1.109.4 (mu22p): 4. Reichshaushaltsordnung. (Frage des Reichssparkommissars).

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4. Reichshaushaltsordnung. (Frage des Reichssparkommissars).

Der Reichsminister der Finanzen trug vor, daß in der Sitzung des Haushaltsausschusses vom 26. November von der Deutschen Volkspartei ein Antrag auf gesetzliche Regelung der Stellung des Reichssparkommissars gestellt worden sei (Abdruck des Antrags – Nr. 465 der Reichstagsdrucksachen – liegt bei). Er charakterisierte die Tendenz des Antrages dahin, daß dem Reichssparkommissar eine Stellung gegeben werden solle, durch die die Souveränität der Reichsregierung und besonders die Stellung des Reichsministers der Finanzen wesentlich eingeschränkt werde3. Er bat um die Ermächtigung, dem Reichshaushaltsausschuß zu dem Antrage Nr. 465 der Drucksachen namens der Reichsregierung die in der Anlage formulierte Stellung vertreten zu können4.

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Nach dem 10 Paragraphen umfassenden Entwurf der DVP sollte der RSparKom. eine von der RReg. unabhängige Reichsbehörde werden. Der RSparKom. sollte auf Wunsch der RReg. aber auch selbständige Gutachten anfertigen. Auf sein Verlangen waren sie von der RReg. dem RR und dem RT vorzulegen. Der RSparKom. sollte vor Haushaltsüberschreitungen und außerplanmäßigen Ausgaben gehört werden. An den Kabinettssitzungen konnte er mit beratender Stimme teilnehmen. Widersprach der RFM dem RSparKom., so hatte er ein Einspruchsrecht von einer Woche; widersprach der RSparKom. dem RFM, war die Angelegenheit nochmals zu beraten. Die Überstimmung des RSparKom. sollte nur durch Kabinettsmehrheit mit der Stimme des RK möglich sein. Der RSparKom. sollte das Recht erhalten, in die Akten der Reichs- und Länderbehörden Einsicht zu nehmen.

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Die Stellungnahme des RFM lautete: „1. Die Festlegung der Stellung des RSparKom. in einem Gesetz – anstelle der jetzigen Richtlinien – erscheint ausgeschlossen. Die Stellung des RSparKom. beruht auf einem besonderen Vertrauensverhältnis des zur Zeit mit den Geschäften des RSparKom. beauftragten StM Saemisch zum jeweiligen Kabinett. 2. Daraus ergibt sich die Unmöglichkeit des § 126 e des Antrags (Veto des RSparKom.). Der RSparKom. würde dadurch in einem unhaltbaren Gegensatz zum RFM und zum Kabinett selbst gebracht werden. 3. Es erscheint nicht möglich, gutachtliche Äußerungen des RSparKom. gegenüber der RReg. ohne Zustimmung der RReg. dem RR und dem RT vorzulegen (§ 126 b Abs. 3). Dagegen würde es sich empfehlen, im Reichshaushaltsausschuß eine Erklärung abzugeben, daß die RReg. keine Bedenken trüge, Gutachten des RSparKom., die dieser selbst für geeignet zur Vorlegung an den RR und den RT erklärt, in geeigneten Fällen dem RR und dem RT mit einer Stellungnahme auch dann zuzuleiten, wenn die RReg. einen abweichenden Standpunkt gegenüber den Darlegungen des RSparKom. vertritt. Hierunter könnten vor allem Gutachten fallen, die sich mit weittragenden organisatorischen Vorschlägen befassen. 4. Zu § 126 c des Antrags ist zu bemerken, daß die gutachtliche Anhörung des RSparKom. vor der Genehmigung der Haushaltsüberschreitungen und außerplanmäßigen Ausgaben sich nicht in allen Fällen durchführen lassen würde. Es handelt sich dabei in großer Zahl um nicht sehr bedeutungsvolle Angelegenheiten, die geschäftsmäßig schnell erledigt werden müssen und für deren Beurteilung dem RSparKom. auch nicht immer das nötige Material zur Verfügung steht. Außerdem können Fälle von politischer Bedeutsamkeit in Betracht kommen, die sich für eine Begutachtung durch den RSparKom. nicht eignen. Es erscheint aber unbedenklich zu erklären, daß die RReg. beschlossen habe, der RFM solle in Fällen von besonderer Bedeutung vor Genehmigung von Haushaltsüberschreitungen und außerplanmäßigen Ausgaben den RSparKom. hören“ (R 43 I /1440 , Bl. 151 f., hier: Bl. 151 f. und 1952, R 43 I /1952 , Bl. 81 f., hier: Bl. 81 f.).

