1.149.3 (mu22p): 3. Haager Schlußkonferenz.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 6). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Kabinett Müller II. Band 2 Hermann Müller Bild 102-11412„Blutmai“ 1929 Bild 102-07709Montage  von Gegnern des Young-Planes Bild 102-07184Zweite Reparationskonferenz in Den Haag Bild 102-08968

Extras:

 

Text

RTF

[1331]3. Haager Schlußkonferenz6.

6

Eine Parallelüberlieferung zu diesem Tagesordnungspunkt befindet sich im Tagebuch Schäffers (Institut für Zeitgeschichte: ED 93).

Der Reichskanzler teilte mit, daß am 31. Dezember 1929 Vertreter des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes mit der Anregung an ihn herangetreten seien, Gewerkschaftsvertreter zur Deutschen Delegation für die Haager Konferenz zuzuziehen. Er habe diese Anregung abgelehnt. Er teilte ferner mit, daß am gleichen Tage auch die Anregung an ihn herangebracht worden sei, Vertreter der politischen Parteien der Deutschen Delegation mitzugeben, etwa in der gleichen Form, wie dies zu den Völkerbundstagungen in Genf die Regel sei. Auch diese Anregung habe er abgelehnt.

Er stellte fest, daß das Reichskabinett diese Anregungen als erledigt ansieht.

Der Reichsminister des Auswärtigen bat, für den Nachmittag eine Kabinettsberatung vorzusehen, um Gelegenheit zu haben, zu inzwischen bekannt gewordenen Beschlüssen der Gläubigermächte Stellung nehmen zu können, die die auf der Haager Konferenz zu regelnden finanziellen Fragen betreffen.

Dieser Anregung wurde entsprochen7.

7

Siehe Dok. Nr. 406.

Der Reichsminister des Auswärtigen berichtete sodann weiter, daß das Sonderabkommen mit Amerika über die deutschen Jahreszahlungen an Amerika sowie ein weiteres Sonderabkommen mit England über den Recovery act inzwischen zum Abschluß gelangt seien. Er trug den wesentlichen Inhalt dieser Abkommen vor8.

8

Zum dt.-amerik. Abkommen siehe RGBl. 1930 II, S. 386  ff. und zum dt.-englischen Abkommen siehe a.a.O., S. 260 f.

Sodann brachte der Reichsminister des Auswärtigen ferner zur Sprache, daß ihm Nachrichten zugegangen seien, wonach der polnische Außenminister bereit sein würde, mit ihm über gewisse Verbesserungen des deutsch-polnischen Abkommens zu verhandeln. Der polnische Außenminister komme jedoch nicht nach dem Haag, habe vielmehr den Wunsch, die Angelegenheit aus Anlaß der Völkerbundstagung in Genf zu verhandeln. Im Haag werde Gelegenheit sein, die Angelegenheit mit den dort anwesenden polnischen Unterhändlern durchzusprechen. Das polnische Entgegenkommen werde wesentlich von der Gestaltung des polnischen Handelsvertrages abhängen, insbesondere liege Polen daran, eine Abnahmegarantie für das Kontingent von 200 000 Schweinen zu bekommen. In dieser Frage sei er mit dem Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft bereits weitgehend einig geworden. Er bat annehmen zu können, daß er den Polen hinsichtlich des Zustandekommens dieser Abnahmegarantie gewisse Aussichten machen dürfe.

Widersprüche wurden hiergegen von keiner Seite geltend gemacht9.

9

Zu den dt.-poln. Vereinbarungen über Schweine und Schweinefleischeinfuhr s. RT-Drucks. Nr. 2138, Bd. 442 .

Sodann erörterte der Reichsminister des Auswärtigen den letzten Stand der Sanktionsfrage. Hierzu trug er den wesentlichen Inhalt der auf Grund einer[1332] Besprechung im Reichsministerium für die besetzten Gebiete am 28. Dezember 1929 an den Botschafter von Hoesch abgegangenen Instruktion Nr. 1017 sowie den Inhalt des Telegramms des Botschafters von Hoesch vom 31. Dezember 1929 Nr. 1343 vor10.

10

Zur Instruktion an v. Hoesch siehe die Darstellung des Reichsarchivs über die Entstehung des Young-Plans Teil III, B 1 (BA: Nachlaß Pantlen  8). Der Text der Instruktion befindet sich im Nachlaß Pünder 83, ebenso v. Hoeschs Telegramm vom 31. 12., in dem mitgeteilt worden war, daß auf französischer Seite grundsätzliche Zustimmung zu der Fassung der Sanktionsbestimmung bestehe, wenn auch einige Vorbehalte noch gemacht würden. „Wenn es auch durchaus möglich ist, daß im Haag schließlich französischerseits noch Schwierigkeiten gemacht werden, so machten Coulondres letzte Äußerungen doch Eindruck, als ob über die […] Fassung mit Einsetzung Haager Gerichtshofs abschließende Einigung mit Franzosen erzielt werden kann. Ich glaube deshalb, daß wir diese Position nicht verlassen sollten.“

Hieran knüpfte sich eine eingehende Aussprache der Sanktionsfrage an11.

11

Zum Ablauf dieser Aussprache notierte Schäffer u. a. in seinem Tagebuch am 2.1.30: „Wirth: Schacht hat einen Brief an die Amerikaner geschickt, in dem er darauf hinweist, daß seine Mitarbeit von politischer Freiheit Deutschlands abhängig ist. Wirth legt den größten Wert auf die Entscheidung des Haager Schiedsgerichts, denn nach Feststellung einer deutschen bewußten Nichterfüllung muß man mit Sanktionen rechnen. Wichtig ist, die Zeit zu gewinnen, die im Haager Schiedsgericht liegt, besonders wenn vorher schon das Auslegungsschiedsgericht gesprochen hat. Man muß fragen, ob man jedem der Gegner die Möglichkeit der Klage beim Haager Schiedsgericht offenhält oder ob man da nicht mehrere Mächte oder die Gesamtheit der Mächte nebeneinander fordern sollte. Guérard: Ich sehe das Bestreben der Franzosen, die militärischen Sanktionen des VV für den Fall, daß der Young-Plan von uns zerrissen wird, verbindlich zu erhalten. Das ist ganz klar. Wir haben immer einen Ausschluß der militärischen Sanktionen aus dem VV verlangt. […] Die Franzosen und unsere Opposition werden sagen, daß wir erneut das Noch-Vorhandensein der Sanktionen anerkennen, und das ist für uns ungeheuer schwer. […] Wirth: Wie werden sich die Bankiers der Welt stellen, wenn die Sanktionsreste des VV noch nicht beseitigt sind?“ (Institut für Zeitgeschichte: ED 93).

Der Reichskanzler stellte als Ergebnis der Aussprache fest, daß das Kabinett den Standpunkt der Delegation noch nicht festzulegen wünscht, daß vielmehr vor entscheidenden Beschlüssen zunächst das Ergebnis der im Haag zu führenden mündlichen Verhandlungen mit dem französischen Außenminister Briand und dem französischen Ministerpräsidenten Tardieu abgewartet werden solle.

Die Sitzung wurde darauf auf nachmittags 4 Uhr vertagt.

Extras (Fußzeile):