2.183 (mu21p): Nr. 183 Vermerk Staatssekretär Pünders über die Behandlung der Ehescheidungsreform im Rechtsausschuß des Reichstags. 27. April 1929

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 4). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Kabinett Müller II. Band 1 Hermann Müller Bild 102-11412„Blutmai“ 1929 Bild 102-07709Montage  von Gegnern des Young-Planes Bild 102-07184Zweite Reparationskonferenz in Den Haag Bild 102-08968

Extras:

 

Text

RTF

[587] Nr. 183
Vermerk Staatssekretär Pünders über die Behandlung der Ehescheidungsreform im Rechtsausschuß des Reichstags. 27. April 1929

R 43 II /1521 , Bl. 53

Der Herr Reichskanzler hat das anliegende Schreiben der Zentrumsfraktion mit den Abgeordneten Landsberg (SPD), Kempkes (Deutsche Volkspartei) und Koch-Weser (Demokratische Partei) wunschgemäß besprochen1. Er hat mit den genannten Fraktionen vereinbart, daß sie dem Wunsche der Reichsregierung entsprechend die Erledigung der Anträge auf Ehescheidungsreform zunächst zurückstellen und die Erledigung des Standesherrengesetzes als vordringlich anerkennen möchten2. Dementsprechend wird also der tatsächliche Ablauf der Verhandlungen im Rechtsausschuß den Wünschen des Zentrums entsprechend so sein, daß für die nächste absehbare Zeit mit einer Behandlung der Ehescheidungsreform nicht zu rechnen sein wird. Dadurch wird aber die in dem anliegenden Brief der Zentrumsfraktion behandelte grundsätzliche Seite der Angelegenheit nicht berührt. Die drei anderen Fraktionen bestreiten ausdrücklich, daß es sich bei der geplanten Ehescheidungsreform um eine Angelegenheit „grundlegender Bedeutung“ handele; deshalb würden sie, falls die Reichsregierung die grundsätzliche Seite der Angelegenheit in einer interfraktionellen Besprechung klären wollte, unter keinen Umständen geneigt sein, von den Anträgen auf Ehescheidungsreform Abstand zu nehmen.

1

Nach einer Unterredung des RK mit Bell hatte der Vorstand der Zentrumsfraktion auf den Absatz über „Anträge von grundlegender Bedeutung“ in den Koalitionsvereinbarungen vom 10. 4. aufmerksam gemacht. „Daß zu den ‚Anträgen von grundlegender Bedeutung‘ die vorliegenden Anträge auf Ehescheidungsreform gehören, kann von keiner Seite ernstlich bestritten werden. Diese Auffassung ist in der heutigen Vorstandssitzung der Zentrumsfraktion ausdrücklich bestätigt worden. – Unter Hinweis auf die Regierungserklärung müssen wir Sie, Herr RK, ersuchen, namens der RReg. bei allen Koalitionsparteien hinwirken zu wollen, daß die Anträge auf Ehescheidungsreform als Anträge von grundlegender Bedeutung im Sinne dieser Regierungserklärung behandelt werden. – Wir sind vom Vorstand der Bayerischen Volkspartei ermächtigt, diese Erklärung auch in dessen Namen abzugeben“ (24. 4.; R 43 II /1521 , Bl. 52).

2

Zum Standesherrengesetz siehe Dok. Nr. 240, P. 1.

Als Beispiel, was etwa unter Anträgen von „grundlegender Bedeutung“ zu verstehen sei, wurde von der Deutschen Volkspartei anerkannt, daß ihre bekannten Anträge wegen Verfassungsreform zweifellos solche Anträge wären, die der getroffenen Verabredung entsprechend nur im Benehmen mit den anderen Koalitionsgenossen verfolgt werden dürften3. Der vorliegende Fall der Ehescheidungsreform läge aber ganz anders, deshalb könne von einer dauernden Zurückstellung nicht die Rede sein.

3

Vgl. RT-Drucks. Nr. 704, Bd. 433 .

Der Herr Reichskanzler hat von dem vorstehenden Ergebnis seiner Verhandlungen den Herrn Reichsjustizminister von Guérard in einer persönlichen Aussprache gestern orientiert. Die Angelegenheit ist damit vorerst erledigt. Voraussichtlich wird am kommenden Freitag [3. 5.] die erste Tagung des[588] Rechtsausschusses sein, in der dann der Beginn der Beratungen des Standesherrengesetzes beschlossen werden wird. Dieser Gesetzentwurf wird dann den Rechtsausschuß, zumal er in Anbetracht der bevorstehenden langen Ferien des Reichstagsplenums im Mai kaum tagen wird, auf absehbare Zeit allein beschäftigen4.

4

Der Rechtsausschuß beschloß die Verhandlungen des Standesherrengesetzes, ohne zu klären, „welche Materie danach beraten werden soll“ (Vermerk Wiensteins vom 14.5.29; R 43 II /1521 , Bl. 57).

Pünder

Extras (Fußzeile):