1.227.1 (mu22p): Verwaltungsrat der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft.

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Verwaltungsrat der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft.

Nach Schilderung der Sachlage durch den Reichsverkehrsminister1 sprach sich der Reichskanzler dafür aus, zunächst die Streitigkeit mit der Sächsichen Staatsregierung zu bereinigen, ehe man sich mit den anderen Ländern, insbesondere Preußen, auseinandersetze. Die Sächsische Regierung müsse sich damit einverstanden erklären, statt des einen Kandidaten mehrere Persönlichkeiten[1593] zu benennen, wie es auch Baden getan habe. Er sei bereit, in diesem Sinne mit dem Sächsischen Gesandten Dr. Gradnauer Rücksprache zu nehmen.

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Vom PrMinPräs. war gefordert worden, Preußen solle wegen der Größe seines Streckennetzes in der Person des MinDir. Schulze einen zweiten Vertreter im RB-Verwaltungsrat erhalten, wenn auf Grund des Young-Plans die Ausländer aus diesem ausgeschieden seien (23. 11. und 27.12.29; R 43 I /1060 , Bl. 3, 30, hier: Bl. 3, 30). Demgegenüber hatte der RVM, der auch vor einer Entscheidung durch den StGH gewarnt hatte, die Meinung vertreten, die Länder sollten keine Beamten für den Verwaltungsrat benennen, dessen Sitze besser unter den Wirtschaftsgruppen aufzuteilen seien (24.12.29; R 43 I /1060 , Bl. 25, hier: Bl. 25). Da jedoch auch Sachsen bestrebt war, einen Ministerialbeamten zu benennen, hatte es eine einstweilige Verfügung beim StGH beantragt, nach der ohne sächs. Einwilligung keine Verteilung der Sitze vorgenommen werden dürfe. Vom RGPräs. Bumke war daraufhin vorgeschlagen worden, der RK solle einen Vermittlungsversuch unternehmen (Zweigert an Pünder, 13.3.30; R 43 I /1060 , Bl. 54 f., hier: Bl. 54 f.). Dem RVM selbst war es gelungen, eine Verständigung mit Baden und Württemberg über deren Vertreter zu erzielen; er hatte außerdem den Wunsch geäußert, daß der RK mit dem Sächs. MinPräs. spreche. Eine Benennung MinDir. Schulzes durch das PrStMin. war vom RVM abgelehnt worden (Aufzeichnung Plancks, 21.1.30; R 43 I /1060 , Bl. 57-59, hier: Bl. 57-59).

Der Reichsminister der Justiz sprach sich dafür aus, das Hauptverfahren beim Staatsgerichtshof über die Ansprüche der Länder auf Vertretung im Verwaltungsrat der Reichsbahn beschleunigt zu Ende zu führen2. Es sei bedauerlich, daß dies Verfahren so lang nicht gefördert worden sei. Jeder Spruch des Staatsgerichtshofs werde die Rechtslage für die Reichsregierung verbessern.

2

Siehe die Besprechungen und Schriftwechsel im Dezember 1928 zu Badens Antrag auf einstweilige Verfügung.

Demgegenüber führte der Reichsverkehrsminister aus, daß vielleicht wohl nach der jetzigen Rechtslage ein für die Reichsregierung günstiges Urteil des Staatsgerichtshofs zu erhoffen sei. Wenn alle die neuen Gesetze in Kraft getreten seien, verschlechtere sich die Rechtslage für die Reichsregierung, und es bestehe die Gefahr, daß den Ländern 5 Sitze aus eigenem Recht zugesprochen würden. Die Reichsregierung würde dann in die schwierige Lage kommen, um die Kreditwürdigkeit der Reichsbahn zu erhalten, mit ausländischen Stellen in Verbindung zu treten, um eine Abänderung des Bahnstatuts von dorther in Gang zu bringen. Aus diesem Grunde sprach der Reichsverkehrsminister sich für weitere Versuche einer gütlichen Verständigung aus.

Staatssekretär Zweigert bezeichnete die Durchführung des Hauptprozesses als wünschenswert. Als gefährlichsten Punkt bezeichnete er die sächsische Klage auf einstweiliger Verfügung. Es würde aber unangenehm sein, wenn der Staatsgerichtshof dieser Klage stattgebe, während auf der anderen Seite die Reichsregierung nach wie vor der Ansicht sei, daß der Staatsgerichtshof zum Erlaß einstweiliger Verfügungen nicht berechtigt sei.

Der Reichskanzler schlug vor, auch diesen Punkt mit dem Gesandten Gradnauer zu besprechen und der Sächsischen Staatsregierung vorzuschlagen, angesichts der Absicht der Reichsregierung, das Hauptverfahren zur baldigen Durchführung zu bringen, auf die einstweilige Verfügung vorläufig nicht zurückzukommen.

Staatssekretär Gutbrod glaubte, daß die Sächsische Staatsregierung diesem Wunsche wohl nachkommen würde, daß aber die Durchführung des Hauptverfahrens bis zum 1. Mai kaum erreichbar sein werde. Der Reichsgerichtspräsident habe gemeint, es würden noch Monate bis zur endgültigen Entscheidung erforderlich sein.

Der Reichskanzler erklärte abschließend, daß er baldigst mit dem Sächsischen Gesandten Dr. Gradnauer Rücksprache nehmen werde. Er werde ihn erstens darum bitten, bei der Sächsischen Staatsregierung darauf hinzuwirken, daß diese auf ihre Klage wegen einstweiliger Verfügung nicht zurückkomme, zweitens werde er durch Herrn Gradnauer der Sächsischen Regierung nochmals alle Gründe vorstellig machen, die gegen die ausschließliche Benennung des Ministerialdirektor Klein für den Verwaltungsrat sprächen und werde sich für eine Vorschlagsliste der Sächsischen Staatsregierung von mehreren Kandidaten einsetzen. Das Ergebnis dieser Rücksprache mit dem Gesandten Gradnauer[1594] werde den beteiligten Ressorts mitgeteilt werden. Falls eine Verständigung mit Sachsen nicht möglich sei, müsse dann das Kabinett über die weitere Behandlung des Hauptprozesses entscheiden3.

3

Der RK empfing den sächs. Gesandten Gradnauer am 25. 3. und erklärte ihm, daß 1. Sachsen die einstweilige Verfügung nicht weiterverfolgen solle und 2. sich nicht auf die Benennung von Beamten festlegen möge. Gradnauer erklärte zu 1. das sächs. Einverständnis, da das Reich die Besetzung nicht plötzlich vornehmen wolle. Den zweiten Punkt wollte er seiner Regierung wohlwollend übermitteln. Eine Schwierigkeit bestehe darin, daß sich das sächs. Kabinett auf einen Beamten geeinigt habe. Die RReg. solle mit Sachsen in Verbindung treten, wenn die Besetzung des Verwaltungsrats noch vor der Hauptverhandlung vor dem StGH notwendig werde (Vermerk Pünders, 25.3.30; R 43 I /1060 , Bl. 75 f., hier: Bl. 75 f.).

Die Chefbesprechung wurde hierauf geschlossen4.

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Die Neubesetzung des Verwaltungsrats wurde auch vom Kabinett Brüning weiterbehandelt. Durch Urteil des StGH vom 25.11.30 wurde den Ländern Bayern, Sachsen, Württemberg und Baden das Recht auf Benennung eines eigenen Vertreters zugesprochen (R 43 I /1060 , Bl. 228-269, hier: Bl. 228-269).

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