1.148.1 (mu22p): [Delegation für die zweite Haager Konferenz.]

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[Delegation für die zweite Haager Konferenz.]

Der Reichskanzler nahm bezug auf die am Vortage unter Beteiligung des Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht geführte Kabinettsberatung1 und sprach den Wunsch nach einer Verständigung mit Dr. Schacht über seine Teilnahme als Hauptdelegierter an der Haager Konferenz aus.

1

Siehe Dok. Nr. 401.

Dr. Schacht erwiderte, daß er am Vortage Gelegenheit gehabt habe, mit einem an der Bank für internationalen Zahlungsausgleich interessierten Amerikaner über die Beteiligung Amerikas an dieser Bank zu sprechen. Der Amerikaner habe ihm gesagt, daß Amerika sich durch eine Bankengruppe, bestehend aus dem Bankhaus Morgan sowie der National City Bank in New York und der National City Bank in Washington vertreten lassen wolle. Er habe die Gelegenheit dieser Aussprache benutzt, den Amerikaner wissen zu lassen, daß es recht zweifelhaft geworden sei, ob die Reichsbank ihre Beteiligung an der BIZ noch verantworten könne, wenn der Young-Plan weiter so behandelt werde, wie das bisher geschehen sei. Gegebenenfalls müsse daran gedacht werden, daß für Deutschland nicht die Reichsbank, sondern eine private Bankengruppe die Vertretung in der BIZ übernehme. Dr. Schacht meinte, die Reichsbank müsse an der so gekennzeichneten Taktik im deutschen Interesse festhalten. Er verspreche sich von einem derartigen Druck auf die anderen Mächte nur Gutes, denn es sei vom Standpunkt der anderen Mächte nicht möglich, ein ersprießliches Funktionieren der BIZ ohne Beteiligung der Reichsbank in Aussicht zu nehmen. Weil aber die Reichsbank diesen Standpunkt einnehme, könne er selbst der deutschen Delegation, von der ihn tiefgehende Meinungsverschiedenheiten trennten, nicht angehören. Diese Haltung solle natürlich nicht die Ausschaltung der Reichsbank an den weiteren Verhandlungen bedeuten. Er empfehle deshalb, den Reichsbankdirektor Vocke, der mit den einschlägigen Fragen aufs beste vertraut sei, als Sachverständigen mit in die Delegation hereinzunehmen. Dr. Vocke habe an allen Verhandlungen des Organisationskomitees für die BIZ teilgenommen und stehe der deutschen Delegation zur Verfügung.

Da weitere Vorstellungen, Dr. Schacht umzustimmen, zu keinem Ergebnis führten, brach der Reichskanzler die Aussprache mit der Feststellung ab, daß mit einer Ernennung Dr. Schachts zum Hauptdelegierten für die Haager Konferenz nicht mehr gerechnet werde.

[1328] Dr. Schacht erwiderte, daß er bedauere von seinem Standpunkt nicht abgehen zu können. Alles was er tun könne, sei, ausdrücklich zu versprechen, daß er bis zum Abschluß der Haager Konferenz in der Öffentlichkeit über seine, von der Auffassung der Reichsregierung abweichenden Ansichten völlig schweigen werde.

Auf Anfrage des Reichsministers des Auswärtigen, ob Dr. Schacht zur Verfügung stehen werde, wenn der deutschen Delegation im Haag seine Zuziehung als Sachverständiger über die Fragen der BIZ sich als erwünscht herausstellen sollte, erwiderte Dr. Schacht, daß er für diesen Fall selbstverständlich nach dem Haag kommen werde2.

2

Siehe Dok. Nr. 416.

Reichsbankpräsident Dr. Schacht, Vizepräsident Dreyse und Reichsbankdirektor Vocke verließen darauf die Sitzung.

In der nachfolgenden Aussprache wurde die Zusammensetzung der deutschen Delegation erörtert.

Nach fernmündlicher Rücksprache mit Geheimrat Kastl und Dr. Melchior wurde der Wortlaut folgenden Communiqués vereinbart:

„Der deutschen Delegation für die zweite Haager Konferenz gehören als Delegierte an: Der Reichsminister des Auswärtigen Dr. Curtius, der Minister für die besetzten Gebiete Dr. Wirth, der Reichsminister der Finanzen Dr. Moldenhauer und der Reichswirtschaftsminister Robert Schmidt. Als Sachverständiger nimmt an der Konferenz der deutsche Unterhändler in Paris Dr. Melchior teil. Soweit die Beratungen über die Internationale Bank es erforderlich erscheinen lassen, wird auf Anforderung der Delegation auch Reichsbankpräsident Dr. Schacht an der Haager Konferenz teilnehmen. Im übrigen wird auf Vorschlag des Reichsbankpräsidenten das Mitglied des Reichsbankdirektoriums Geheimer Finanzrat Dr. Vocke der Delegation angehören. Von den übrigen Reichsressorts gehören der Delegation folgende Herren an: vom Auswärtigen Amt Staatssekretär Dr. von Schubert, die Ministerialdirektoren Dr. Gaus und Dr. Ritter; vom Reichsfinanzministerium Staatssekretär Dr. Schäffer und Ministerialdirektor Dorn; vom Ministerium für die besetzten Gebiete Ministerialdirektor Miller; von der Reichskanzlei Staatssekretär Dr. Pünder und der Pressechef der Reichsregierung Ministerialdirektor Dr. Zechlin3.“

3

Veröffentlicht im WTB am 28.12.29 (R 43 I /299 , Bl. 345, hier: Bl. 345).

Darüber hinaus soll der Presse mündlich mitgeteilt werden, daß die Reichsregierung bereit war, den Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht zum Hauptdelegierten zu ernennen, daß dieser aber aus den aus dem Memorandum hervorgehenden Meinungsverschiedenheiten mit der Reichsregierung das Anerbieten der Reichsregierung abgelehnt habe.

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