1.77.1 (mu22p): [Stahlhelmverbot.]

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RTF

[Stahlhelmverbot.]

Der Reichskanzler eröffnete die Besprechung und führte u. a. aus, daß der Herr Reichspräsident ihm eine an den Herrn Reichspräsidenten als den Hüter der Reichsverfassung gerichtete Beschwerde des „Stahlhelms“ wegen angeblich verfassungswidriger Auflösung der Verbände dieses Bundes in den Provinzen Rheinland und Westfalen weitergeleitet habe1. Bekanntlich sei der Herr Reichspräsident Ehrenmitglied des „Stahlhelms“.

1

Die Vossische Zeitung und das Echo de Paris hatten über eine militärische Übung des Stahlhelms bei Langenberg am 21./22. 9. berichtet. Auf die Bitte des AA war der Sachverhalt untersucht worden. Danach hatte sich der PrIM mit dem RIM in Verbindung gesetzt, und dieser hatte mit dem RK und StS v. Schubert gesprochen, die keine Bedenken gegen ein Verbot des Stahlhelms geäußert hatten (Pünder an Meissner, 15.10.29; R 43 I /2734 , Bl. 110 f., hier: Bl. 110 f.). Der PrIM hatte das Verbot am 9. 10. ausgesprochen. Auf die Bitte v. Hagenows, dem RK unverzüglich das Material, das zum Stahlhelmverbot geführt habe, vorzulegen, war von MinDir. Menzel mitgeteilt worden, daß PrIMin. benötige noch etwa sechs Tage für die Auswertung und Zusendung (Vermerke Hagenows vom 15. 10.; R 43 I /2734 , Bl. 114 f., hier: Bl. 114 f.). Im AA waren die Vortr.LegR Forster und Redlhammer vom Verbot überrascht worden und hatten es bedauert, „da es der bisher in jahrelangen Verhandlungen mit Frankreich verfochtenen These schädlich sei, daß die Organisationen des Stahlhelms und anderer Verbände im Westen Deutschlands keinerlei militärischen Zweck und Wert hätten“ (Vermerk Plancks vom 14. 10.; R 43 I /2734 , Bl. 116, hier: Bl. 116). Den Antrag der DNVP auf Zurücknahme des Verbots durch den RIM (RT-Drucks. Nr. 1381, Bd. 438 ) hatte Graf Westarp mit dem Bemerken dem RK übersandt, gegen Übungen des Reichsbanners im gleichen Gebiet sei nicht eingeschritten worden. Bei dem Stahlhelmverbot handele es sich „um einen Vorwand für einen im Parteiinteresse vorgenommenen innerpolitischen Vorstoß“ (16. 10.; R 43 I /2734 , Bl. 117 f., hier: Bl. 117 f.). An den RPräs. als „Hüter der Verfassung“ hatte sich der Stahlhelm gewandt und ihn aufgefordert, sich gegen die ungleiche Behandlung des Stahlhelms und des Reichsbanners einzusetzen (19. 10.; R 43 I /2734 , Bl. 140 f., hier: Bl. 140 f.). Dazu war von v. Hindenburg dem RK erklärt worden: „Angesichts des hier an mich gerichteten Appells und meiner bei meinem Amtsantritt übernommenen und beschworenen Pflicht, ‚die Verfassung und die Gesetze des Reichs zu wahren und Gerechtigkeit zu üben gegen jedermann‘, erscheint es mir nicht angängig, diese Beschwerde unter Hinweis auf meine Unzuständigkeit zu einer eigenen Entscheidung zurückzuweisen. Ich halte es vielmehr für richtig, Sie, Herr RK, zu bitten, diese Eingabe einer formellen und sachlichen Prüfung zu unterziehen und namens der RReg. zu bescheiden. Da das Gesetz zur Durchführung der Artikel 177 und 178 des Friedensvertrags vom 22.3.21 gegen eine Auflösung von Verbänden keinen Raum gibt für den sonst in solchen Fällen zulässigen Einspruch an eine gerichtliche Behörde, erscheint es mir besondere Pflicht der RReg., den einzelnen Beschwerdebehauptungen nachzugehen“ (22. 10.; R 43 I /2734 , Bl. 138 f., hier: Bl. 138 f.).

Zwei Rechtsfragen schienen ihm (dem Reichskanzler) bereits geklärt zu sein.

a) Die im Gesetz zur Durchführung der Art. 177/178 des Friedensvertrags vom 22. März 1921 für die Auflösung einer Vereinigung vorgeschriebene Zustimmung der Reichsregierung bedeutet nur Zustimmung des Ressortministers,[1074] d. h. des Reichsministers des Innern, nicht jedoch Zustimmung des gesamten Reichskabinetts2.

2

Siehe RGBl., S. 235 f.

b) Eine Beschwerde gegen die Auflösungsverfügung sei nicht möglich. Der Reichstag habe im Jahre 1921 bei der Beratung des Gesetzentwurfs es abgelehnt, eine Beschwerdeinstanz vorzusehen.

Der geschäftsführende Reichsminister des Auswärtigen fragte, ob eine Beschwerde an das Reichsverwaltungsgericht dann möglich gewesen wäre, wenn dieses Gericht schon bestanden hätte.

