1.137.1 (ma32p): 1. Ostpreußen.

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1. Ostpreußen1.

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Diese Chefbesprechung diente der Vorbereitung auf die vom RPräs. gewünschte Ministerratssitzung über eine Hilfsaktion zugunsten Ostpreußens; siehe Dok. Nr. 363, dort bes. Anm. 5.

Ministerialdirektor Dammann gab einen Überblick über die bisherigen Verhandlungen der Verwaltungsstelle für Ostpreußen und ihre Ergebnisse2. Er begründete die Vorschläge des Reichsministeriums des Innern hinsichtlich der Behandlung der Kreditnotlage der ostpreußischen Landwirtschaft und der allgemeinen Maßnahmen zur wirtschaftlichen Stärkung der Provinz3. Die Vorschläge[1170] seien das Ergebnis der Besprechung des Landesfinanzamtspräsidenten von Königsberg mit den maßgebenden ostpreußischen Kreisen. Es sei mit den Reichs- und preußischen Ressorts verhandelt worden. Die Vertreter Preußens hätten dabei die Entscheidung ihrer Minister vorbehalten.

2

Seit Ende Oktober 1927 hatten unter Vorsitz des Leiters der neuen „Ostverwaltungsstelle“ im RIMin., MinDir. Dammann, mehrere Besprechungen der zuständigen Reichs- und pr. Ressorts über die in Aussicht genommene Ostpreußenhilfe stattgefunden (Besprechungsprotokolle und -unterlagen in R 43  I /1852  und 1853 ). Vgl. dazu Hertz-Eichenrode, Politik und Landwirtschaft in Ostpreußen 1919–1930, S. 224 ff.

3

Mit Schreiben vom 13.12.27 an den StSRkei hatte der RIM als Unterlage für die obige Chefbesprechung eine „Kurze Zusammenfassung der für Ostpreußen in Aussicht genommenen Maßnahmen“ übersandt. Darin wird ausgeführt: Im Anschluß an die Reise des RK nach Königsberg (siehe Dok. Nr. 298, Anm. 2) seien Hilfsmaßnahmen für die daniederliegende ostpr. Wirtschaft, insbesondere die ostpr. Landwirtschaft in Form von Krediterleichterungen, Lastensenkungen und Tariferleichterungen in Aussicht genommen worden. I. Kreditmaßnahmen: Die Beteiligten wünschten die Bereitstellung von Geldmitteln für erststelligen Pfandbriefkredit, eine Zinssenkung für erststellige Kredite und die Bereitstellung von niedrig verzinslichen zweitstelligen Krediten. Das REMin. habe vorgeschlagen: 1. die Unterbringung von ostpr. landwirtschaftlichen Pfandbriefen bei geeigneten Banken herbeizuführen und diese Kreditgewährung durch einen Reichszuschuß zu dem Auszahlungskurs für den Landwirt zu erleichtern. Es bestände Aussicht, für 20 Mio GM 7%ige Pfandbriefe zum Kurs von 82% unterzubringen, wozu ein Reichszuschuß von etwa 3 Mio RM benötigt würde. 2. Kreditmittel für Gewährung von zweitstelligem Hypothekarkredit zwecks Umwandlung schwebender Schulden in langfristigen Hypothekarkredit zu tragbaren Zinsen aus öffentlichen Mitteln bereitzustellen, und zwar in Höhe von etwa 50 Mio RM. Diese Kredite sollen solchen Betrieben zugute kommen, die durch hohe Schulden- und Zinslasten gefährdet, aber durch zweitstellige Sicherungskredite noch in ihrem Bestand zu erhalten seien. II. Lastensenkung: Zur Herabsetzung der von den landwirtschaftlichen Betrieben aufzubringenden Lasten wäre ein Lastensenkungsfonds zu schaffen, aus dem Beihilfen für folgende Zwecke bestritten werden könnten: 1. für die von den Landwirten aufzubringenden Rentenbankgrundschuldzinsen, 2. für die Beiträge zur landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft, 3. für die Senkung der Kommunalsteuern in den besonders belasteten ländlichen Kreisen, 4. zur Erleichterung der Schul- und Kirchenlasten in den besonders betroffenen Schulverbänden und Kirchengemeinden. III. Tariferleichterungen: Die RB-Gesellschaft habe in den bisherigen Verhandlungen weitere Tarifvergünstigungen in Aussicht gestellt. Dennoch werde eine Tariferstattung in Betracht gezogen werden müssen. Eine Vergütung der Vieh-, Getreide- und Kartoffelfrachten durch den Korridor würde voraussichtlich 7 Mio RM erfordern. – Im Begleitschreiben vom 13. 12. betonte der RIM, daß es weiterhin darauf ankäme, bei allen Hilfsmaßnahmen für Ostpreußen ein enges Einvernehmen mit der PrStReg. herzustellen „und diese zur Erklärung ihrer Bereitwilligkeit zu bewegen, bei der Hergabe von Beihilfen tunlichst die gleichen Opfer zu bringen, die der Reichsregierung zugemutet werden“. Besonders dringlich sei die Bewilligung von 53 Mio RM für den Ausgleich von Kursverlusten beim Ankauf von Pfandbriefen sowie für die Hergabe und Verbilligung von zweitstelligen Hypotheken. Die PrStReg. habe sich lediglich bereit erklärt, für 20 Mio 7%ige Pfandbriefe zu übernehmen, doch über ihre Beteiligung am Kursverlust fehle bisher jede Erklärung. Auch die Verhandlungen über Lastensenkungen und Tariferleichterungen könnten nur fortgeführt werden, wenn sich die RReg. grundsätzlich bereit erkläre, die erforderlichen Mittel zu bewilligen und die PrStReg. sich verpflichte, an ihrer Aufbringung pari passu teilzunehmen (R 43 I /1853 , Bl. 50–54).

