1.98.1 (ma32p): 1. Deutsch-polnische Handelsvertragsverhandlungen.

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1. Deutsch-polnische Handelsvertragsverhandlungen.

Reichsminister Dr. Stresemann berichtete, daß er am 17. November mit dem polnischen Sonderbeauftragten in Berlin die Verhandlungen über den Abschluß eines deutsch-polnischen Handelsvertrages begonnen habe1 und daß die Verhandlungen am Nachmittage des heutigen Tages fortgesetzt werden sollten. Er erklärte, daß die Besprechungen der Festlegung der Grundsätze dienen sollten, von welchen bei den späteren Verhandlungen ausgegangen werden solle. Es sei ihm erwünscht, einige Punkte zu klären, die von polnischer Seite am 17. November vorgebracht worden seien und über die am heutigen Tage weiter gesprochen werden solle.

1

Siehe die Aufzeichnung Stresemanns über seine Unterredung mit dem poln. Sonderbeauftragten Jackowski am 17.11.27, in: ADAP, Serie B, Bd. VII, Dok. Nr. 113.

a) Frage des Verhandlungsortes.

Reichsminister Dr. Stresemann erklärte, daß er gegenüber dem polnischen Wunsche, daß die Handelsvertragsverhandlungen in Warschau stattfinden möchten, erklärt habe, daß die Verhandlungen zunächst einmal in Berlin ihren Anfang nehmen sollten, daß aber gegen eine spätere Verlegung der Weiterberatung nach Warschau keine grundsätzlichen Bedenken bestünden.

Das Kabinett war hiermit einverstanden.

b) Verhandlungsleiter für die deutsche Delegation.

Reichsminister Dr. Stresemann erklärte, daß der polnische Gesandte ihm erklärt habe, Polen habe den ehemaligen österreichischen Minister für Galizien, von Twardowski, als Verhandlungsleiter in Aussicht genommen. Es sei den Polen sehr erwünscht, wenn auch der deutsche Verhandlungsleiter ihnen alsbald benannt werden könne. Das Kabinett nahm in Aussicht, der Frage der Auswahl des deutschen Verhandlungsleiters in einer der nächsten Besprechungen näherzutreten2.

2

Siehe Dok. Nr. 347 und Dok. Nr. 348, P. 1.

c) Zusammensetzung der deutschen Delegation.

Reichsminister Dr. Stresemann erklärte, daß Polen den Wunsch geäußert habe, daß der Personenkreis der deutschen Delegation möglichst beschränkt sein möchte.

Das Kabinett beschloß hinsichtlich des Umfanges der Delegation, eine Beteiligung von 5 bis 6 Herren in Aussicht zu nehmen. Ein Delegationsmitglied[1075] soll von Preußen bestimmt werden. Das Preußische Staatsministerium soll um die Benennung einer geeigneten Persönlichkeit gebeten werden. Soweit Spezialfragen zu erörtern sind, soll die Zuziehung von Sachverständigen möglich sein.

d) Anwendbarekeit des Reichsfleischbeschaugesetzes.

Reichsminister Dr. Stresemann erklärte, daß Polen besonderes Gewicht darauf lege, daß den Handelsvertragsverhandlungen auf veterinärpolizeilichem Gebiet nur das Reichsfleischbeschaugesetz von 19003 zugrunde gelegt werde.

3

Gesetz betreffend die Schlachtvieh- und Fleischbeschau vom 3.6.1900 (RGBl.  S. 547 ).

Ministerialdirektor Dammann erklärte, daß die Vorschriften dieses Gesetzes selbstverständlich zur Anwendung gelangen würden. Wenn sich jedoch hinter dem polnischen Wunsche die Absicht verberge, die Vorschriften des Reichsviehseuchengesetzes vom Jahre 19094 auszuschalten, so könne diese Forderung nicht ohne weiteres angenommen werden5. Es sei für das Reich nicht möglich, das den Ländern nach dem Viehseuchengesetz zustehende veterinärpolizeiliche Verordnungsrecht zu beschneiden.

4

Viehseuchengesetz vom 26.6.1909 (RGBl.  S. 519 ).

5

Vgl. dazu: ADAP, Serie B, Bd. VII, Dok. Nr. 113, Anm. 6.

Das Kabinett beschloß, daß dem polnischen Unterhändler auf seine in Frage kommende Forderung gesagt werden müsse, daß sie Gegenstand eingehender Erörterungen bei den Handelsvertragsverhandlungen sein müsse.

e) Transit-Verkehr.

Reichsminister Dr. Stresemann erklärte, daß der polnische Unterhändler ferner besonderes Gewicht darauf gelegt habe, daß für die Durchfuhr von lebenden Schweinen durch Deutschland nach Österreich die größtmöglichen technischen Erleichterungen gewährt werden möchten.

Ministerialdirektor Dammann erklärte, daß der Transit-Verkehr bisher denselben Beschränkungen wie die Einfuhr unterliege. Das Maß des möglichen Entgegenkommens könne nur eingehenden Einzelerörterungen vorbehalten sein.

Das Kabinett beschloß dementsprechend.

f) Kohlenkontingent.

Reichsminister Dr. Stresemann bat um die Ermächtigung, gegenüber dem von polnischer Seite geforderten Kohlenkontingent von 350 000 Tonnen bei den Verhandlungen deutscherseits ein Kontingent von 200 000 Tonnen zum Ausgang nehmen zu können mit dem Ziele, bei einem zwischen 200 000 und 300 000 Tonnen liegenden Kontingent zum Ausgleich zu kommen.

Das Kabinett war damit einverstanden6.

6

Zum Fortgang siehe Dok. Nr. 344, P. 3.

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