Staatssekretär Zweigert verneinte diese Frage. Er betonte, daß der Reichstagsausschuß bei Beratung des Gesetzentwurfs die im Regierungsentwurf vorgesehene Möglichkeit einer Beschwerde an das Reichsverwaltungsgericht bzw. bis zur Errichtung des Reichsverwaltungsgerichts an den Vorläufigen Staatsgerichtshof durch Mehrheitsbeschluß abgelehnt habe.

Der Preußische Minister des Innern führte aus, daß es aus außenpolitischen Gründen nicht erwünscht sei, die Möglichkeit einer Beschwerde zu schaffen; es gehe nicht an, die in solchen Fällen zur Erörterung kommenden Fragen vor einem Gericht in breiter Öffentlichkeit darzulegen. Er führte im übrigen in tatsächlicher Beziehung folgendes aus: Am 30. Dezember 1926 habe der Reichsminister des Innern die Landesregierungen durch ein Rundschreiben auf die Notwendigkeit der Beobachtung der Bestimmungen des Gesetzes zur Durchführung der Art. 177/178 des Friedensvertrages vom 22. März 1921 hingewiesen und nochmals ausdrücklich auf die ergänzende Verordnung vom 12. Februar 1926 aufmerksam gemacht. Der Preußische Minister des Innern habe daraufhin den in Betracht kommenden Preußischen Dienststellen das erwähnte Rundschreiben besonders mitgeteilt.

Im Oktober 1926 habe er durch einen Bericht des Polizeipräsidenten von Magdeburg erfahren, daß der „Jung-Stahlhelm“ und Teile des „Kern-Stahlhelms“ sich dort militärisch betätigten. Der Vorsitzende des „Stahlhelms“, Seldte, und der Leiter des Berliner „Stahlhelms“, Major a. D. von Stephani, hätten ihn kurz darauf entsprechend ihrem eigenen Wunsch aufgesucht und ihn gebeten, von einem Verbot wegen der militärischen Betätigung des „Jung-Stahlhelms“ in Magedeburg absehen zu wollen. Sie hätten zugegeben, daß der „Jung-Stahlhelm“ und Teile des „Kern-Stahlhelms“ sich militärisch betätigt hätten, jedoch erklärt, sie wollten rücksichtslos gegen derartige Vorfälle einschreiten. Seldte habe damals auch die beiden in Betracht kommenden Unterführer des „Jung-Stahlhelms“, Görnemann und Winkelmann, ihres Postens enthoben. Auf Grund der Erklärungen der Stahlhelmführer habe der Preußische Minister des Innern damals von einem Verbot abgesehen, aber den „Stahlhelm“ vor Abhaltung weiterer militärischer Übungen eindringlich verwarnt.

Inzwischen habe der „Stahlhelm“ eine Wandlung in seiner ganzen Einstellung durchgemacht. Er sei nicht mehr eine kameradschaftliche Vereinigung alter Frontkämpfer und betätige sich nicht mehr in rein sportlicher Beziehung. Unter anderem hätten die Regierungspräsidenten von Breslau und von Düsseldorf3[1075] im Oktober und November 1928 ihm berichtet, daß in ihrer Gegend der „Stahlhelm“ militärische Übungen abgehalten habe. ‹Die Regierungspräsidenten hätten die Landesführer des „Stahlhelms“ auf die Unzulässigkeit solcher Übungen hingewiesen und demgemäß verwarnt.› Der „Stahlhelm“ könne demnach keinesfalls behaupten, daß bei dem jetzigen Verbot eine Änderung der bisherigen Praxis des Preußischen Ministeriums des Innern insofern vorliege, als das Verbot ohne vorherige Verwarnung erfolgt sei. ‹Im Herbst 1928 habe der Stahlhelm in Halle eine große Tagung abgehalten, die ebenfalls militärisches Gepräge gehabt habe. Der Stahlhelm habe über diese Tagung einen Film herstellen lassen, der von der Filmprüfstelle verboten worden sei4.›

3

In Breslau: Jaenicke; in Düsseldorf: Bergemann.

4

Diesen an anderer Stelle des Protokolls gestrichenen Sätzen folgt dort: „Aus dem Film, den er seinerzeit gesehen habe, ergebe sich zweifellos, daß jedenfalls in der Nähe von Halle militärische Übungen stattgefunden hätten.“

Es sei nun u. a. in der Öffentlichkeit behauptet worden, das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ mache dasselbe wie der „Stahlhelm“ und veranstalte dieselben militärischen Übungen. Diese Behauptung sei jedoch nicht richtig. Das „Reichsbanner“ veranstalte lediglich Geländespiele ohne jeden militärischen Anstrich. Die Mitglieder des „Reichsbanners“ würden nicht durch ehemalige Militärs ausgebildet. Es gebe dort auch keine militärischen Kommandos. Die Zeitungsmeldungen über angebliche militärische Übungen des „Reichsbanners“ entbehrten jeglicher Begründung.

Man könne auch nicht behaupten, daß die Nationalsozialisten militärische Übungen veranstalteten. Sie veranstalteten lediglich Geländespiele nicht militärischen Charakters.

