2.160 (mu21p): Nr. 160 Bericht der beiden deutschen Hauptdelegierten über die Pariser Sachverständigenkonferenz. 22. März 1929, 16 Uhr

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Kabinett Müller II. Band 1 Hermann Müller Bild 102-11412„Blutmai“ 1929 Bild 102-07709Montage  von Gegnern des Young-Planes Bild 102-07184Zweite Reparationskonferenz in Den Haag Bild 102-08968

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Nr. 160
Bericht der beiden deutschen Hauptdelegierten über die Pariser Sachverständigenkonferenz. 22. März 1929, 16 Uhr

R 43 I /289 , Bl. 81-88 Durchschrift1

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Eine Parallelniederschrift über diese Besprechung, die von MinDir. Schäffer stammen dürfte, befindet sich in R 2 /2923 , Bl. 276-288. Sie wird zitiert als „Niederschrift Schäffer II“.

Anwesend: Müller, Hilferding, Curtius, StS v. Schubert; MinDir. Dorn, Schäffer, Köpke, Ritter; Schacht, Vögler; Dreyse; Protokoll: StS Pünder.

Reichsbankpräsident Dr. Schacht führte aus, daß er wegen der Sitzung des Generalrats der Reichsbank in Berlin weile und auch diesmal gern wieder Gelegenheit nehme, die anwesenden Vertreter der Reichsregierung zusammen mit seinem Kollegen Vögler über den gegenwärtigen Stand der Verhandlungen zu unterrichten. In der Zeit seines ersten Berichts habe die Lage noch etwas rosiger ausgesehen, weil damals ein starker Druck auf Frankreich ausgeübt worden sei. Jetzt sei die Sachlage etwas anders. Morgan und Owen Young hätten mit den Franzosen wegen der endgültigen Zahlen getrennte eingehende Besprechungen[509] gehabt, in denen die Franzosen aber absolut fest geblieben seien2. Die Amerikaner hätten nun einen Plan ausgearbeitet, der aber einstweilen von Frankreich noch abgelehnt werde. Dieser amerikanische Plan sei der deutschen Delegation mitgeteilt worden und tagelang mit den Amerikanern durchdiskutiert worden, aber ohne jedes Ergebnis. Owen Young, als der Vorsitzende, habe dann den Wunsch geäußert, dann solle wenigstens die deutsche Delegation vor ihrer Reise nach Berlin eigene Vorschläge machen. Er (Schacht) habe darauf geantwortet, sie hätten keine anderen Vorschläge zu machen als den bereits seinerzeit unterbreiteten (der auf 1,2 Milliarden gegangen sei). Die deutsche Delegation sei aber bereit, den amerikanischen Plan so umzuarbeiten, daß er vielleicht als eine Diskussionsgrundlage erscheinen könne. Wenn die deutsche Delegation sich aber dieser Arbeit unterziehe, sei aber keinerlei Gewähr dafür geboten, daß sie im Endeffekt diesen abgeänderten amerikanischen Vorschlag nun auch wirklich als Diskussionsgrundlage späterhin ansehen würde, weil dies noch von sehr vielen wichtigen Nebenpunkten abhängen könne, und noch zweifelhafter sei seine etwaige Annahme. Der amerikanische Plan vor der deutschen Abänderung sei in großen Zügen dahin gegangen, daß er zunächst einmal auf 58 Jahre berechnet sei, d. h. also 37 Jahre Wiederaufbauschuld und restliche 21 Jahre für die Tilgung der interalliierten Schulden. Zahlenmäßig hätte er so ausgesehen, daß in den ersten vier Jahren 1350, in den nächsten Jahren 1450 und in den zwei folgenden Jahren 1600 Millionen zu zahlen wären, dann im elften Jahre 2129 Millionen, steigend bis zum vierzehnten Jahre auf 2213 Millionen, auf welcher Höhe er ungefähr zehn Jahre verbleiben und dann schließlich bis zum 58. Jahre in einer durchschnittlichen Höhe von 2150 und 2200 Millionen verbleiben soll. Die vorerwähnte deutsche Abänderung gehe nun dahin, daß zunächst einmal die letzten 21 Jahre von ihnen weggestrichen worden seien, da eben Deutschland mit Fragen der interalliierten Schulden nichts zu tun habe. Ferner hätten sie die Jahreszahlen aufgelöst in vier Teile, nämlich einen ungeschützten und