Der Preußische Ministerpräsident führte aus: Die Not Ostpreußens könne nur soweit berücksichtigt werden, als sie auf der besonderen Lage der Provinz beruhe und über die Not der anderen Landesteile hinausgehe. Da es sich um Kriegsfolgen handele, sei das Reich zur Hilfeleistung berufen. Wichtiger als einmalige Maßnahmen sei, das dauernde wirtschaftliche Eigenleben der Provinz sicherzustellen, insbesondere zweckmäßige Regelung der Frachtenfrage.

Preußen sei bereit, 20 Millionen Pfandbriefe zu 7% zu übernehmen. Weitere Beteiligung an Hilfeleistungen für die Provinz wolle er nicht ablehnen. Preußen werde nach Maßgabe des Möglichen mitzuhelfen suchen.

Der Generaldirektor der Reichsbahn gab einen Überblick über die Tarifermäßigungen und sonstigen Vorkehrungen, die die Reichsbahn zum Vorteil Ostpreußens durchgeführt hat4. Er erklärte sich bereit, die Tarife auch weiter zu senken unter der Voraussetzung, daß dadurch andere Gebiete nicht über Gebühr beeinträchtigt würden. Einer Anregung des Preußischen Ministerpräsidenten entsprechend wird er versuchen, eine Gegenüberstellung der Aufwendungen für die Eisenbahndirektion in Ostpreußen vor dem Kriege und in den letzten Jahren ausarbeiten zu lassen.

4

Zusammenstellung der Sonderleistungen der RB zugunsten Ostpreußens in einem Schreiben der RB-Gesellschaft vom 21.12.27 an RPräs., RK, verschiedene Reichs- und pr. Ressorts (R 43 I /1853 , Bl. 98–102).

Staatssekretär Popitz erklärte, daß das Reichsfinanzministerium grundsätzlich zur Hilfeleistung für Ostpreußen bereit sei, es habe selber ein Interesse an der Hebung der Steuerfähigkeit der Provinz. Notwendig sei aber, die Aktion zu isolieren, die Beteiligung festzulegen und eine gewisse Kontingentierung der auszuwerfenden Mittel eintreten zu lassen.

Der Reichsarbeitsminister der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft und der Reichsminister des Auswärtigen traten dafür ein, daß über die Summen, die für Ostpreußen ausgeworfen werden sollen, Klarheit geschaffen werde, daß jedoch die verschiedenen Verwendungszwecke in der Öffentlichkeit nicht in Erscheinung treten, damit Berufungen anderer Wirtschaftskreise vermieden werden.

[1171] Der Reichsarbeitsminister schlug vor, als Ergebnis des Ministerrats5 eine Pressenotiz vorzusehen, in der die Gründe und die Richtungen der Hilfsmaßnahmen unter Scheidungen in einmalige und dauernde Aufwendungen angegeben würden. Für die einmaligen Aufwendungen müsse eine bestimmte Summe mindestens vorläufig genannt werden, sowohl für das Reich wie für Preußen getrennt. Wegen der dauernden Unterstützungen könne die Höhe der Aufwendungen offen bleiben. Darüber seien noch Verhandlungen mit der Provinz erforderlich.

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Gemeint ist der auf den 21.12.27 festgesetzte Ministerrat beim RPräs. (Dok. Nr. 383).

Auch der Stellvertreter des Reichskanzlers hielt die Vorbereitung eines Kommuniqués für notwendig, in dem ausgeführt werden könne, die Reichsbahn arbeite an einem Plan für die Tariferleichterungen sowie für ein Erstattungsverfahren für Frachten. Im übrigen sei vorgesehen, daß für Ostpreußen eine einmalige Aufwendung aus Reichs- und preußischen Mitteln erfolge und daß nebenher eine Zinsenlastensenkung auf längere Sicht vorgenommen werde.

Der Reichskanzler der der Anregung des Preußischen Ministerpräsidenten, den Kabinettsrat6 bis Januar 1928 zu vertagen, unter Hinweis auf den dringenden Wunsch des Reichspräsidenten, zu einer baldigen Entscheidung zu kommen, widersprochen hatte, stellte fest, daß Ministerialdirektor Dammann die Vertreter der zuständigen Ministerien des Reichs und Preußens zu einer Ressortbesprechung auf den 20. Dezember 1927 nachmittags 4 Uhr in das Reichsministerium des Innern laden wird. Er bat die Vertreter der Preußischen Staatsregierung, dafür Sorge zu tragen, daß die preußischen Referenten in dieser Besprechung endgültige Erklärungen, insbesondere über die Höhe der einmaligen Aufwendung für Ostpreußen, abgeben könnten. Am 21. Dezember soll mittags 12 Uhr eine Chefbesprechung über das Ergebnis der Ressortverhandlungen stattfinden7.

6

Siehe Anm. 5.

7

Siehe Dok. Nr. 382.

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