[1199] Der Reichskanzler bemerkte, daß ihm eine schriftliche Beschwerde des Reichstagsabgeordneten Breitscheid zugegangen sei, in der dieser die Einbringung des Antrages durch die Deutsche Volkspartei ohne vorherige Besprechung mit den übrigen Koalitionsparteien als einen groben Verstoß gegen die früher getroffenen Vereinbarungen darstellt, wonach die Koalitionsparteien sich zu gegenseitiger Verständigung vor der Einbringung wichtiger Anträge verpflichtet haben5. Er habe diese Beschwerde am 28. November im Reichstage dem Abgeordneten Zapf mündlich zur Kenntnis gebracht und diesen wissen lassen, daß sich das Reichskabinett am 29. November mit der Angelegenheit befassen werde.

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Breitscheid hatte u. a. erklärt: „Das Verhalten der Deutschen Volkspartei kann […] zu bedenklichen Folgen führen, wenn ihm nicht entgegengetreten wird. Wir bitten Sie daher, der Deutschen Volkspartei unsere Auffassung zur Kenntnis zu bringen und zu veranlassen, daß ähnliche Schritte in Zukunft vermieden werden“ (27.11.29; R 43 I /1952 , Bl. 83, hier: Bl. 83).

Der Reichsminister der Justiz machte darauf aufmerksam, daß der Antrag der Deutschen Volkspartei verfassungsändernd sei. Auch er müsse unbedingt fordern, daß Anträge von so grundlegender Bedeutung vor ihrer Einbringung im Kreise der Regierungsparteien vorberaten würden.

Der Reichswirtschaftsminister erwiderte, daß auch er von dem Antrage völlig überrascht worden sei. Er habe von ihm zuerst durch die Zeitung erfahren. Die Fraktion der Deutschen Volkspartei habe sich noch nicht mit ihm befaßt. Nach seiner Meinung müsse die Frage, ob die Einbringung gegen die Vereinbarung sei, wonach Koalitionsparteien sich vor der Einbringung wichtiger Anträge gegenseitig zu verständigen hätten, von den Fraktionsführern unter sich behandelt werden. Dem Vorschlage des Reichsministers der Finanzen auf Ablehnung des Antrages stimme er zu. Was er aber für dringend erwünscht halte, sei die Schaffung gesetzlicher Hemmungen gegen das unbeschränkte Ausgabenbewilligungsrecht des Reichstags. Dieses Ziel könne nach seiner Meinung am besten durch eine Stärkung der Stellung des Reichsministers der Finanzen erreicht werden. Den Weg über den Reichssparkommissar halte er nicht für[1200] den richtigen. Er denke an ein Vetorecht des Reichsministers der Finanzen oder des Gesamtkabinetts.

In ähnlichem Sinne äußerte sich der Reichsverkehrsminister.

Der Reichskanzler bat, das Problem jetzt nicht weiter zu vertiefen. Er bemerkte nur, daß nach seiner Auffassung für kritische Zeiten der Weg des Ermächtigungsgesetzes immer noch der richtigste sei.

Als Ergebnis der Aussprache stellte der Reichskanzler fest, daß der Reichsminister der Finanzen ermächtigt wird, im Haushaltsausschuß gegenüber dem Antrage Nr. 465 der Drucks. betr. den Reichssparkommissar die aus der Anlage ersichtliche Stellung einzunehmen6.

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Der RFM gab seine Stellungnahme in der Ausschußsitzung am 12. 12. bekannt, und am 18. 12. wurde der Antrag der DVP abgelehnt. Auf den Vorschlag des RSparKom., die vom RKab. genehmigte Stellungnahme des RFM als Ergänzung zu den gültigen Richtlinien (RMinBl. 1927, S. 141) den Ressorts bekanntzugeben oder zu veröffentlichen (Schreiben an den StSRkei; 31.12.29; R 43 I /1952 , Bl. 113, hier: Bl. 113), stellte der RFM fest, daß nach dem Wechsel im Ressort und da der Abg. Cremer den Antrag im Plenum neu stellen wolle, es tunlich erscheine, das Ergebnis abzuwarten und von der Veröffentlichung abzusehen (Schreiben an den StSRkei vom 8.1.30; R 43 I /1952 , Bl. 114, hier: Bl. 114).

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