einen transfergeschützten, einen moratoriumsgeschützten Teil und die Sachlieferungen. Für den Fall der Umwandlung des moratoriumsgeschützten und des transfergeschützten Teils in den ungeschützten hätten sie einen Abschlag von ein Drittel bzw. ein Halb eingeschaltet, welchen Abschlag die Amerikaner überhaupt nicht vorgesehen hätten. Im übrigen hätten sie zahlenmäßig die Summe der ersten 10 Jahre nicht geändert. Die weitere Skala habe dann die Zahlen 1500 und 1550 Millionen gebracht und am Schluß wieder Jahresannuitäten von 1450 Millionen; also in großen Zügen 37 Jahre lang je 1½ Milliarden. Diesen abgeänderten amerikanischen Vorschlag hätte die deutsche Delegation gestern Owen Young mitgeteilt, der geantwortet habe, er könne mit diesen Zahlen nichts anfangen. Die deutsche Delegation möchte sie ihm am besten gar nicht erst offiziell übergeben, da sonst die taktischen Schwierigkeiten zu groß würden; die Franzosen, die sich schon mit dem offiziellen amerikanischen Plan nicht begnügen wollten, würden diesen abgeänderten amerikanischen Plan[510] unter gar keinen Umständen annehmen3. Man habe dann verabredet, daß er mit Vögler am kommenden Montag [25. 3.] eine Vorbesprechung mit Owen Young haben würde und daß dann von Montag nachmittag ab in der nächsten Woche in den Vollsitzungen offiziell über die Höhe der Annuitäten diskutiert werde. Die deutsche Delegation sei übereinstimmend der Auffassung, daß am Montag früh Herrn Owen Young mitzuteilen sei, daß sie keinerlei andere Möglichkeiten als den vorerwähnten abgeänderten amerikanischen (Vorschlag) sehen und andere Zahlen unter gar keinen Umständen annehmen könne. Soweit man bisher übersehen könne, würde sich dann eine tage-, vielleicht wochenlange Debatte anschließen müssen über die Höhe der Zahlen. Die deutsche Delegation werde hierbei selbstverständlich darauf dringen, und sie hätte auch bereits den Amerikanern angedeutet, daß die Gegner doch nicht einfach irgendeine Summe dekretieren könnten, sondern daß sie auch eine Begründung geben müßten. Man habe eben doch so großen Wert darauf gelegt, wirtschaftliche Sachverständige zusammenzuberufen, die kein politisches Urteil abzugeben hätten. Vor einer solchen sachlichen Debatte aber sei es insbesondere den Amerikaner sehr bange, da sie persönlich völlig klar darüber seien, daß mehr als das offizielle deutsche Angebot wirtschaftlich nicht zu vertreten sei. Dieses deutsche Angebot, das Präsident Schacht mit 1200 Millionen vorher bereits erwähnt hatte, löse sich in drei Teile auf: 450 Millionen ungeschützter + 900 Millionen geschützter Teil + 5000 Millionen Sachlieferungen, die in zehn Jahren abzuliefern seien. Diese Summe von 5000 Millionen berechne sich auf 300 Millionen auf die 37 Jahre verteilt, so daß der Gesamtvorschlag 450 + 900 + 300 = 1650, oder, wenn man den geschützten Teil von 900 Millionen mit 50%igen Abschlag in 450 ungeschützte Millionen umwandele, ergebe sich eine Gesamtannuität von 1200 Millionen.

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Dazu heißt es in der „Niederschrift Schäffer II“: „Es sei aber dabei nicht einmal gelungen, die Franzosen dazu zu bewegen, ihre Forderungen für den Aufbau endgültig von 50 Milliarden Papierfrank auf 40 Milliarden Papierfrank herabzusetzen“ (R 2 /2923 , Bl. 276-288, hier: Bl. 276).

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Dazu heißt es in der „Niederschrift Schäffer II“: „Er, Bergmann [Deckname für Schacht], sei der Auffassung, daß Young die Haltung der Franzosen richtig einschätzt und daß diese sogar das amerikanische Schema auch nur dann annehmen würden, wenn die über 37 Jahre hinaus fällig werdenden Beträge für die interalliierten Schulden darin enthalten sind“ (R 2 /2923 , Bl. 276-288, hier: Bl. 277).

