1.134.1 (ma32p): 1. Reichshaushalt 1928.

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1. Reichshaushalt 1928.

MinDir. Lothholz berichtete über die Verhandlungen über den Reichshaushalt 19281 in den vereinigten Ausschüssen des Reichsrats. Sie wünschten, über den Stand der Phoebus-Film-Angelegenheit unterrichtet zu werden2, nachdem den Parteien des Reichstags hierüber Auskunft gegeben worden sei3.

1

RR-Drucks. 1927, Nr. 154.

2

Siehe Dok. Nr. 371, Anm. 3.

3

Siehe Dok. Nr. 372, Dok. Nr. 375 sowie Anm. 6 zu Dok. Nr. 375.

Auf Vorschlag Preußens seien die Mittel zum Bau eines Panzerschiffs gestrichen worden4. Die Durchführung des Bauprogramms sei wegen der hohen Kosten fraglich. Die Mittel für den Bau eines neuen Kreuzers zu bewilligen, sei der Reichsrat bereit.

4

Im Haushalt des RWeMin. für 1928 waren 9,3 Mio RM als erster Teilbetrag für den Bau des Panzerschiffs A vorgesehen. Das PrStMin. hatte am 13.12.27 beschlossen, daß die vom PrStMin. ernannten RR-Mitglieder die Ablehnung der Ausgaben für das Panzerschiff beantragen sollten (Protokollauszug in R 43 I /2287 , Bl. 129 f.). Bei den Etatsberatungen in den Ausschüssen des RR wurde jedoch dem Haushalt des RWeMin. einschließlich der ersten Baurate für das Panzerschiff „nach eingehender Prüfung und Erörterung zugestimmt“ („Ausführungen des Ministerialdirektors Dr. Brecht über den Reichshaushalt für 1928 in der Vollsitzung des Reichsrats vom 16. Dezember 1927“, in R 43 I /878 , Bl. 207–213, bes. Bl. 210). Erst in der Plenarsitzung des RR vom 17. 12. (siehe unten Anm. 8) wurden die Ausgaben für das Panzerschiff abgelehnt. Vgl. dazu: Brecht, Mit der Kraft des Geistes, S. 51 ff.; Wacker, Der Bau des Panzerschiffes ‚A‘ und der Reichstag, S. 62 ff.

Für Messen will der Reichsrat dagegen 2 Millionen Reichsmark in den Etat einsetzen, davon 1,2 Millionen für Leipzig, den Rest für die anderen Messestädte.

Für Ostpreußen würden 15, für die Westgrenze 5 Millionen Reichsmark gewünscht. Zur Beschaffung dieser Mittel sollten im Wehretat und im Etat des Reichsfinanzministeriums Streichungen vorgenommen werden, für die der Reichsrat Vorschläge der Reichsregierung erwartet.

Auf Vorschlag des Reichswehrministers wurde beschlossen, daß dieser den Reichsrat vom Stande der Phoebus-Angelegenheit in Kenntnis setzen wird.

Der Reichswehrminister begründete die Notwendigkeit des Baues eines Panzerschiffes5. Ohne dieses könne weder ein geordneter Marine- noch der[1163] Werftbetrieb aufrecht erhalten werden. Die Weiterentwicklung der Industrie, die für die Ausrüstung des Schiffes in Frage käme, würde schwer leiden. Das Bauprogramm verteile sich auf 6–10 Jahre, auf jedes entfielen etwa 40 Millionen Reichsmark. Die Marine stelle sich auf den Küstenschutz und auf die Machtverhältnisse in der Ostsee ein. Die an sich äußerst engen Grenzen der Entwicklung, die durch den Versailler Vertrag gezogen seien, müßten ausgenutzt werden.

