1.207.3 (ma32p): 3. Inflationsverkäufe.

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3. Inflationsverkäufe7.

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Ein Unterausschuß des Rechtsausschusses des RT beriet über einen Antrag von DDP-Abgeordneten, wonach Personen, die ihre Grundstücke in der Zeit vom 1.1.19 bis 14.2.24 verkauft hatten, gegenüber dem Käufer einen Anspruch auf Aufwertung des Kaufpreises erhalten sollten. Der Unterausschuß des Rechtsausschusses hatte die Reichsressorts um eine Stellungnahme gebeten und hierzu eine Ausschußsitzung auf den 7.3.28 festgesetzt. Zuvor hatte RJM Hergt das folgende Telegramm des RAM Stresemann vom 2.3.28 aus Mentone erhalten: „In bezug auf Verhandlungen des Rechtsausschusses des Reichstags betreffend Hausverkäufe in der Inflationszeit teile ich den Standpunkt, daß Käufer aus Inflationszeit verpflichtet waren, damaligen Hausbesitzern Aufwertung zuteil werden zu lassen. Angesichts Mietergesetzgebung in Deutschland, die heutige Hausbesitzer wieder zu vermögenden Leuten macht, ist Wiedergutmachung Unrechts gegenüber denjenigen, die in Inflationszeit ihre Häuser für kleinen Bruchteil ihres Wertes verkauft haben, nach meiner Auffassung notwendig. Bitte eventuell nach meiner Rückkehr aus Genf Frage auf Tagesordnung Kabinettssitzung zu setzen.“ Dem Wunsch Stresemanns, die Angelegenheit im Kabinett zu erörtern, hatte Hergt sich angeschlossen (RJM an StSRkei, 3.3.28, R 43 I /2459 , Bl. 160–161). In einem Referentengutachten ORegR Wiensteins vom 14.3.28 für die anstehende Kabinettsberatung heißt es u. a.: Die Frage eines Ausgleichs von Inflationsverlusten aus der Veräußerung von Grundstücken sei mehrfach in Ressortbesprechungen erörtert worden. Dabei hätten das RWiMin. und das RFMin. entschieden den Standpunkt vertreten, daß ein solcher Ausgleich „für die Wirtschaft völlig untragbar“ und nur geeignet sei, „weitestgehende Unruhe in die Kreise der Wirtschaft zu tragen“. Das AA habe stets die Auffassung vertreten, „daß gerade auch mit Rücksicht auf das Ausland, das während der Inflationszeit in hohem Maße als Käufer von Grundstücken aufgetreten sei, die Festsetzung eines Ausgleichs von Inflationsverlusten […] untragbar sei“. Dieser Stellungnahme der Ressorts sei – so Wienstein – „durchaus beizupflichten“. Das Votum StS Pünders vom 14. 3. lautete: „Ich bin entschieden gegen jeden Ausgleichsversuch. Wir haben höchstes Interesse daran, die Aufwertungsfrage als endgültig erledigt anzusehen. Eine andere Stellungnahme ist m.E. wirtschaftlich ganz untragbar. Außerdem wäre neue Rechtsunsicherheit die unzweifelhafte Folge. Hinzu kommt, daß mittlerweile schon wieder vielfach neue Besitzwechsel stattgefunden haben, also eine gerechte Lösung kaum zu finden wäre.“ (R 43 I /2459 , Bl. 162–163).

Der Stellvertreter des Reichskanzlers und Reichsminister der Justiz trug den Sachverhalt vor.

[1375] Der Reichsminister des Auswärtigen führte aus, daß er im Gegensatz zu der Stellungnahme seines Amtes unter gewissen Voraussetzungen eine nachträgliche Erhöhung des Kaufpreises zugunsten der Personen für erforderlich halte, die während der Inflationszeit ihre Häuser veräußert hätten. Außenpolitische Bedenken könne er gegen eine derartige gesetzliche Regelung nicht im geringsten sehen. Zur Zeit seien allein in Berlin 28% des Hausbesitzes in den Händen des Auslandes. Als Eigentümer kämen hauptsächlich Polen und Tschechoslowaken in Betracht. Nach seiner Auffassung müsse das Reichsjustizministerium die Angelegenheit genau prüfen.

Der Reichsarbeitsminister führte aus, daß die Auffassung des Reichsaußenministers vieles für sich habe, daß sie jedoch letzten Endes auf eine neue Beunruhigung der Wirtschaft und auf eine erneute Aufrollung der Aufwertungsgesetzgebung hinauslaufe. Aus diesen Gründen solle man in dieser Angelegenheit besser nichts tun.

Staatssekretär Dr. Hoffmann erklärte im Auftrage des Reichsministers Schiele, daß dieser unbedingt gegen eine nachträgliche Erhöhung des Kaufpreises bei Verkäufen von Hausbesitz während der Inflationszeit sei. Im übrigen sei Reichsminister Schiele auch der Auffassung, daß die ganze Angelegenheit nicht in das Notprogramm gehöre.

Ministerialdirektor Dr. Schäffer wies unter anderem auf die Gefährdung des Realkredits hin, wenn man den Gedankengängen des Reichsministers des Auswärtigen folge. Die Frage der Rückwirkungen sei von ganz besonderer Bedeutung.

Staatssekretär Dr. Popitz betonte, daß in der Aufwertungsfrage endlich Ruhe eintreten müsse. Mit Mühe und Not habe man jetzt gewisse Grundlagen für die Vermögensbesteuerung geschaffen. Diese würden wiederum zum Teil[1376] erschüttert, wenn man den Vorschlägen des Reichsministers des Auswärtigen folge. In diesem Falle sei ferner das Aufziehen einer großen Verwaltung nötig, um die vielen Schwierigkeiten aus der Welt zu schaffen.

Das Reichskabinett kam zu dem Ergebnis, daß jedenfalls außenpolitische Bedenken einer eventuellen nachträglichen Erhöhung des Kaufpreises bei Hausverkäufen während der Inflationszeit unter gewissen Voraussetzungen nicht entgegenständen, daß dagegen sehr starke wirtschaftliche Bedenken gegen eine derartige Regelung sprächen und im übrigen die ganze Frage nicht in das Notprogramm gehöre.

Eine Erklärung im wesentlichen dieses Inhalts soll in dem in Betracht kommenden Unterausschuß des Reichstags abgegeben werden8.

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Wienstein vermerkte am 5.4.28, daß die Angelegenheit vorläufig erledigt sei. Der Abg. Wunderlich habe im Rechtsausschuß des RT einen Brief des MinDir. Schlegelberger zur Kenntnis gebracht, wonach die Frage nicht in das Notprogramm der RReg. gehöre und deshalb z.Zt. nicht weiterverfolgt werden könne (R 43 I /2459 , Bl. 255).

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