Generaldirektor Vögler erklärte, vorstehendem Bericht des Präsidenten Schacht nicht viel hinzufügen zu können. Die Verhandlungen über die technischen Probleme seien jetzt abgeschlossen, und die zahlenmäßigen Besprechungen müßten jetzt eigentlich beginnen. Bezüglich des Bankprojekts müsse noch betont werden, daß die an die Bank geknüpften Hoffnungen zum Teil nicht in Erfüllung gehen würden, da die Bank zweifellos nicht in der Lage sein werde, die zwischen den französischen Forderungen und dem deutschen Angebot klaffende Lücke von 500–600 Millionen auszufüllen. Um sich ein Bild über die Verschiedenartigkeit der einzelnen Vorschläge zu machen, wolle er den Gegenwartswert einmal benennen. Dieser belaufe sich bei dem französischen Vorschlag auf 72 Milliarden und nach einem inoffiziellen Vorschlag von Stamp4 auf 48 Milliarden und nach der offiziellen Tabelle von Young auf 39 Milliarden und nach dem deutschen Vorschlage auf 24½ Milliarden, alles berechnet bei einem 4½%igen Rediskont. Einen anderen Diskont würden die Amerikaner[511] zweifellos nicht bewilligen. Die Frage der Rediskonts sei natürlich von ungeheuerer Bedeutung. Käme ein 8%iger Rediskont in Frage, was aber völlig ausgeschlossen sei, so könnte man eventuell auch die 58 Jahre schlucken, denn dann betrüge der Gegenwartswert nur etwa 16 Milliarden.

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Vom RK verbessert in „Moreau“.

Ob die Lage hoffnungslos und der Youngsche Vorschlag das letzte Wort sei, wage er zu bezweifeln. Es sei eben zu berücksichtigen, daß ein positives Ergebnis der Konferenz zum eigenen Vorteil der Amerikaner sei, denn von den 39 Milliarden des Youngschen Vorschlages entfielen nach ziemlich genauer Rechnung nur etwa 6¾ Milliarden auf den Wiederaufbau in Europa, während der weitaus größte Anteil an 32 Milliarden als Bezahlung der interalliierten Schulden doch nach Amerika abfließe. Das Problem sei daher zwar auch ein französisches, aber doch auch im höchsten Maße ein amerikanisches Problem5. Die Amerikaner sagten deshalb auch dauernd (wenn auch nur mit einem gewissen Augenzwinkern, daß man aber natürlich nicht diskutieren könne), über die letzten 21 Jahre könne man noch sprechen. Trotzdem seien aber die letzten 21 Jahre, wie bereits hervorgehoben, in dem Angebot enthalten.

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In der „Niederschrift Schäffer II“ heißt es: „Heinrich [Deckname für Vögler] erklärte darauf, er halte es seinerseits für wahrscheinlich, daß die Zahlen, die Young den Deutschen übergeben habe, vorher bereits mit den Franzosen ausgehandelt gewesen seien, so daß Owen Young gewußt habe, daß er auf eine Annahme durch die Franzosen rechnen könne“ (R 2 /2923 , Bl. 276-288, hier: Bl. 280).

Generaldirektor Vögler bestätigte durchaus die Auffassung des Präsidenten Schacht, daß die gegnerischen Sachverständigen in eine überaus große Verlegenheit kämen, wenn sie nach der Begründung ihrer Vorschläge gefragt würden, da sie doch Sachverständige und keine Politiker sein wollten. Es würde natürlich von der gegnerischen Seite versucht werden, unter der Verwendung der Begründung von Gilbert, der sich übrigens augenblicklich in Paris aufhalte, die gegnerischen Vorschläge zu belegen. Deutscherseits würde dann aber in zähester Arbeit, auch wenn sie sich wochenlang hinziehen sollte, jedes gegnerische Argument zerpflückt werden. Die Herren Schacht und Vögler erklärten beide, daß es nach alledem ganz ausgeschlossen sei, noch in der Karwoche über die Zahlen einig zu werden6. Natürlich könne es seitens der Gegner noch zu einem Gewaltstreich kommen. Dann würde der deutschen Delegation die Ablehnung natürlich sehr leicht gemacht. Gerade das sei aber, was die Amerikaner unter allen Umständen vermieden sehen möchten.

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Ostern fiel auf den 31.3.29.