Die am 21. und 22. September 1929 bei Langenberg abgehaltene Übung des „Stahlhelms“ sei bereits im Juni 1929 in der Stahlhelmzeitung als für den Juni geplant angekündigt worden. Da der Bundesführer, Seldte, an der Übung hätte teilnehmen sollen, sei die Übung dann schließlich auf den September verlegt worden. Seldte habe übrigens dann doch nicht an der Übung teilgenommen. Irgendeinen Anlaß, die Übung schon vorher zu verbieten, habe er nicht gehabt. Erst die Übung selber habe ihm Veranlassung zum Eingreifen gegeben. Die bei Langenberg abgehaltene Übung gehe weit über den sonst üblichen Rahmen der Übungen hinaus. Es hätten an dieser Übung ungefähr 4000 Mitglieder des „Stahlhelms“ teilgenommen. Von dieser Übung seien auch Aufnahmen gemacht worden.

An der Langenberger Übung hätten auch mehrere Reichswehroffiziere teilgenommen. Der Führer des Gaues Mittelruhr, Dr. Schneider, habe am 18. 9. durch ein Schreiben angekündigt, daß auch Reichswehroffiziere zu der Übung geladen seien. Über die Übung sei ihm durch je einen Bericht des Polizeipräsidenten von Essen und des Regierungspräsidenten von Düsseldorf berichtet worden. Aus den Berichten ergebe sich einwandfrei der militärische Charakter der Übung. Das beschlagnahmte Material habe die Richtigkeit des Inhalts der Berichte bestätigt5.

5

Das Material befindet sich in R 43 I /2735 .

[1076] Aus zwei Gründen habe er das Stahlhelmverbot schnell ergehen lassen müssen:

a)

Er habe nicht von dritter Seite, womöglich sogar durch Einwirkung des Auslandes, zum Handeln gezwungen werden wollen,

b)

er habe vermeiden wollen, daß Gegenstände der Beschlagnahme entzogen würden.

Hätte er sich mit dem Verbot Zeit gelassen, so hätte diese Möglichkeit bestanden. Der „Stahlhelm“ habe durch ein Rundschreiben vom 8. Oktober 1929 seinen Mitgliedern mitgeteilt, daß er von zuverlässiger Seite erfahren habe, die Regierung wolle den Stahlhelm verbieten, die Mitglieder müßten deshalb wegen etwaigen Materials das Entsprechende veranlassen und belastendes Material vernichten.

Die vielfach in der Öffentlichkeit aufgetauchte Behauptung, es sei auch der „Luisenbund“ verboten und das Verbot später zurückgenommen worden, sei falsch. Den „Luisenbund“ habe er nie aufgelöst.

Material über das Volksbegehren habe er schon vor der Einlegung der Beschwerde wegen dieser Beschlagnahme wieder zurückgegeben6. Es seien übrigens nur einige Flugblätter und anderes unwesentliches Material über das Volksbegehren beschlagnahmt worden, und zwar deshalb, weil das Material sich in demselben Büro befunden habe wie das Material des „Stahlhelms“.

6

Siehe Dok. Nr. 318.

Den „Scharnhorstbund“ habe er gleichfalls verboten. Es handele sich bei diesem Bunde gewissermaßen um die Kinderorganisation des „Stahlhelms“. Der „Scharnhorstbund“ sei die bundesseitig allein anerkannte Vorstufe für den „Jung-Stahlhelm“ und mit diesem und dem „Stahlhelm“ auf mannigfache Weise organisch verbunden.

Er habe bereits in einem Schreiben an den Reichsminister des Innern darauf hingewiesen, daß das Stahlhelmverbot auch aus innenpolitischen Gründen erfolgt sei. Ursprünglich sei der „Stahlhelm“ nach seiner Gründung eine reine Frontkämpferorganisation gewesen. Später habe die Führung des „Stahlhelms“ erklärt, ihr Staat sei nicht der jetzige Staat. Vom Jahre 1927 ab sei dann die radikale Entwicklung des „Stahlhelms“ immer rapider fortgeschritten. Im Jahre 1928 habe der Stahlhelm die sogenannte Haßbotschaft erlassen. Er habe erklärt, der „Stahlhelm“ müsse rüsten, um dem heutigen Staat seinen Willen aufzuzwingen und das System von 1918 zu Fall zu bringen. Alles das sei durch Material erwiesen. Er erinnere im übrigen an den Beschluß der Deutschen Volkspartei, in dem den Mitgliedern der Austritt aus dem „Stahlhelm“ nahegelegt werde6a.

6a

Anfang Oktober 1928 waren die Abgeordneten der DVP aus dem „Stahlhelm“ ausgetreten.

Der Preußische Minister des Innern verlas sodann Teile aus dem vor kurzem beschlagnahmten Stahlhelmmaterial, u. a. ein Schreiben vom 11. September 1929 über die Verwendung von Kraftfahrern bei der Übung am 21. und 22. September bei Langenberg, ein streng vertrauliches Schreiben vom 24. Januar 1929, einen Bericht des Gausportwarts Neumann vom 24. September 1929 über Wehrsportbewegung. Er erwähnte auch eine Denkschrift ohne Unterschrift „Der[1077] Stahlhelm in der Illegalität“7 und gab der Auffassung Ausdruck, daß der „Stahlhelm“ eine Zeitlang in engster Verbindung mit der Reichswehr gestanden habe.

7

Das beschlagnahmte Material wurde in einer geheimen Denkschrift des PrIM über die Wehrsportorganisation des Stahlhelms in Westfalen zusammengefaßt (R 43 I /2735 , Bl. 4-116, hier: Bl. 4-116).

