1.195.2 (mu22p): 2. Entwurf einer Verordnung über Inkraftsetzung der Zollerhöhungen für Kaffee und Tee.

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2. Entwurf einer Verordnung über Inkraftsetzung der Zollerhöhungen für Kaffee und Tee.

Der Reichsminister der Finanzen erläuterte seinen Vorschlag6. Schwierigkeiten mit den Ausfuhrländern seien voraussichtlich nicht zu befürchten. Die Kaffee- und Teepreise seien in letzter Zeit so gesunken, daß ein Rückgang des Verbrauchs voraussichtlich nicht eintreten werde. Bei den Verhandlungen mit den Parteien habe sein Vorschlag keinen ernstlichen Widerspruch gefunden. Die Zollerhöhungen müßten bereits am 5. März in Kraft gesetzt werden. Die schwierige Finanzlage erfordere, daß bereits am 1. April neue Einnahmequellen flössen.

6

Im Zollgesetz vom 8.4.22 (RGBl. I, S. 386  f.) waren Zölle für Kaffee und Tee festgelegt worden, die jedoch aus handelspolitischen Gründen nicht erhoben worden waren (VO vom 8.4.22; RGBl. I, S. 448 ), so daß sie noch der Besteuerung nach dem Gesetz vom 26.7.18 (RGBl., S. 849  ff.) unterlagen. Die schwierige Finanzlage fordere, wie der RFM in seiner Vorlage ausführte, zur Vermehrung der Einnahmen eine schnelle Zollerhöhung, die durch das Gesetz von 1922 ermöglicht sei. Die Mehreinnahmen aus Zollerhöhung und Nachzoll würden 60 Mio RM betragen.

Staatssekretär Dr. Trendelenburg widersprach der Zollerhöhung nicht, wies aber auf die Bedenken hin, die sich aus der handelspolitischen Lage ergeben. Brasilien und die südamerikanischen Lieferstaaten für Kaffee würden Einspruch erheben. Es würde notwendig sein, mit ihnen in Verhandlungen einzutreten. Ein Zollkrieg mit Brasilien, mit dem Deutschland nur die gegenseitige Meistbegünstigung vereinbart habe, würde für Deutschland ungünstig sein.

Staatssekretär Dr. von Schubert betonte die gleichen Bedenken. Der brasilianische Gesandte7 sei bereits mehrfach wegen des Kaffeezolles bei ihm vorstellig geworden. Er habe dabei darauf hingewiesen, daß Brasilien sich in einer innerpolitischen Krisis befinde, die zur Zeit eine Erhöhung des Kaffeezolles in[1475] Deutschland besonders bedenklich erscheinen lasse8. Rückwirkungen seien zu befürchten.

7

Dr. Ad. Guerra-Duval.

8

In Brasilien kam es vor der Präsidentenwahl am 1.3.30 zu starken Spannungen zwischen Liberalen und Konservativen. Da der Weltpreis für Kaffee zurückgegangen war, hatte die brasilianische Kaffeeausfuhr nachgelassen, so daß der Staatshaushalt gefährdet wurde. Von den Ausfuhren Brasiliens in Höhe von 1,9 Mrd. Mark gingen 8,8% nach Deutschland, während Deutschland im Jahr 1929 an den Einfuhren von 1,75 Mrd. M mit 12,7% beteiligt war.

Der Reichsminister des Innern hätte es lieber gesehen, wenn die Erhöhung der Kaffee- und Teezölle im Zusammenhang mit den anderen Finanzfragen behandelt worden wäre. Solange nicht entsprechende direkte Steuern eingeführt würden, sei ihm die Zustimmung schwer. Er erhebe keinen Widerspruch, erwarte aber, daß Steuern dieser Art beschlossen würden.

Der Reichskanzler führte aus, daß auch nach seiner Auffassung die baldige Erschließung von Steuerquellen dringend nötig sei. Die vorgeschlagene Zollerhöhung sei am wenigsten angefochten. Die Befürchtungen wegen der Lieferstaaten teile auch er. Dem Reiche bliebe aber nichts anderes übrig, als die möglichen Einnahmequellen restlos zu erschließen. Auch die anderen Steuervorlagen müßten so zeitig verabschiedet werden, daß die Einkünfte vom 1. April an bestimmt zu erwarten seien. Gegen die indirekten Steuern müsse ein Gegengewicht geschaffen werden.