5

Am 15.12.27 übersandte Korvettenkapitän Baeumker an RegR Planck eine streng vertrauliche „Stellungnahme des Reichswehrministeriums zu den [nicht ermittelten] Bemerkungen Preußens über den Bau des Panzerschiffes ‚A‘“; wie Baeumker mitteilte, war die Stellungnahme am 14. 12. an die Bevollmächtigten der Länder beim RR verteilt worden. In der Stellungnahme des RWeMin. heißt es: Die Bewilligung des Panzerschiffs A bedeute die Einleitung eines Erneuerungsprogramms für die bisherigen Linienschiffe der dt. Flotte. Der Preis von 80 Mio RM pro Schiff sei reichlich geschätzt und werde sich bei stabilen Lohnverhältnissen voraussichtlich noch senken lassen. „Es ist richtig, daß mit einer Tonnage von 10 000 t keine vollwertigen Linienschiffe der Dreadnought-Klasse geschaffen werden können. Es ist aber festzustellen, daß der Bau der Riesenschiffe, außer bei den größten Mächten, jetzt im allgemeinen eingestellt ist, und daß die kleineren Seemächte sich durchweg auf den Bau von kräftigen 10 000-t-Kreuzern beschränken, auf die Erneuerung ihrer etwa vorhandenen sehr großen Schiffe verzichten u. sich zum Teil auch mit einer kleinen Klasse von Panzerschiffen begnügen (z. B. Schweden, dessen Schiffe rd. 8000 t groß sind, oder Spanien – 15 800 t). Diese Nationen halten es also für durchaus richtig, für ihre besonderen Zwecke Panzerschiffe II. Ranges zu halten […], weil sie in erster Linie ihre Rüstung auf den Schutz der Küste und des Handels gegen Blockade einstellen. […] Die Erneuerung unserer Linienschiffe durch hochmoderne Panzerschiffe des jetzt projektierten Typs bedeutet keinen qualitativ minderwertigen Endeffekt, sondern die Aufrechterhaltung des jetzt bestehenden Rüstüngszustandes. Ohne den Bau dieser Schiffe würde den leichten Seestreitkräften der […] Rückhalt in Erfüllung ihrer Aufgaben fehlen. Diese Aufgaben sind kurz die folgenden: Der Kriegsfall mit einer Seemacht I. Ranges ist für Deutschland nicht ins Auge zu fassen. Vorstellbar dagegen sind Kriegslagen, bei denen mittlere Seemächte mit ihren gesamten Streitkräften oder eine bestimmte größere Seemacht mit detachierten Streitkräften den Blockade-Versuch gegen Deutschland unternimmt bei abwartender Haltung oder anderweitigem Engagement der Großmächte. Der Verzicht auf die Abwehr eines solchen Versuchs, der z. B. auch auf Erzwingung einer unerwünschten Kriegsleistung gerichtet sein kann, würde der bedingungslose Verzicht auf die politische Selbständigkeit, ja auf Behauptung der etwaigen Neutralität, überhaupt sein, und in Ermangelung von starken Schiffen würde schon ein verhältnismäßig geringer Druck Deutschland zu den gewünschten Zugeständnissen zwingen können, da die einsetzende Blockade in kürzester Zeit den inneren Widerstand zum Erliegen bringt. Ferner ist zu bedenken, daß die deutsche Küste von Schleswig-Holstein bis zur Odermündung durch den Friedensvertrag von jeglicher Verteidigung entblößt ist und daher an vielen Stellen offene Einfallstore darbietet (Eckernförde, Kiel, Travemünde usw.). Diese Lücke müssen kampfkräftige Schiffe schließen. […] Nach Ansicht des Reichswehrministeriums kann eine auf keinerlei Machtmittel gestützte Diplomatie grundsätzlich keine Erfolge erwarten. Nur ein Staat, der nach Maßgabe seiner Mittel, und in diesem Falle im Rahmen der Zwangsbestimmungen, seine militärische Macht nicht freiwillig verkümmern läßt, kann erwarten, als widerstandsfähig, als bündnisfähig und zukunftsfähig angesehen zu werden. Hieran können 4–6 Panzerschiffe als notwendige Ergänzung der sonst fast wertlosen Seerüstung Entscheidendes ändern. […] Auch allgemein kann nur wiederholt werden: Die Rüstung Deutschlands zu Lande wie zu Wasser gewinnt im selben Maße an Wert und Sinn, wie die Abrüstungsbewegung alle anderen Mächte unserem Niveau näherbringt. Ein freiwilliges Senken dieses Niveaus bedeutet die Verewigung dieses Abstandes. Der Fall, daß eine Großmacht sich daran interessiert sehen könnte, Deutschland zur Wiederaufrüstung zu verhelfen, so entfernt er sein mag, findet nur dann eine Grundlage, wenn die bisherige Rüstung nicht verringert oder vernachlässigt wird. Durch Verzicht auf Macht hat noch niemals eine Nation Macht gewonnen.“ (R 43 I /606 , Bl. 3–4).