Nach seiner Ansicht sei ernsthaft zu prüfen, ob das vorliegende Material nicht zwinge, den gesamten „Stahlhelm“ zu verbieten. Gerade aus außenpolitischen Gründen wäre es falsch gewesen, mit dem Verbot zu warten, bis eine ausländische Stelle vielleicht gedrängt hätte, ein Verbot auszusprechen. Es werde auch zu Unrecht behauptet, das Verbot hätte den ausländischen Nationen Recht gegeben, die behauptet hätten, es gebe illegale Organisationen in Deutschland. Er sage im Gegenteil, daß sein Verbot des „Stahlhelms“ den ernsthaften Willen der zuständigen Stellen in Deutschland erweise, keine illegalen Organisationen zu dulden. Es sei ferner von manchen Seiten der Vorwurf erhoben worden, das Verbot des „Stahlhelms“ für den Bereich der Rheinprovinz und Westfalens gehe zu weit. Es hätte genügt, wenn die in Betracht kommenden Gruppen des „Stahlhelms“ verboten worden wären. Demgegenüber müsse er betonen, daß ein derartiges Verbot von Ortsgruppen nicht ausgereicht hätte. Ein derartiges Verbot lasse sich praktisch nicht durchführen. Gerechtfertigt sei das Verbot für die gesamte Rheinprovinz und für die Provinz Westfalen aus der illegalen Einstellung des „Stahlhelms“.

Der geschäftsführende Reichsminister des Auswärtigen warf die Frage auf, weshalb auch der „Scharnhorstbund“ verboten worden sei. Er bat noch um nähere Mitteilungen hierfür.

Ministerialrat Schönner (Preußisches Ministerium des Innern) führte aus, daß der „Scharnhorstbund“ gewissermaßen die Kinderorganisation des „Stahlhelms“ darstelle. Der „Scharnhorstbund“ sei wohl äußerlich selbständig, aber auf mannigfache Weise mit dem „Jung-Stahlhelm“ und dem „Stahlhelm“ organisch verbunden. Die Mitglieder des „Scharnhorst-Bundes“ würden nach einiger Zeit vom „Jungstahlhelm“ aufgenommen, die Mitglieder des „Jungstahlhelms“ träten nach einiger Zeit in den eigentlichen „Stahlhelm“ über.

Der Reichsminister des Innern erklärte, weshalb er seine Zustimmung zu dem Verbot des „Stahlhelms“ durch den Preußischen Minister des Innern erteilt habe. Am Montagabend, den 7. Oktober, habe Staatsminister Grzesinski ihn von seiner Absicht fernmündlich in Kenntnis gesetzt, den „Stahlhelm“ zu verbieten. Er habe zunächst gewisse Bedenken wegen des Zeitpunktes des Verbotes geäußert, weil wenige Tage darauf die Eintragung für das Volksbegehren beginnen sollte. Ministerialrat Schönner habe ihn sodann persönlich von dem ganzen Sachverhalt unterrichtet und ihn auch davon überzeugt, daß ein Verbot notwendig und gerechtfertigt sei. Er habe dann am 8. Oktober morgens Staatsminister Grzesinski aufgesucht und ihm seine Auffassung dargelegt. Schon aus polizeilichen Berichten im Juni und Juli 1929 habe er entnommen, daß man rasch zupacken müsse. Seine Bedenken wegen des Zeitpunktes des Verbots habe er deshalb zurückgestellt, weil die Absicht des Verbots doch bekannt geworden wäre. Wenn im übrigen der „Stahlhelm“ erst am 30. Oktober verboten[1078] worden wäre, dann hätte die Opposition vielleicht gesagt, das Verbot sei nur aus Ärger über den Erfolg des Volksbegehrens ergangen. Er habe den Reichskanzler von seiner Absicht in Kenntnis gesetzt, dem Verbot des Preußischen Ministers des Innern zuzustimmen, desgleichen Staatssekretär von Schubert. Beide hätten keine Bedenken geäußert. Irgendeine Initiative des Auswärtigen Amts für den Erlaß des Verbotes liege außer den Schnellbriefen vom 26. und 30. September 1929 nicht vor.

Der Reichskanzler führte aus, er habe dem Herrn Reichspräsidenten bereits gesagt, das vorgefundene Material über den Stahlhelm sei – besonders auch in außenpolitischer Hinsicht – so gravierend, daß er schwere Bedenken trage, es bei der Aussprache im Reichstage zu verwenden. Die Beschwerde des „Stahlhelms“ sei sachlich völlig unbegründet. Es handele sich entschieden auch um ein gesetzwidriges „Verhalten“ des Stahlhelms im Sinne des § 1 des Entwaffnungsgesetzes.

Aus politischen Gründen müsse er es bedauern, wenn der ganze „Stahlhelm“ verboten werde. Der „Stahlhelm“ würde dann doch nur Schlupfwinkel in anderen Organisationen finden. Von erneuten Besprechungen mit Seldte und Düsterberg verspreche er sich keinen Erfolg. Er habe schon daran gedacht, ob es vielleicht möglich sei, den Auswärtigen Ausschuß eventuell mit der Sache zu befassen.

Der Reichsminister des Innern äußerte hiergegen ernste Bedenken. Da die Kommunisten an den Beratungen des Auswärtigen Ausschusses teilnähmen, würde eine Geheimhaltung doch nicht möglich sein.

