1.4 (mu22p): Nr. 260 Staatssekretär Meissner an Staatssekretär Pünder, 7. August 1929

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Nr. 260
Staatssekretär Meissner an Staatssekretär Pünder, 7. August 19291

1

Pünder befand sich mit der deutschen Delegation in Den Haag, wo am 5. 8. die politische Konferenz begonnen hatte.

R 43 I /295 , Bl. 137 f., hier: Bl. 137 f.

[Betrifft: Auffassung des Reichspräsidenten über die Verhandlungsziele der Haager Konferenz.]

Lieber Herr Pünder!

Die Haager Konferenz beschäftigt den Herrn Reichspräsidenten in ganz besonderem Maße. Nach den bisher vorliegenden Berichten und ausländischen Presseäußerungen ist anzunehmen, daß die von Deutschland für die Annahme des Young-Plans aufgestellten Bedingungen auf französischer Seite ernstlichen Widerstand finden und Gegenforderungen auslösen werden, und es ist auch zu befürchten, daß der englische Widerstand gegen den Verteilungsschlüssel zum Versuch einer finanziellen Höherbelastung Deutschlands führen kann2. Der Herr Reichspräsident hat mich daher beauftragt, durch ihre Vermittlung den in Haag anwesenden Herren Reichsministern zur Kenntnis zu bringen, daß nach seiner, des Herrn Reichspräsidenten, Auffassung der Young-Plan nur dann für Deutschland annehmbar wäre, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

2

Snowden hatte in der Generaldiskussion erklärt, daß er in der Art der Aufteilung der geschützten und ungeschützten Annuitäten Schwierigkeiten für eine Einigung sehe, ferner in der Änderung des Spa-Schlüssels und in der Regelung der Sachlieferungen (Pünders Telegramm Nr. 6 vom 6. 8.; R 43 I /295 , Bl. 262 f., hier: Bl. 262 f.). Siehe dazu auch Schultheß 1929, S. 511 ff., und die Arbeit des Reichsarchivs über die Entstehung des Young-Plans, Teil III (BA: Nachlaß Pantlen  8).

1. Das Rheinland muß zu einem nahen, kalendermäßig bestimmten Termin geräumt werden.

[846] 2. Bezüglich des Saargebiets muß mindestens ein pactum de contrahendo oder eine bindende Zusage Frankreichs vorliegen, alsbald wegen Rückgabe des Saargebiets mit uns in Sonderverhandlungen einzutreten.

3. Irgend eine Kontrollkommission, wie sie auch heißen möge, darf nicht zugestanden werden, auch nicht bis 1935.

4. Deutschland darf keine bindenden Erklärungen abgeben, daß es den Young-Plan als eine endgültige Regelung der Reparationen ansieht. Auch darf keine andere Regelung übernommen werden, die für uns eine künftige Reform des Young-Plans ausschließt oder erschwert.

Der Herr Reichspräsident hat sich mir gegenüber nachdrücklich dahin ausgesprochen, daß es – falls diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind – ihm nicht möglich wäre, mit seinem Namen und seiner Person den Young-Plan zu decken; er müsse sich vorbehalten, aus der sich dann ergebenden Lage persönlich seine Konsequenzen zu ziehen.

Der Herr Reichspräsident wäre dankbar, wenn er baldmöglichst die Stellungnahme der im Haag anwesenden Herren Reichsminister zu dieser seiner Auffassung der Lage erfahren könnte3. Für alle Fälle läßt der Herr Reichspräsident bitten, sofern eine Abweichung von diesen hier skizzierten Bedingungen in Frage kommt, ihm vorher schriftlich oder mündlich Vortrag zu halten, ehe eine Unterschrift oder auch nur eine Paraphierung einer Abmachung hierzu erfolgt.

3

StS Pünder beauftragte die Rkei, eine vollständige Abschrift des Protokolls der Ministerbesprechung vom 2. 8. (Dok. Nr. 258) an StS Meissner zu senden (Telegr. Nr. 27 vom 9. 8.; R 43 I /295 , Bl. 79, hier: Bl. 79). Vgl. auch Dok. Nr. 269.

Mit besten Empfehlungen bin ich Ihr sehr ergebener

Meissner

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