Der Reichsminister der Finanzen berichtete in diesem Zusammenhange über seine Besprechungen mit den Parteiführern. Eine Einigung sei nicht zustandegekommen. Die Meinungen hätten sich aber weitgehend geklärt9. Die Vorschläge würden nun im Reichsfinanzministerium ausgearbeitet und dem Kabinett zur Beschlußfassung in der kommenden Woche zugehen10. Das Kabinett werde jetzt entscheiden müssen. Weitere Verhandlungen mit den Parteien beabsichtige er nicht zu führen.

9

Besprechungen hatten am 18. und 19. 2. stattgefunden (Tagebuch Schäffers; Institut für Zeitgeschichte ED 93).

10

Siehe Dok. Nr. 454.

Staatssekretär Dr. Schäffer gab dann eingehende Auskunft über die Kassenlage. Er knüpfte an seine Mitteilungen hierüber an, die er im Kabinett während der zweiten Haager Konferenz gemacht hatte. Damals habe er für den Normalfall und für den ungünstigen Ausgang der Verhandlungen zwei Aufstellungen gemacht11.

11

Siehe Dok. Nr. 417, P. 3.

Ende Februar seien noch keine Schwierigkeiten zu erwarten. Dagegen wohl Ende März.

Nach dem Normalplan sei dann mit dem Fehlbetrag von 140 Millionen zu rechnen gewesen. Davon würden 50 Millionen durch Zahlungen der Reichsbahn ausgeglichen. Die restlichen 90 Millionen wären ohne besondere Schwierigkeiten zu decken gewesen.

Nun seien aber die Einnahmen stärker zurückgegangen als angenommen worden sei, insbesondere aus dem Spiritusmonopol, aus den Zöllen und aus der Umsatzsteuer.

Dagegen seien die Ausgaben, im wesentlichen für die soziale Fürsorge, gestiegen.

[1476] Dadurch würden die Zahlen erreicht, die er seinerzeit für den ungünstigen Fall angegeben habe, nämlich ein Defizit von 240–250 Millionen RM.

Nach Abzug der Mittel, die aus weiteren Quellen beschafft werden könnten, bliebe noch ein Defizit von 100 Millionen. Um dieses zu decken, müßten die letzten Reserven herangezogen werden. Äußere Schwierigkeiten würden so vermieden werden können.

Von den 100 Millionen, die dem Reich aus den Industrieobligationen zufließen würden, müßten 70 Millionen vorzeitig im Kreditwege flüssig gemacht werden.

Wenn sich die ungünstige Entwicklung in der nächsten Zeit weiter fortsetze, so würde allerdings auch mit akuten Schwierigkeiten zu rechnen sein. Mit dem Reichsbankpräsidenten sei darüber verhandelt worden.

Da demnach die Kassenlage äußerst gespannt sei, müßten neue Einnahmequellen so rasch wie möglich erschlossen werden.

Der 30. Juni würde der gefährdeste Termin für die Reichskasse sein. Die ungünstigen Einkommensverhältnisse des Jahres 1929 würden sich in Rückgängen der Einkommensteuer auswirken. Größere Ausfälle würden dadurch entstehen. Ob die Reserven dann ausreichen würden, um sie zu decken, sei zweifelhaft. Früher seien die konjunkturempfindlichen und die nicht konjunkturempfindlichen Einnahmequellen des Reichs ausgeglichen gewesen. Durch die Lex Brüning sei aber dieses Gleichgewicht gestört. Ein Ansteigen der Konjunktur würde sich deswegen zunächst nicht für die Reichskasse günstig auswirken können.

Auch der Reichskanzler erklärte, daß er mit einem Rückgang der Einnahmen rechne. Die Anleihemöglichkeiten würden sich erst später auswirken.

Auf Grund der Aussprache stellte der Reichskanzler fest, daß das Kabinett mit dem Erlaß der vom Reichsminister der Finanzen vorgeschlagenen Verordnung einverstanden ist12.

12

Die Zollerhöhung wurde im Reichszollblatt 1930, S. 61 ff. veröffentlicht.

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