1.176.1 (ma32p): 1. Beschränkung der außerordentlichen Ausgaben.

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1. Beschränkung der außerordentlichen Ausgaben.

Der Reichsminister der Finanzen begründete seinen in der Kabinettsvorlage vom 9.1.1928 – Rk. 244 – näher erläuterten Vorschlag auf Einsetzung eines ständigen Ausschusses, von dessen Zustimmung die außerordentlichen Ausgaben künftig abhängig gemacht werden sollen1.

1

RFM Köhler hatte in seiner Kabinettsvorlage vom 1.11.27 (Dok. Nr. 330) wie auch in seinem Schreiben an die Reichsminister vom 7.12.27 (R 43 I /2360 , Bl. 31–32) auf die besorgniserregende Höhe des ungedeckten Anleihebedarfs hingewiesen, der sich aus dem außerordentlichen Haushalt der Jahre 1926 und 1927 ergeben hatte. Um den Anleihebedarf zu vermindern, hatte der RFM die Reichsressorts aufgefordert, die in den außerordentlichen Etats von 1926 und 1927 bewilligten, aber noch nicht geleisteten Ausgaben zu kürzen bzw. zu strecken, d. h. in verlangsamtem Tempo abzuwickeln. In seiner – oben angeführten – Kabinettsvorlage vom 9.1.28 kam der RFM erneut auf die Angelegenheit zurück und legte dar, daß sich der ungedeckte Anleihebedarf aus den Jahren 1926 und 1927 nach den letzten Feststellungen auf 853 Mio RM belaufe. Dieser Betrag werde sich, da mit Einnahmeausfällen im Extraordinarium für 1928 gerechnet werden müsse, voraussichtlich auf rd. 1 Mrd. RM erhöhen. Aus Kassenbeständen und durch Begebung von Schatzanweisungen könne nur ein Teil dieser Summe flüssig gemacht werden, und die Begebung einer neuen Reichsanleihe werde 1928 noch nicht möglich sein. Auf das Ersuchen des RFM, die noch nicht geleisteten Ausgaben des Extraordinariums zu kürzen bzw. zu strecken, hätten die Ressorts geantwortet, daß der weitaus größte Teil der Ausgaben durch vertragliche Verpflichtungen so festgelegt sei, daß weder eine Kürzung noch eine Streckung in Betracht käme. Dieser Stellungnahme, so erklärte der RFM, könne er sich nicht anschließen. „Die von den Ressorts vorgesehene Verausgabung übersteigt nach Ausmaß oder Tempo die absoluten Grenzen, die dem Extraordinarium durch die Kapitalmarktlage und den Kassenstand gezogen sind.“ Er, der RFM, sehe sich daher genötigt, seinen bereits angekündigten Vorschlag, „daß künftig die außerordentlichen Ausgaben nur nach Zustimmung eines Ausschusses geleistet werden dürfen, nunmehr der Beschlußfassung des Kabinetts zu unterbreiten. Der Ausschuß wird nicht nur den wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen, sondern vor allen Dingen auf die Finanz- und Kapitalmarktlage Rücksicht zu nehmen und daher auch bei den bereits vertraglich festgelegten Ausgaben zu prüfen haben, ob und inwieweit eine Kürzung oder Streckung erforderlich und möglich ist.“ Der Ausschuß solle sich aus je einem Vertreter des RFMin., des RWiMin., des RSparkom. und des in Frage kommenden Ressorts zusammensetzen (R 43 I /2360 , Bl. 53–55).

[1305] Verschiedene Reichsminister, insbesondere der Reichsminister des Innern, der Reichsarbeitsminister, der Reichsverkehrsminister und der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft äußerten gegen diesen Vorschlag verfassungspolitische Bedenken. Diese Bedenken wurden von dem Reichsminister der Finanzen nicht geteilt. Er erklärte, daß der Ausschuß, so wie er ihn vorgeschlagen habe, in die Verantwortlichkeit der einzelnen Fachminister in keiner Weise eingreife. Selbstverständlich stehe jedem Reichsminister gegen ein Votum des Ausschusses die Einlegung des Vetos gegenüber dem Reichskabinett zu. Der Ausschuß sei nur zur Entlastung des Reichskabinetts gedacht. Angesichts der außerordentlichen Beschränktheit der verfügbaren Reichsmittel müsse nämlich unbedingt eine Kürzung und eine Streckung der außerordentlichen Ausgaben eintreten. Um nicht in allen Fällen, in denen es zwischen ihm und dem beteiligten Ressort nicht zu einer vollen Einigung über das Maß der von ihm für notwendig erachteten Reduktionen kommen sollte, das Gesamtkabinett angehen zu müssen, habe er die Einsetzung eines kleinen Ausschusses zur Entlastung des Reichskabinetts für praktisch gehalten. Er sei der Meinung, daß sich durch die Vorarbeit dieses kleinen Ausschusses ein großer Teil der Fälle ohne weiteres werde erledigen lassen. Angesichts des Umstandes, daß im Kabinett offenbar keine Mehrheit für seinen Vorschlag vorhanden sei, werde er jetzt von seinen Befugnissen aus § 6 des Haushaltsgesetzes für 19272 weitgehenden Gebrauch machen müssen und Kassenbetriebsmittel für außerordentliche Ausgaben nur dann und in dem Ausmaße zur Verfügung stellen, wenn und insoweit die unbedingte Notwendigkeit und die absolute Unaufschiebbarkeit der Ausgabe durch eine Nachprüfung im Benehmen mit dem Ressortminister und unter Beteiligung des Reichssparkommissars nochmals festgestellt worden sei3.

2

„Gesetz über die Feststellung des Reichshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1927“ vom 14.4.27 (RGBl. II, S. 201 ).

3

Diese Erklärung wiederholte der RFM sinngemäß in einem Schreiben vom 17.2.28 an den RArbM, den RVM und den RWeM (R 43 I /2360 , Bl. 67–68).

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