Der Preußische Minister des Innern betonte, daß so schlüssiges Material für ein Verbot wohl noch nie vorgelegen habe.

Der geschäftsführende Reichsminister des Auswärtigen führte aus, daß es in der jetzigen Besprechung sich vor allem wohl darum handele, den Tatbestand zu klären. Er habe zunächst die Frage, ob es nicht richtiger gewesen wäre, daß die Polizeibehörden schon vorher eingeschritten wären, nachdem die Geländeübung schon längere Zeit vor dem 21. September vom Stahlhelm angekündigt worden sei. Das Auswärtige Amt sei gewissermaßen Hüter der Entwaffnungsbestimmungen. Es sei daher nötig gewesen, daß das Preußische Ministerium des Innern das Auswärtige Amt von dem beabsichtigten Verbot genau unterrichtet und die Ansicht des Auswärtigen Amts gehört hätte. Früher sei das Preußische Ministerium des Innern auch immer so vorgegangen. Staatssekretär von Schubert habe erklärt, daß er vom außenpolitischen Standpunkt keine Bedenken gegen ein Verbot des „Stahlhelms“ habe. Er selbst habe sicherlich kein Interesse daran, den „Stahlhelm“ zu verteidigen. Der „Stahlhelm“ habe gerade in der letzten Zeit genug innenpolitische Schwierigkeiten bereitet. Er müsse sich jedoch fragen, ob es sich bei der Übung am 21. und 22. September um eine militärische Übung gehandelt habe. Nach seiner Ansicht müsse diese Frage verneint werden. Irgendwelches militärische Material, Kanonen, Gewehre usw. habe dem Stahlhelm bei der Übung nicht zur Verfügung gestanden. Das „Reichsbanner“ veranstalte genau dieselben Übungen wie die Übung des „Stahlhelms“ bei Langenberg. Das sei auch bei den Landtagsverhandlungen am 16. Oktober 1929 zur Sprache gekommen.

[1079] Vielleicht empfehle es sich, Richtlinien zu dem Entwaffnungsgesetz auszuarbeiten. In den Richtlinien müsse man vielleicht den Charakter der militärischen Übungen auf Massenbewegungen beschränken. Er erblicke eine außenpolitische Gefahr darin, wenn man Übungen nach Art der Langenberger Übung des „Stahlhelms“ als militärische bezeichne. Er habe im übrigen das Bedenken, daß in der Einseitigkeit des Verbots nur des „Stahlhelms“ eine Gefahr innenpolitischer Art liege.

Der Preußische Minister des Innern betonte, es sei nie üblich gewesen, daß sich das Preußische Ministerium des Innern bei derartigen Verboten vorher mit dem Auswärtigen Amt in Verbindung gesetzt hätte. Die Verbote seien im übrigen früher auch stets entweder ausschließlich oder auch auf das Republikschutzgesetz gestützt worden.

Den Gedanken eines Verbotes des gesamten „Stahlhelms“ könne er nicht ganz von der Hand weisen. Bei dem Verbot des „Roten Frontkämpfer-Bundes“ habe ihn seinerzeit die Absicht geleitet, überhaupt die Zahl der Wehrverbände zu vermindern und diese von der Straße zu bringen. Dieselbe Absicht könne ihn auch bei einem Verbot des gesamten „Stahlhelms“ leiten. Vor allem aber könne ihn zu diesem Verbot die Tatsache leiten, daß der „Stahlhelm“ zu innenpolitischen Zwecken eingesetzt werden solle. Eine gesetzliche Möglichkeit, die Übung des „Stahlhelms“ bei Langenberg vor dem 21. September zu verbieten, hätte er kaum gehabt. Er könne nicht einzelne Handlungen verbieten, sondern nur die Organisation verbieten, d. h. auflösen. Der „Stahlhelm“ bereite sich für einen innenpolitischen Kampf vor. Die eigentliche Ausbildung im „Stahlhelm“ erfolge durch ehemalige Militärs, im „Reichsbanner“ jedoch nicht. In Preußen sei jedenfalls das „Reichsbanner“ nicht so aufgetreten wie der „Stahlhelm“. Der „Stahlhelm“ sei zudem vor seinem Verbot häufiger verwarnt worden. Irgendwelche Bedenken, daß mit zweierlei Maß gemessen werde, könne er nicht haben. Während der „Stahlhelm“ auf einen innenpolitischen Umsturz hinarbeite, stelle das „Reichsbanner“ eine Abwehrorganisation gegen den innenpolitischen Umsturz dar. Der Staat könne seine Gerechtigkeit nicht soweit treiben, daß er sich einer eigens zu seinem Schutz geschaffenen Organisation beraube. Wegen Übungen des „Reichsbanners“ habe das Auswärtige Amt im übrigen wohl keine Demarche von ausländischer Seite erlebt.

Der Reichsminister des Innern führte aus, daß drei rechtliche Möglichkeiten existierten:

a)

Die Übung hätte auf Grund des Art. 123 der Reichsverfassung vielleicht vorher verboten werden können,

b)

die Polizei hätte am 21. und 22. September die Übung selber unterbrechen können, wenn ein Anlaß dazu vorgelegen hätte,

c)

schließlich hätte wie im vorliegenden Falle verfahren werden können.

