2.6.2 (mu21p): 2) Lohnsteuer.

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2) Lohnsteuer.

Der Reichsminister der Finanzen nahm Bezug auf die in der Regierungserklärung vom 3. Juli vor dem Reichstag abgegebenen Zusage, wonach die Reichsregierung in eine alsbaldige Prüfung über die Möglichkeiten einer Senkung der Einkommensteuer eintreten wolle2.

2

RT-Bd. 423, S. 45 .

Staatssekretär Popitz trug sodann vor, in welcher Weise durch Änderungen des Einkommensteuer-Gesetzes eine Senkung der Einkommensteuer möglich ist. Er ging davon aus, daß der Haushaltsvoranschlag für das laufende Rechnungsjahr mit einem Aufkommen aus der Lohnsteuer in Höhe von 1300 Millionen Reichsmark rechnet, und führte weiter aus, daß nach den bisherigen Eingängen an Lohnsteuer mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem Überschuß über den Voranschlag in Höhe von etwa 110 Millionen gerechnet werden dürfe. Eine Senkung unter den Voranschlag von 1300 Millionen[15] Reichsmark werde nicht möglich sein, da der Etat nur bei Eingang des veranschlagten Aufkommens balanciere3; andererseits schreibe das Gesetz über die Beschränkung der Einnahmen aus der Lohnsteuer vom 3.9.1925 in der Fassung des Gesetzes vom 22.12.19274 die Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Senkung der Lohnsteuer für den Fall vor, daß das Aufkommen aus der Lohnsteuer im Kalenderjahr 1928 den Betrag von 1300 Millionen Reichsmark übersteige. An sich stehe nichts im Wege, angesichts der sehr wahrscheinlichen Überschreitung der 1300 [Millionen] Reichsmark-Grenze schon jetzt den Gesetzentwurf zur Senkung der Steuer vorzulegen5. Unter der Voraussetzung, daß für das Inkrafttreten eines solchen Gesetzes der 1. Oktober in Aussicht genommen werde, werde man den Gesetzentwurf zweckmäßig auf eine Senkung des Aufkommens um rund 70 Millionen RM für das laufende Rechnungsjahr abstellen müssen. Es empfehle sich, die Senkung in ähnlicher Weise herbeizuführen, wie dies im Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes vom 22.12.1927 vorgesehen worden sei. Damals habe man von einer Heraufsetzung des steuerfreien Existenzminimums Abstand genommen. Die einzubehaltende Steuer sei um 15%, höchstens um 2 Reichsmark monatlich ermäßigt worden6. Man könne jetzt die einzubehaltende Steuer statt um 15% um 25%, höchstens um 3 Mark monatlich ermäßigen und werde alsdann das angestrebte Mindererträgnis aus der Lohnsteuer mit 60 Millionen RM erzielen. Gleichzeitig sei eine entsprechende Ermäßigungsmaßnahme für die verlangte Steuer ins Auge zu fassen, die alsdann ein Mindererträgnis von 10 Millionen RM ergeben werde7.

3

Nach § 1 des Reichshaushaltsgesetzes (RGBl. 1928 II, S. 209  ff.) sollten die Einnahmen im Rechnungsjahr 9 674 866 781 RM und die Ausgaben 9 671 166 781 RM betragen.

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Es handelt sich um die lex Brüning in der Neufassung, s. Anm. 21 zu Dok. Nr. 2, P. 2.

5

Von der kommunistischen RT-Fraktion war bereits am 14.6.28 ein GesEntw. auf Aufhebung der Lohnsteuer mit zwei Eventualanträgen zu deren Senkung eingegangen (RT-Drucks. Nr. 18, Bd. 430 ).

6

Das Gesetz von 1927 bezog sich lediglich auf die Löhne und Einkommen bis zu 8000 RM jährlich; vgl. dazu RT-Drucks. Nr. 3772 und 3840, Bd. 420 , sowie RGBl. 1927 I, S. 485 .

