätzlich zu, meinte jedoch, daß der gegenwärtige Zeitpunkt noch nicht der richtige sei. Bei den Verhandlungen über die Besoldungsreform in erster Lesung3 seien noch manche Punkte ungeklärt geblieben, für welche ein Ausgleich gesucht werden müsse. Die Reichsregierung könne sich daher jetzt durchaus noch auf ihren bisherigen Standpunkt zurückziehen, daß sie erkläre, für die erste Lesung der Besoldungsreform an der Regierungsvorlage formell festhalten zu wollen, daß sie sich aber eine endgültige Stellungnahme für die Zeit vorbehalte, wo das Gesamtbild des Ergebnisses der ersten Lesung vorliege. Das Kabinett könne dann zwischen der ersten und der zweiten Lesung versuchen, mit den Führern der Regierungsparteien zu einem Ausgleich zu kommen. Diesem Standpunkt schlossen sich die Reichsminister v. Keudell und Schätzel im wesentlichen an.

3

Gemeint ist die 1. Lesung des Besoldungsgesetzes im Haushaltsausschuß des RT.

Der Reichsarbeitsminister gab zu bedenken, daß die Schwierigkeiten der jetzigen Situation tiefer lägen, als daß ihnen durch rein taktische Erklärungen abgeholfen werden könne. Die Zentrumspartei trage bei der jetzigen Situation vor der Öffentlichkeit allein die Verantwortung für die Ablehnung der Anträge auf Einstufung der Pensionäre und Wartestandsbeamten, obschon die übrigen Regierungsparteien materiell durchaus davon überzeugt sein müßten, daß ihre Anträge wegen der ungeheueren finanziellen Auswirkungen für die Regierung praktisch undurchführbar seien. Wenn daher die Zentrumspartei erklärt habe,[1118] daß sie die Verhandlungen im Ausschuß nicht weiter fortsetzen werde, bevor die Reichsregierung zu der jetzigen Lage klar Stellung genommen habe, so werde dieser Widerstand der Zentrumspartei sich nicht dadurch beheben lassen, daß der Reichsminister der Finanzen allein im Ausschuß erscheine und dort lediglich in seinem Namen spräche.

Zu festen Beschlüssen kam es nicht, zumal da der Reichsminister der Justiz darauf hinwies, daß in einer politisch so bedeutungsvollen Situation das Gesamtkabinett bindende wichtige Beschlüsse ohne Beteiligung der nicht anwesenden volksparteilichen Minister4 nicht gefaßt werden könnten. Auf Wunsch des Kabinetts sagte der Reichskanzler zu, daß er versuchen werde, sich unverzüglich mit den Führern der Zentrumsfraktion in Verbindung zu setzen und zu versuchen, mit diesen einen Weg für die weitere Behandlung der Besoldungsreform im Haushaltsausschuß zu vereinbaren. Es wurde in Aussicht genommen, die Ministerbesprechung alsdann nochmals wiederaufzunehmen5.

4

Stresemann und Curtius.

5

Nach Zeitungsberichten fand am 30. 11. eine Parteiführerbesprechung über die Festsetzung der Pensionen statt, bei der jedoch keine Einigung erzielt wurde (DAZ Nr. 559/560 vom 1. 12.). Die Kabinettsberatungen über die Besoldungsvorlage wurden am 1. 12. fortgesetzt; siehe Dok. Nr. 360.

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