Bereits im Jahre 1921 habe der Reichsminister des Innern durch Rundschreiben vom 14. mai auf das Entwaffnungsgesetz vom 22. März besonders hingewiesen und eingehend erläutert, unter welchen Voraussetzungen Vereinigungen[1080] aufzulösen seien8. Er selber habe früher immer betont, daß Organisationen sich nicht militärische oder polizeiliche Aufgaben anmaßen dürften. Der „Stahlhelm“ habe sich jetzt angemaßt, im Rheinland und in Westfalen Aufgaben der Reichswehr zu übernehmen.

8

Dazu heißt es in einer Aufzeichnung für den RPräs., die auf Grund dieser Chefbesprechung angefertigt wurde: „Diese gesetzlichen Bestimmungen finden ihre Ergänzung in zwei an die Landesregierungen gerichteten Rundschreiben des damaligen RIM vom 14.5.21 und 30.12.26. In dem Rundschreiben vom 14.5.21 wird dargelegt, daß unter den Begriff des ‚Befassens mit militärischen Dingen‘ auch die Abhaltung von militärischen Felddienstübungen, das Üben in Angriffs- oder Verteidigungskämpfen falle. In dem Rundschreiben vom 30.12.26 hat der RIM u. a. ausgeführt, daß maßgebend für die Frage, ob ein Verein entgegen dem Entwaffnungsgesetz sich mit militärischen Dingen befasse, nicht so sehr seine Satzung als vielmehr seine tatsächliche Betätigung sei“ (13. 11.; R 43 I /2734 , Bl. 241-250, hier: Bl. 241-250).

Übungen militärischer Art hätten im „Reichsbanner“ kaum stattgefunden. Er selbst sei ursprünglich kein Freund der Errichtung des „Reichsbanners“ gewesen, das übrigens nicht von der Regierung errichtet worden sei. Die Wahlen vom Mai 1924 hätten jedoch bewiesen, daß die Errichtung des „Reichsbanners“ nötig gewesen wäre. Es sei damals schon den Sozialdemokraten, dem Zentrum, den Demokraten und auch teilweise der Deutschen Volkspartei kaum möglich gewesen, Wahlversammlungen abzuhalten. Mehr als einmal hätten Nationalsozialisten Versammlungen unmöglich gemacht.

Was nun das Verbot des ganzen „Stahlhelms“ angehe, so würden die Vorgänge bei Magdeburg, Breslau und Düsseldorf ein Gesamtverbot rechtfertigen. Er habe trotzdem Bedenken gegen ein derartiges Verbot. Im übrigen hätte der „Stahlhelm“ sich doch wohl größere Zurückhaltung auferlegt, wenn er nicht geglaubt hätte eine gewisse Stütze in der Person des Herrn Reichspräsidenten zu haben.

Vor kurzem habe erst Seldte erklärt, der „Stahlhelm“ müsse die Diktatur ergreifen. Diese Äußerung sei vielleicht nicht so ernst zu nehmen und hauptsächlich deshalb erfolgt, um die Mitglieder des „Stahlhelms“ bei der Stange zu halten. Andererseits müsse man jedoch bedenken, daß die Regierung das Vertrauen der staatserhaltenden Parteien verloren hätte, wenn sie jetzt nicht die Auflösung verfügt hätte.

Sollten beim „Reichsbanner“ irgendwelche Ungesetzlichkeiten vorkommen, so könne man auf dieses mit Hilfe der Polizei einwirken.

Ungerechtfertigt sei auch der teilweise erhobene Vorwurf, es hätte nicht der gesamte „Stahlhelm“ in der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen aufgelöst werden dürfen. Abgesehen davon, daß die Durchführung eines auf nur wenige Kreise beschränkten Verbots einer Organisation polizeilich unmöglich sei, sei ihm auch bekannt, daß auch in den östlichen und nordöstlichen Grenzbezirken Westfalens, z. B. im Kreise Wiedenbrück militärische Übungen des „Stahlhelms“ stattgefunden hätten, die im Zusammenhange mit den anderen Vorfällen eine Auflösung des „Stahlhelms“ für die gesamte Provinz Westfalen rechtfertigten.

Der Reichswehrminister erklärte, zunächst zu der militärischen Seite der Übungen des „Stahlhelms“ und des „Reichsbanners“ Stellung nehmen zu wollen. Militärisch seien alle diese Übungen vollkommen wertlos. Wenn wirklich[1081] einmal das deutsche Volk wieder in eine kriegerische Verwicklung gezogen werden sollte, sei die Unterstützung der Reichswehr durch das gesamte Volk notwendig.

Er sei der grundsätzlichen Auffassung, daß im Staate nur zwei bewaffnete Mächte existieren dürften, nämlich die Polizei und die Reichswehr. Er müsse zugeben, daß die Reichswehr früher auch Unbesonnenheiten begangen habe, die er nicht verteidigen könne. Schuld hieran seien teilweise aber auch Maßnahmen früherer Reichsregierungen.

Er habe es jetzt allgemein der Reichswehr überall verboten, mit Organisationen zusammenzuarbeiten.