7

Dieser Vorschlag bezieht sich gleichfalls auf die niedrigen Einkommensstufen, und zwar bis zu 15 000 RM jährlich (vgl. in Anm. 8 den Vermerk Koch-Wesers), so daß danach für das Gesamtsteueraufkommen eine Senkung um etwa 5% eintreten mußte.

Der Reichsminister der Finanzen führte anschließend weiter aus, daß er auf der von Staatssekretär Popitz vorgetragenen Grundlage mit den die Regierung stützenden Parteien des Reichstags Verhandlungen aufgenommen habe. Er könne feststellen, daß sich die Auffassungen der Parteien bei diesen Verhandlungen bereits weitgehend genähert hätten. Seine Bitte gehe dahin, daß das Reichskabinett ihn ermächtigen möge, diese Verhandlungen fortzusetzen mit dem Ziele, die Parteien möglichst auf eine gemeinsame Formel zusammenzuführen.

In der weiteren Aussprache bestand Einverständnis darüber, daß es richtig sei, die Senkungsaktion bereits jetzt vorzunehmen und sie nicht auf die Zeit hinauszuschieben, wo nach der sogenannten lex Brüning der gesetzliche Zwang zur Senkung für die Reichsregierung vorliegen werde, d. h. auf[16] die Zeit, in der sich nach Ablauf des Kalenderjahres 1928 die Tatsache der Überschreitung der 1300-Millionen-Grenze tatsächlich ergeben haben würde.

Es wurde auch erörtert, ob es taktisch empfehlenswert sei, die Senkung durch Einbringung eines Gesetzesvorschlages der Reichsregierung vorzunehmen oder ob man die Lösung von der Einbringung eines Initiativantrages der Parteien abhängig machen solle. Zu einer abschließenden Stellungnahme zu dieser taktischen Frage kam es nicht.

Das Reichskabinett erklärte sich auf Wunsch des Reichsministers der Finanzen damit einverstanden, daß dieser seine Verhandlungen mit den Parteien auf der vorgetragenen Grundlage fortsetzt, um die Parteien auf einer einheitlichen Plattform zu vereinigen.

Das Kabinett behielt sich vor, zur Frage der weiteren taktischen Behandlung der Senkungsaktion – d. h. Regierungsvorlage oder Initiativantrag der Parteien – nach Abschluß dieser Verhandlungen endgültig Stellung zu nehmen8.

8

Ein GesEntw. des Steuerausschusses zur Änderung des kommunistischen Entwurfs wurde am 12.7.28 eingebracht (RT-Drucks. Nr. 251, Bd. 430 ). Er enthielt die von Popitz vorgeschlagenenen Steuerermäßigungen. Das Gesetz wurde am 23.7.28 verkündet (RGBl. I, S. 290 ). – Koch-Weser vermerkte am 10.7.28, nachdem er sich positiv über die Zusammenarbeit im Kabinett ausgesprochen hatte: „Eine Ausnahme macht allerdings ein einseitiges Vorgehen des Finanzministers Hilferding in der Frage der Unterstufen der Lohn- und Einkommensteuer. Hier hat er sich über den Kopf des Kabinetts hinweg mit der Sozialdemokratischen Partei in Verbindung gesetzt und diese veranlaßt, die Frage vor Auseinandergehen des RT in Fluß zu bringen. Die Frage hätte nur im Rahmen einer allgemeinen Steuerreform gelöst werden können, weil Gewerbesteuer und Grundsteuer die kleinen Gewerbetreibenden und Bauern in viel größerem Maße belasten und deren Herabsetzung nunmehr auf die lange Bank geschoben wird. Das Vorgehen war aber auch illoyal. Nun stehen die 3 bürgerlichen Parteien vor der schweren Entscheidung, ob sie es mitmachen sollen oder nicht. Machen sie es mit, so verärgern sie Bauern und Gewerbetreibende; machen sie es nicht mit, so überlassen sie die Vertretung der Festangestellten ganz den Sozialdemokraten. Vermutlich wird die Sache von selbst weitergetrieben werden und im RT mit Mehrheit angenommen werden, aber eine starke Verstimmung bleibt zurück.“ (BA: Nachlaß Koch-Weser  37).

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