Der Bericht der beiden Sachverständigen wurde dann noch auf gestellte Zwischenfragen nach verschiedenen Punkten ergänzt. So zunächst auch hinsichtlich des Transfers. Beide Herren erklärten, daß die deutsche Delegation den Transfer natürlich sehr teuer verkaufen würde. Intern sei aber zuzugeben, daß er für Deutschland keine Bedeutung habe, da man den Transfer nicht in der Hand habe. Es sei kein Zweifel, daß die für die Reparationszahlungen nötigen Devisen laufend in Deutschland aufkommen würden. Man brauche zum Beispiel nur an die sich eben vollziehenden Vorgänge bei der Firma Opel zu[512] erinnern7. Was den Abschlag, den der deutsche Vorschlag bei der Umwandlung des geschützten in den ungeschützten Teil vorsehe, anlange, so hätten an ihm unsere Gegner naturgemäß kein Interesse; denn er habe natürlich nur den Zweck, die Zahlen höher erscheinen zu lassen, als sie in Wirklichkeit seien. Durch diese höheren Scheinzahlen würden ja nun aber keine interalliierten Schulden bezahlt werden können.

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Die „Adam Opel-KG“ war im Dezember 1928 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden. Nach längeren Verhandlungen wurden von der „General-Motors-Corporation“ im März 1929 80% der Aktien mit einem nominellen Wert von 48 Mio RM für angeblich 120 Mio RM gekauft („Der Deutsche Volkswirt“ III, S. 346, 767, 810 ff.).

Bezüglich der einzuschlagenden Taktik betonten nochmals beide Herren, daß die deutsche Delegation sich auf irgendwelches Feilschen nicht einlassen würde; dann würde hin und her gehandelt, und schließlich hinge die Sache an den letzten 50 Millionen, wo dann eine Ablehnung oder Zustimmung ungeheuer schwer würde. Die deutsche Taktik würde ausschließlich darauf gerichtet, den gegnerischen Vorschlag in zähester sachlicher Arbeit so tief wie nur irgend möglich herunterzuhandeln und die eigene Stellungnahme bis zum letzten Augenblick hinauszuschieben. Man könne sich ja sogar vorstellen, daß die Delegation zunächst überhaupt den endgültigen Vorschlag ablehne, dann aber nach etwa einer Woche doch noch zustimme. Es sei keineswegs ausgeschlossen, daß durch diese zähe Tätigkeit, gestützt auf sachlichste Argumente, noch viel erreicht werden könne. Owen Young und namentlich auch Morgan würde es schwer, in Anwesenheit der deutschen Sachverständigen eine Zahl festzusetzen, vor der diese erklären würden, sie nicht zu unterschreiben. Daß im Endeffekt ein Gutachten herauskomme, auch wenn Deutschland ablehne, sei zweifellos; es sei sogar möglich, daß neben dem Mehrheitsgutachten und dem deutschen Gutachten noch weitere Gutachten erstattet würden. Ein amerikanisch-englisch-deutsches Gutachten sei völlig ausgeschlossen. Dagegen sei möglich, daß bei einem Scheitern des Youngschen Vermittlungsvorschlages die Franzosen wieder auf ihre alten uferlosen Pläne zurückgriffen, und daß infolgedessen ein französisch-italienisch-belgisches Abkommen zustandekomme, ferner ein englich-amerikanisch-japanisches Gutachten und dann schließlich das deutsche Einzelgutachten. Es sei richtig, daß England auf dem Wege über Herrn von Kühlmann Deutschland eine Summe von 1,8 Milliarden nahgelegt hätte, mit dem Hinzufügen, daß man eventuell auch auf 1,6 heruntergehen könne. Einstweilen hätten aber die englischen Delegierten noch keine Initiative dahin entwickelt8.