In dem beschlagnahmten Material des „Stahlhelms“ seien folgende vier Punkte für den „Stahlhelm“ besonders belastend:

a)

Die Behauptung, der „Stahlhelm“ setze die im Westen eingestellte Arbeit der Reichswehr fort,

b)

der Brief des Landesführers Mahnken, der „Stahlhelm“ habe nunmehr die gesamten Aufgaben der Reichswehr zu übernehmen, nachdem er praktisch bisher die Aufgaben schon habe ausführen müssen,

c)

die in einem Schreiben dargelegte Auffassung des „Stahlhelms“, der „Stahlhelm“ müsse einen Ausgleich zwischen politischer Arbeit und militärischer Ausbildung finden,

d)

ein Rundschreiben des Verbandsführers Mahnken, wonach der „Stahlhelm“ die stillgelegten Arbeiten der Reichswehr als Sondergebiet übernimmt. Es werden des weiteren Persönlichkeiten bestimmt, die die Verantwortung für die militärpolitischen Angelegenheiten der westlichen Zone übernehmen.

Er bitte dringend, den Wert der militärischen Übungen nicht zu überschätzen. Die alten Offiziere, die dem „Stahlhelm“ zur Verfügung ständen, würden im Ernstfalle nicht die Führung übernehmen können. Die Übungen des „Stahlhelms“ seien nur Soldatenspielereien. Sie seien auch nicht als militärische Kleinarbeit zu werten. Militärische Kleinarbeit hätte nur der „Rote Frontkämpferbund“ geleistet, dem es aber auf der anderen Seite an geeigneten Führern gefehlt habe.

Was nun das Verbot des „Stahlhelms“ anlange, so hätte er das Verbot jetzt nicht ausgesprochen. Er bedauere insbesondere, daß es nötig gewesen sei, das Verbot lediglich auf das Entwaffnungsgesetz zu stützen. Die vom geschäftsführenden Reichsminister des Auswärtigen angeregten Richtlinien begrüße er. Eine Endlösung erblicke er nur darin, daß die Reichswehr möglichst stark als Organ des jetzigen Staates und der Verfassung ausgestaltet werde.

Daß das „Reichsbanner“ ähnliche Übungen veranstaltet habe, wie die Übung des „Stahlhelms“ bei Langenberg, könne nach seiner Ansicht nicht bezweifelt werden. Er nenne in diesem Zusammenhang u. a. Übungen des Gaues Mecklenburg – Lübeck des „Reichsbanners“ am 12. Oktober 1929, ferner Übungen des „Reichsbanners“ in Ostpreußen, bei Freising in Bayern, bei Berlinchen, bei Weinheim.

Der Preußische Ministerpräsident führte aus, daß die gesetzlichen Voraussetzungen zum Erlaß des Verbots des „Stahlhelms“ zweifellos vorgelegen hätten.[1082] Er stimme mit dem Reichswehrminister darin überein, daß der militärische Wert derartiger Stahlhelmübungen äußerst gering sei.

Man könne jedoch nicht, wie der geschäftsführende Reichsminister des Auswärtigen es wolle, die politische und militärische Seite der Angelegenheit auseinander halten. Die Reichsregierung hätte seinerzeit das Entwaffnungsgesetz sicherlich nicht eingebracht, wenn nicht der Druck des Auslandes dazu genötigt hätte. Es sei eine ganz schematische Auffassung, wenn man nun alle Organisationen verbieten wolle. Das „Reichsbanner“ habe dem Ausland nie den Vorwand für Vorstellungen wegen Nichtinnehaltung des Entwaffnungsgesetzes gegeben. Die Franzosen hätten sicherlich Spitzel im Stahlhelm, durch die sie über alles unterrichtet würden. Er entsinne sich noch einer Äußerung des verstorbenen Reichsministers Dr. Stresemann ihm gegenüber, daß er sehr unangenehm überrascht worden sei, als Briand ihm bei einer Unterredung umfangreiches Material über illegale Organisationen in Deutschland vorgelegt hätte.

Bei passender Gelegenheit wolle er dem Herrn Reichspräsidenten sagen, es sei nach seiner Ansicht zu begrüßen, wenn er sich vom „Stahlhelm“ loslöse.

Die Reichswehr solle im übrigen zu verstehen geben, daß sie mit dem „Stahlhelm“ nichts zu tun habe.

Staatssekretär Dr. von Schubert führte aus, der Reichsminister des Innern habe ihn seinerzeit von dem beabsichtigten Stahlhelmverbot in Kenntnis gesetzt; er habe vom außenpolitischen Standpunkt aus keine Bedenken dagegen geäußert, und zwar von der Erwägung ausgehend, daß beim Erlaß eines Verbots des „Stahlhelms“ in den Provinzen Rheinland und Westfalen mit Erfolg einer Demarche einer auswärtigen Macht begegnet werden könne.

Im übrigen müsse er betonen, daß er auch heute dem Reichsminister des Innern genau dieselbe Antwort geben würde wie seinerzeit kurz vor der Anordnung der Auflösung des „Stahlhelms“, daß er keine außenpolitischen Bedenken gegen die Auflösung habe. Er sei keineswegs, wie ein Teil der Presse behauptet habe, durch den Reichsminister des Innern gewissermaßen überrumpelt worden. Im übrigen würde er es mit Dank begrüßen, wenn die erwähnten Richtlinien möglichst bald ausgearbeitet werden könnten.

