1.45.1 (ma32p): Auswärtige Lage.

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Auswärtige Lage.

Der Reichsminister des Auswärtigen stellte unter Bezugnahme auf seine Ausführungen in der Ministerbesprechung vom 10. August d. Js.2 fest, daß die grundsätzliche Stellungnahme der Reichsregierung zur Frage der Rheinlandsräumung erst nach der Genfer Tagung3 und auf Grund der in Genf zu führenden inoffiziellen Verhandlungen erfolgen solle.

2

Dok. Nr. 284.

3

46. Tagung des Völkerbundsrats vom 1. bis 15.9.27; VIII. Bundesversammlung des Völkerbunds vom 5. bis 27.9.27; 47. Tagung des Völkerbundsrats vom 17. bis 27.9.27.

Bezüglich der Truppenherabminderung im besetzten Gebiet äußerte sich der Reichsminister des Auswärtigen dahin, daß die Art der Verhandlungen[898] Frankreichs mit England und Belgien vor Zustandekommen des Beschlusses der Alliierten und die endgültig beschlossene Zahl zwar unerfreulich seien, daß aber wichtig sei, daß Deutschlands Recht auf Herabminderung der Truppenzahl endlich anerkannt worden sei4. Von großer Bedeutung sei ferner, daß auf Verlangen Englands auch die französische Regierung zugestanden habe, daß die Rheinlandsbesatzung nicht etwa aus Gründen der französischen Sicherheit gegenüber deutschen Angriffen aufrecht erhalten werde. Die Sicherheit Frankreichs sei durch den Locarno-Vertrag bereits ausreichend verbürgt. Der Reichsminister des Auswärtigen teilte ferner mit, daß er soeben von der englischen Botschaft amtlich die Nachricht erhalten habe, daß die Englische Regierung auch eine Verbindung der Rheinlandbesatzung mit den Dawes-Zahlungen gänzlich ablehne, da der Dawes-Plan seine Sicherungen bereits in sich selbst enthalte5.

4

In den Verhandlungen war vereinbart worden, die Besatzungstruppen im besetzten Rheinland um ca. 10 000 Mann zu vermindern. Siehe ADAP, Serie B, Bd. VI, Dok. Nr. 141 und Nr. 144.

5

Siehe ADAP, a.a.O., Dok. Nr. 156, Anm. 4.

Der Reichsminister des Auswärtigen führte zur Frage der deutschen Beteiligung an der Mandatskommission aus, daß nach Erklärungen, die die Belgische und andere Regierungen abgegeben hätten, keine Schwierigkeiten mehr zu erwarten seien. Das Auswärtige Amt beabsichtige, als Mitglied der Mandatskommission die Herren von Rechenberg, Hahl und Kastl zur Auswahl zu stellen und hierbei Herrn Kastl als besonderen Vorschlag der Reichsregierung zu benennen.

Das Reichskabinett erklärte sich hiermit einverstanden.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft führte aus, daß in weiten Kreisen Deutschlands bezüglich der Früchte der Locarno-Politik Enttäuschung herrsche. Frankreich suche sich den sinngemäßen Folgerungen dieses Vertrages zu entziehen. Es würde daher allgemeine Zustimmung in Deutschland finden, wenn der Reichsminister des Auswärtigen dieser Enttäuschung in Genf öffentlich Ausdruck gäbe.

Der Reichsminister des Auswärtigen bat, zu bedenken, daß die Zusicherungen, die in der Note vom 15. November 19256 gemacht worden seien, von den alliierten Staaten mit Ausnahme der unbefriedigenden Herabsetzung der Besatzungszahlen sämtlich eingehalten worden seien, daß ferner auch die mündlich zugesagten Punkte, nämlich Regelung der Investigationsfrage und der Kontrolle der Flugzeugindustrie im deutschen Sinne loyal ausgeführt worden seien. Die Enttäuschung in Deutschland dürfe sich also nicht auf die Nichterfüllung formulierter Versprechungen, sondern nur auf das französische Abweichen vom inneren Sinn von Locarno begründen. Er habe die Absicht, dieser Enttäuschung bei gegebener Gelegenheit, etwa bei seinen Ausführungen über die Abrüstungsfrage, Ausdruck zu geben.

6

Note der Botschafterkonferenz vom 14.11.25; siehe Dok. Nr. 73, Anm. 3.

Hiermit erklärte der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft sich einverstanden. Er halte keineswegs eine Apologie des Werkes von Locarno in der deutschen Öffentlichkeit für notwendig; nur glaube er, daß alle Parteien[899] ein Wort des deutschen Außenministers, das der Enttäuschung Deutschlands über die Schwenkung der französischen Politik seit Locarno Ausdruck gebe, begrüßen würden.

Die Ministerbesprechung wurde hierauf geschlossen. Das Reichskabinett begann anschließend eine Kabinettssitzung.

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