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In der Parallelniederschrift von Schäffer heißt es: „Bergmann [= Schacht] führte alsdann auf die Frage, womit man im Falle des Nichtzustandekommens einer Einigung zu rechnen habe, aus: Er halte ein einfaches Auseinandergehen nach Konstatierung der Unmöglichkeit einer Einigung für ausgeschlossen. Owen Young habe in einer früheren Sitzung erklärt, daß der Ausschuß auf alle Fälle zu Gutachten kommen müsse. Es sei möglich, daß dies ein Mehrheitsgutachten aller Gläubigermächte und ein Minderheitsgutachten der Deutschen sei. Dies werde erst eintreten, wenn es den Amerikanern gelänge, die Franzosen auf ihre Zahlen zu bekommen. Daß Young sich den französischen Zahlen annähere und eine Verschlechterung seiner eigenen den Deutschen überreichten Zahlen vornehme, halte er für kaum möglich. Vielleicht würde Young sogar im Bestreben, die deutsche Unterschrift zu erhalten, die den Deutschen überreichten Zahlen noch in unserem Sinne verbessern. Die Japaner hielten übrigens, wie sich in privaten Gesprächen ergab, auch die amerikanischen Zahlen nicht für tragbar. Sie würden wohl aber in ihrem Votum Amerika Gefolgschaft leisten. Ein Druck der Engländer auf die Summe der Franzosen sei nicht zu erwarten. Es seien große Schwierigkeiten bei der Gruppe der Verbindlichkeiten. Ließe man einen Teil des Wiederaufbaues fort, so sinke gleichzeitig der Anteil Frankreichs, das für den Wiederaufbau einen Vorzug genieße. Ließe man etwas von den interalliierten Schulden fallen, so falle ein Teil der Deckung dessen, was die betreffenden Gläubigermächte den Amerikanern schulden. Unter diesen Umständen sei es nicht ausgeschlossen, daß man zu einem dreigeteilten Gutachten käme, insbesondere dann, wenn sich die Franzosen auf ihre höhere Summe zurückziehen oder bei ihrer gegenwärtigen Summe verblieben, die Amerikaner sich an ihren Vorschlag halten und die Deutschen auf ihrem Standpunkt bleiben. Wohin die Engländer dann gingen, sei ungewiß. Wahrscheinlich zu Frankreich.“ Auf die Frage von Curtius (bei Schäffer: „Breitenbach“) ob ein Zusammengehen Frankreichs und Deutschlands durch das amerikanische Gutachten erschwert werden würde, „wurde im Gegenteil die Möglichkeit einer unmittelbaren Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich für den Fall, daß die Gläubiger in ihren Gutachten nicht übereinstimmten, als wahrscheinlich angesehen. – Im Zusammenhang hiermit erzählte Heinrich [= Vögler], wie stark die französischen Industriellen (z. B. Laurent) betonten, daß nach der Unterschrift durch Deutschland eine neue Ära europäischer Zusammenarbeit unter deutsch-französischer Führung beginnen würde. Man habe aber den Eindruck, daß diese Lockmittel nicht sehr hoch zu bewerten seien“ (R 2 /2923 , Bl. 276-288, hier: Bl. 280). In einem wohl schon vor dieser Berichterstattung geführten Gespräch zwischen Vögler und Schäffer, hatte der deutsche Delegierte berichtet, daß er in den Verhandlungen über die Sachlieferungen unter verstärktem Druck der Amerikaner stehe, „der durch allerhand private Kanäle verschärft würde. Seine Kollegen von der französischen Schwerindustrie hätten ihn unter Hinweis auf die 30 Mark niedrigeren Selbstkosten wissen lassen, was der deutschen Schwerindustrie bevorstünde, wenn man zu keiner Einigung käme. Käme es zu einer Einigung, dann würde eine große Zusammenarbeit der drei beteiligten Länder (Deutschland, Frankreich und England) stattfinden, die auch für Deutschland besonders günstig sich auswirken würde“ (22.3.29; R 2 /2923 , Bl. 289-293). Ferner hatte Vögler erklärt, daß er den Eindruck habe, „daß die andere Seite durchaus zu einem Ergebnis kommen wolle. Die von ihm gegenüber Stamp ausgesprochene Möglichkeit, daß er nicht mehr nach Paris zurückkommen würde, habe Stamp zu einem wahren Entsetzen gebracht. Er sei ihm mehrfach nachgekommen und habe gesagt, er solle nicht durch sein Fernbleiben diese Sache, auf die die ganze Welt rechne, kaputtschlagen. Auch Owen Young habe gelegentlich der Verhandlungen gerade auf ihn einzuwirken gesucht, seine Unterschrift nicht zu verweigern“ (ebd.).

[513] In dem weiteren Verlauf wurde sodann der Bericht über die belgische Markfrage und den sogenannten Reichsreformplan entgegengenommen9.

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Siehe das folgende Dok. Nr. 161.

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