1.118.1 (str2p): 1. Lage in Bayern.

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Die Kabinette Stresemann I und II. Band 2Gustav Stresemann und Werner Freiherr von Rheinhaben Bild 102-00171Bild 146-1972-062-11Reichsexekution gegen Sachsen. Bild 102-00189Odeonsplatz in München am 9.11.1923 Bild 119-1426

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RTF

1. Lage in Bayern1.

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Am 9.11.23 wurde in der Rkei vermerkt, in einem Drahtbericht aus Nürnberg, der einen dort um 3 Uhr morgens empfangenen Funkspruch an das RWeMin. mitteilte, erklärten Kahr, Lossow und Seißer, „daß sie den Putsch unter Ludendorff nicht mitmachen. Die von ihnen erpreßte Erklärung sei ungültig. Die südbayerischen Truppen seien nach München befohlen, die in Nürnberg und Fürth sollten an Ort und Stelle bleiben. Der General von Lossow befinde sich in der Kaserne, während das Wehrkreiskommando von den Revolutionären besetzt sei. General von Lossow hoffe, in ganz kurzer Zeit mit der Revolution fertigzuwerden und die Bewegung bis heute vormittag unterdrückt zu haben“ (R 43 I /2218 , Bl. 288).

Der Chef der Heeresleitung2 verliest die neuesten Nachrichten aus München. Danach habe kurz3 nach dem Vorgehen Hitlers im Bürgerbräukeller eine Besprechung zwischen Kahr, den Generälen v. Lossow und v. Rüdt [!] und dem Chef der Landespolizei Oberst Seißer stattgefunden mit dem Ergebnis, daß man den Putsch unter Hitler-Ludendorff nicht mitmache. Fest stehe, daß die Garnisonen Nordbayerns gegen Hitler seien. Er sei der Auffassung, daß die gesamte Reichswehr in Bayern fest in der Hand des Generals v. Lossow sei. <Man müsse also annehmen, daß die Erhebung in München bald niedergeschlagen werde.>4 Im gesamten übrigen Reich herrsche völlige Ruhe5. Nachdem[999] die Lage auf diese Weise geklärt sei, beantrage er die Aufhebung der über Bayern verhängten Bahn- und Postsperre. Er halte es grundsätzlich für zweckmäßig, alle Maßnahmen aufzuheben, die geeignet seien, die Situation zu verschärfen.

2

Zunächst „Exzellenz von Seeckt“, dann „General“; beides ausgestrichen.

3

Aus: „sofort“.

4

Der Satz lautete zunächst: „Man könnte also berechtigterweise annehmen, daß die Erhebung in München in nicht allzu ferner Zeit niedergeschlagen werde.“

5

Unter dem Datum 9.11.1923 war in der Rkei vermerkt worden: „1) Telefonische Mitteilung aus Stuttgart: Der bekannte Funkspruch von Herrn v. Lossow wird bestätigt. Er lautet: Im Bürgerbräukeller erzwungene Unterschrift hinfällig. v. Kahr, Schweyer, Lossow, Seißer, bekämpfen Hitlerputsch. Vorsicht vor Mißbrauch obiger Namen. Unterschrift v. Lossow. 2) Telefonische Mitteilung aus Stuttgart: Reichswehr und Polizei ist fest in der Hand von Kahr. Die wichtigsten Regierungsgebäude sind im Besitz von Kahr. Der Wehrkreiskommandeur 5 hat an v. Lossow folgenden Funkspruch gerichtet: Wehrkreiskommando 5 steht treu zu Bayern bei Bekämpfung des Hitlerputsches. – In Württemberg hat die Regierung gegen Nationalsozialisten durchgegriffen. Die Führer Max Weber in Geißlingen und Streicher sind verhaftet. In Ulm ist der Bahnschutz eingesetzt. Telegraphenverkehr nach Bayern ist gesperrt. Man hofft, den Putsch bald niederschlagen zu können, jedenfalls ist eine Ausdehnung auf Württemberg nicht zu befürchten“ (R 43 I /2218 , Bl. 289). Zu den Ereignissen außerhalb Münchens s. H. J. Gordon, Der Hitlerputsch, S. 328 ff.

Der Reichsverkehrsminister teilt im Anschluß an die Ausführungen des Generals v. Seeckt mit, daß er Nachrichten erhalten habe, wonach einer der Hauptanhänger Hitlers, der frühere Pol.Präs. Pöhner, bereits in Schutzhaft genommen sei. Alle öffentlichen Gebäude in München seien in der Hand der Regierung. Hitler und Ludendorff scheinen sich im Gebäude des Wehrkreiskommandos noch zu halten. Eine Aktion gegen dieses sei im Gange6.

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Die Aussage Oesers dürfte sich auf die telegrafische Mitteilung des Würzburger Oberbaurats Emmerich gründen: „Putsch in München schon erledigt. Soeben folgende offizielle Nachricht erhalten: Ehemaliger Polizeipräsident und Rädelsführer Pöhner in Schutzhaft. Kahr, General Lossow und Oberst Seißer von der Landespolizei auf Seiten der legitimen Regierung und haben anfänglich nur unter dem Druck der Erpressung gehandelt, ganz Bayern und auch München ruhig, und auf Seite der rechtsmäßigen Regierung. Ludendorff und Hitler allein noch verschanzt im Kriegsministerium, Reichswehr treu. Alle öffentlichen Gebäude in der Hand der rechtsmäßigen Regierung.“ Daran schlossen sich Ausführungen über die Wiederaufnahme des Eisenbahnverkehrs zwischen den übrigen Reichsgebieten und Bayern an (R 43 I /2218 , Bl. 290).

Aus dem Kabinett erfolgt die Anregung, daß der Herr Reichskanzler, ehe man die gegen Bayern verhängten Maßnahmen aufhebe, versuchen sollte, mit dem bayerischen Ministerpräsidenten v. Knilling selbst fernmündlich Fühlung zu nehmen, um sich ein eingehendes Bild von der Lage in Bayern zu verschaffen7.

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Über ein entsprechendes Ferngespräch ließ sich in R 43 nichts ermitteln. Der bayer. Gesandte v. Preger teilte am 10.11.23 „10 Uhr vormittags mit, daß die verfassungsmäßige bayerische Regierung wieder fungiere und keinen Moment zu fungieren aufgehört habe. 4 Minister seien am Abend des Putsches verhaftet und verschleppt worden, darunter der Ministerpräsident von Knilling. Während ihrer tatsächlichen Behinderung sei die Regierung durch die anderen Minister ausgeübt worden, die sich nach Regensburg begeben hatten, um von dort den Widerstand gegen die Putschisten zu organisieren. Die festgenommenen Minister seien gestern befreit worden. – Köhler [= Pöhner!] und Frick seien verhaftet. Ludendorff auf Ehrenwort freigelassen. Ob der Landtag tagen werde, sei noch unklar“ (R 43 I /2218 , Bl. 293).

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