Denselben Standpunkt vertrat der Reichskanzler.

Es wurde beschlossen, von weiteren Streichungen im Heeresetat abzusehen.

Der Reichskanzler führte aus, daß die Chefbesprechung über die Ostpreußenfrage[1164] vertagt worden sei, weil die preußischen Minister am Erscheinen behindert gewesen seien. Eine weitere Vertagung komme keinesfalls in Frage6.

6

Die vorgesehene Chefbesprechung über die Ostpreußenhilfe fand am 19. 12. statt; siehe Dok. Nr. 379.

Der Reichsminister der Finanzen hielt es für erforderlich, die Maßnahmen, die zur Unterstützung Ostpreußens im Ministerrat beschlossen werden würden7, im Nachtragsetat für 1927 zu finanzieren, den Etat 1928 aber von jedem Fonds für die Grenzgebiete freizuhalten. Dies entspreche einer Vereinbarung, die mit den Regierungsparteien getroffen worden sei.

7

Siehe Dok. Nr. 383.

Auch der Reichskanzler und der Reichsminister des Innern sprachen sich in diesem Sinne aus, letzterer wies allerdings auf die politischen Schwierigkeiten hin, die sich im Osten aus dieser Stellungnahme ergeben würden.

Staatssekretär Schmid erklärte, daß der Westen keine Einwendungen erheben würde, wenn lediglich für Ostpreußen Hilfsmaßnahmen beschlossen würden. Würden diese aber auf andere Grenzgebiete ausgedehnt, dann würde auch der Westen seine Forderungen stellen.

Der Reichskanzler stellte fest, daß das Kabinett Mittel für Ostpreußen zwar im Nachtragsetat für 1927, nicht aber im Etat 1928 anfordern wird.

Jede Änderung der Etatsforderungen für 1928, die vom Reichsrat endgültig gefordert werden sollte, soll abgelehnt werden. Nötigenfalls wird dem Reichstag eine Doppelvorlage gemacht werden8.

8

In der Plenarsitzung vom 17.12.27 änderte der RR eine Reihe von Etatpositionen in der Regierungsvorlage des Reichshaushalts für 1928 ab; ein Antrag Preußens, die Ausgaben für den Neubau des Panzerschiffs A mit Rücksicht auf die gespannte Finanzlage zu streichen, wurde vom RR mit 36 gegen 32 Stimmen angenommen (RR-Niederschriften 1927, § 686; Dt. Reichsanzeiger und Pr. Staatsanzeiger Nr. 297 vom 20.12.27). RFM Köhler leitete den Regierungsentwurf des Reichshaushaltsgesetzes und des Reichshaushaltsplans mit den abweichenden Beschlüssen des RR am 21.12.27 dem RT zu (RT-Bd. 420 , Drucks. Nr. 3850 ; ergänzend: RT-Bd. 421 , Drucks. Nr. 3853 , 3854). Der RT stimmte am 27.3.28 dem Marinehaushalt einschließlich der 1. Baurate für das Panzerschiff mit den Stimmen der Regierungsparteien zu und verabschiedete am 30.3.28 den Gesamthaushalt für 1928 (RT-Bd. 395, S. 13834  ff., 13973). Der RR verzichtete auf einen Einspruch, nahm jedoch am 31.3.28 eine Entschließung an, in der die RReg. ersucht wurde, die Arbeiten für das Panzerschiff – mit Ausnahme der reinen Konstruktionsarbeiten – nicht vor dem 1.9.28 in Angriff zu nehmen und bis dahin auch keine Lieferverträge abzuschließen (RR-Niederschriften 1928, § 223). Zum Fortgang der Kabinettsberatung über das Panzerschiff siehe diese Edition, Das Kabinett Müller II, Dok. Nr. 15, P. 2.

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