Der Reichskanzler führte aus, daß der Herr Reichspräsident sich bisher noch nicht bereit erklärt habe, seine Ehrenmitgliedschaft im „Stahlhelm“ niederzulegen. Im Moment bedrücke den Herrn Reichspräsidenten offenbar der Gedanke, daß vielleicht beim „Stahlhelm“ im Vergleich zum „Reichsbanner“ mit zweierlei Maß gemessen werde. Er, der Reichskanzler, kenne jedoch nur einen einzigen Fall einer militärischen Übung des „Reichsbanners“, nämlich im Jahre 1926 in Donaueschingen. Amtliches Material über andere Übungen des „Reichsbanners“ sei ihm nicht bekannt geworden9.

9

Der Gauvorstand des Reichsbanners hatte damals die Übung mißbilligt und StPräs. Remmele mitgeteilt, sie habe hinter seinem Rücken stattgefunden (Remmele an den RIM, 22.10.26; R 43 I /2734 , Bl. 136, hier: Bl. 136). Dem Grafen Westarp hatte der RK mitgeteilt, die Geländespiele des Reichsbanners trügen keinen militärischen Charakter (18.10.29; R 43 I /2734 , Bl. 131, hier: Bl. 131); diese Ansicht wurde auch gegenüber dem RPräs. vertreten (13.11.29; R 43 I /2734 , Bl. 241-250, hier: Bl. 241-250).

[1083] Die Ausarbeitung der Richtlinien sei notwendig. Die Richtlinien würden wohl eine verkürzte Interpretation der beiden Rundschreiben des Reichsministers des Innern vom 14. Mai 1921 und vom 30. Dezember 1926 darstellen. Die Vorbereitung der Richtlinien müsse der Reichsminister des Innern unter Beteiligung des Reichswehrministers übernehmen10.

10

In einem Rundschreiben an die obersten Reichs- und Landesbehörden stellte der RIM die bisherigen Erlasse zusammen (19. 12.; R 43 I /422 , Bl. 180 f., hier: Bl. 180 f.).

Grundsätzlich müsse er nochmals die dringende Notwendigkeit betonen, daß alle militärischen Übungen unterblieben, besonders auch Massenübungen. Das sei nicht nur aus außen-, sondern auch aus innenpolitischen Gründen geboten. Das Beispiel Österreichs zeige, wie gefährlich eine Bewegung sich entwickeln könne11. Viele Kenner der Verhältnisse behaupteten, daß auch der Bundeskanzler Schober die von ihm angestrebte Verfassungsreform nicht werde durchsetzen können und daß eine Reform der Verfassung schließlich unter dem Druck der Heimwehren außerhalb des Parlamentes zustande kommen werde.

11

Gemeint sind die Vorgänge in Wien beim Brand des Justizpalastes 1927 und die Spannungen zwischen Heimwehr und Republikanischem Schutzbund.

Die Beobachtung der innenpolitischen Entwicklung in Österreich werde für Deutschland von größtem Interesse sein.

Dem Herrn Reichspräsidenten wolle er alsbald an Hand einer schriftlichen Unterlage über die heutige (30. 10.) Chefbesprechung Bericht erstatten12.

12

Im Zusammenhang mit der ersten Beratung des Republikschutzgesetzes am 4.12.29 wurde auch das Stahlhelmverbot erörtert (RT-Bd. 426 ). Gegenüber dem RPräs. protestierte der Stahlhelm gegen die Ablehnung seiner Beschwerde durch die RReg.: Es sei kein Beweis dafür erbracht worden, daß die Langenberger Übung militärischen Charakter gehabt habe. Bei dem beschlagnahmten Material handele es sich um Fälschungen. In der Rede des RIM zur DNVP-Interpellation sei klar zum Ausdruck gekommen, daß das Verbot aus innerpolitischen Gründen erfolgt sei. Bedenklich erscheine, daß das Militär zum Verbot nicht gehört worden sei (19. 12.; R 43 I /2734 , Bl. 330-332, hier: Bl. 330-332). Die Forderung auf Aufhebung des Verbots wurde am 27. 2. erneuert (Stahlhelm an RPräs.; R 43 I /2734 , gefunden in R 43 I /2735 , Bl. 140-142, hier: Bl. 140-142). Dem RK gegenüber äußerte der RPräs. seinen Wunsch, daß das Stahlhelmverbot in Rheinland und Westfalen möglichst noch vor der Räumung der besetzten Zone (30.6.30) aufgehoben werden solle, „spätestens aber dann“ (Notiz des RK vom 5.3.30; R 43 I /2734 , gefunden in R 43 I /2735 , Bl. 137, hier: Bl. 137). Am 1.4.30 teilte StS Meissner dem StSRkei mit, daß die Bitte der Arbeitsgemeinschaft nationaler Verbände des südlichen Rheinlands, das Stahlhelmverbot aufzuheben, geprüft werden solle. Der RPräs. halte nun die Zeit dafür für gekommen. Bei einer Besprechung mit RK Müller habe dieser erklärt, MinPräs. Braun habe die Aufhebung des Verbots in Aussicht gestellt (R 43 I /2734 , gefunden in R 43 I /2735 , Bl. 149-151, hier: Bl. 149-151). Unter dem Druck des RPräs., der sonst an den Feierlichkeiten zur Befreiung des Rheinlands von der Besatzung nicht teilnehmen wollte, wurde am 16. 6. von Preußen das Verbot aufgehoben.

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